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In den Vorständen wächst der Frauenanteil nur langsam

Diversität. In den Managementebenen der Immobilienwirtschaft dominieren Männer das Bild. Genaue Zahlen zu Frauen, die in der Branche Vorstandsposten besetzen, gibt es kaum. Dafür aber junge weibliche Nachwuchskräfte, die gerne Führungsverantwortung übernehmen würden.

Janina Stadel
13. März 2025

Der Eindruck täuscht nicht, wenn beim Gang über die Mipim vor allem männliche Kollegen unterwegs sind. Bei Veranstaltungen, zu denen nur die oberste Führungsriege ausrückt, machen Männer in der Immobilienbranche den Großteil der Besucher aus. Denn sie besetzen die meisten Positionen in den Vorständen. Doch mit belegbaren Zahlen lässt sich der Männerüberschuss nur schwer beweisen. Das liegt daran, dass keine Verpflichtung besteht, die Führungsriegen zu durchmischen oder ihre Besetzungen nach außen zu kommunizieren.

Dabei war die Diskussion um eine Pflichtdurchmischung vor rund zehn Jahren branchenübergreifend präsent, als die Einführung einer möglichen Frauenquote durch die Politik plötzlich Thema wurde. Während die einen in einer verbindlichen Regelung einen Weg für mehr Gleichberechtigung sahen, standen andere der Idee kritisch gegenüber. „Ich hatte damals das Erlebnis, dass Frauen aufgrund einer Quote gar keinen Job wollten. Nun habe ich das Gefühl, diese Diskussion ging im Laufe der Jahre verloren“, erinnert sich Bushra Nadeem an Gespräche aus der Zeit rund um ihren Berufseinstieg vor knapp 15 Jahren. Als Personalberaterin und Managing Director von Artes Recruitment weiß sie, dass Unternehmen, die sie mit der Besetzung von Führungspositionen in der Immobilienwirtschaft beauftragen, zum Teil gezielt den Wunsch nach einer Frau äußern, um ihre Teams gemischter aufzustellen. Ausschlaggebend für eine Besetzung sei aber in den meisten Fällen nicht das Geschlecht, sondern die fachliche Qualifikation, der Teamfit und die zeitnahe Verfügbarkeit.

Für Karin Barthelmes-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG), steht fest, dass Diversität in den vergangenen Monaten in vielen Firmen in den Hintergrund gerückt ist. „Für viele Unternehmen hat es aktuell Vorrang, Geschäfte zu generieren“, sagt sie.

Auch bei der Bundestagswahl spielte die Einführung einer Frauenquote nur eine untergeordnete Rolle. Die bestehende Regelung, die sich seit August 2022 auf die Zusammensetzung von Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen bezieht, lehnten AfD und FDP sogar ab. CDU, Linke und Grüne wollten die jetzige Regelung beibehalten, die SPD schlug sogar eine Ausweitung der Vorgabe auf Vorstände bis 2030 und auf die Privatwirtschaft vor.

Diese würde für viele Veränderungen auf den Chefsesseln der Immobilienbranche sorgen. Laut Bericht der Allbright-Stiftung finden sich in den Vorständen der 160 großen deutschen in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen 19,7% Frauen. Zum Vergleich: In Großbritannien sind es 32,1%. In den zwölf deutschen Unternehmen mit Immobilienbezug sieht es kaum besser aus: 13 von 50 Positionen auf dieser Ebene sind weiblich besetzt. Einzige CEO in der Liste ist Claudia Hoyer, die seit 2023 als COO und Co-CEO neben Martin Thiel das Wohnungsunternehmen TAG Immobilien leitet. Weil das Unternehmen auf mehr als 40% weibliche Vorstandsmitglieder kommt, reiht es sich zusammen mit zwei weiteren Immobilienunternehmen auf der sogenannten grünen Liste der Stiftung ein. Dort finden sich auch der Bestandshalter Hamborner Reit mit Sarah Verheyen als COO und CIO im Vorstand und der Bausoftwarekonzern Nemetschek mit CFO Louise Öfverström. 

Ganz ähnliche Zahlen hat der Verein Frauen in Führung (FiF) in seinem ersten Female Board Report festgehalten. Für die Studie untersuchte der Verein auf der Basis zweier studentischer Abschlussarbeiten von Raphaela Rudolph an der Irebs und Niklas Querfeld an der EBZ Business School die Zusammensetzungen von Vorständen in 200 Branchenunternehmen. Im Schnitt kamen sie auf einen Frauenanteil von 18%, wobei sich die Zusammensetzungen je nach Tätigkeitsfeld unterschieden. Am stärksten sind Frauen in den kommunalen Wohnungsunternehmen vertreten, am schwächsten in den Maklerhäusern, wo nicht einmal jeder zehnte Vorstandssessel einer Frau zugeordnet wird.

Im Vergleich zu 2019 hat der durchschnittliche Frauenanteil laut FiF-Report nur um 5 Prozentpunkte zugelegt (ohne Berücksichtigung kommunaler Wohnungsunternehmen). Die deutlichsten Steigerungen gab es in den Segmenten Finanzierung (+10 Prozentpunkte) sowie Asset- und Investmentmanagement (+11 Prozentpunkte).

Positionsbezeichnungen sind uneindeutig

Die Zahlen zu filtern und einer Führungsebene zuzuordnen, sei nicht immer leicht gewesen. „In Geschäftsberichten werden unterschiedliche Begrifflichkeiten wie zum Beispiel Management, Managing und Executive verwendet“, heißt es im Report. Zudem gehören viele deutsche Immobilienunternehmen als Tochtergesellschaften zu Konzernen, was das Prüfen von Diversitätsdaten erschwere, wenn Angaben zu Verteilungen nicht für einzelne Gesellschaften veröffentlicht werden. Wegen dieser Hürden mussten die Verantwortlichen für den Report alle Unternehmen anschreiben oder sich ihre Vorstandszusammensetzungen aus Geschäftsberichten und Internetauftritten zusammensuchen. „Der Rücklauf zu meinen Anfragen war im ersten Anlauf relativ gering“, fasst Raphaela Rudolph den Start ihrer Recherchen zusammen. „Unternehmen, die eine Frauenquote in ihrer eigenen Unternehmenskultur für sich verankert haben, sind stolz darauf und geben gerne Auskunft. Doch diejenigen, die nur wenige Frauen in leitenden Positionen haben, waren zurückhaltend.“

Hier könnte die EU-weite Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Abhilfe schaffen, wenn ab 2026 Unternehmen ab 250 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme ab 25 Mio. Euro pro Jahr oder ab 50 Mio. Euro Nettoumsatzerlös pro Jahr den Status ihrer Frauenanteile in den ersten drei Führungsebenen angeben und Zielgrößen und Fristen für diese Ebenen sowie entsprechende Maßnahmen und Richtlinien bekannt geben müssen. „Die CSRD kann helfen, die Transparenz zur Geschlechtervielfalt in den Geschäftsführungen der Branche zu erhöhen – und auch die Entwicklung in den Unternehmen zu beobachten“, sagt FiF-Vorsitzende Anne Tischer. Sie ist sich sicher: „Mehr Frauen in Managementteams zu bringen, ist nichts, das von selbst geschieht. Es braucht klare Anreize und Ziele im Unternehmen, mit denen die gewünschte Entwicklung gezielt geplant, beobachtet und laufende Maßnahmen nachjustiert werden können.“

Eine verpflichtende Quote könnte laut Irebs-Professor Tobias Just einen „Lerneffekt“ mit sich bringen, wenn Unternehmen gezwungen werden, die Qualifikationen in ihren Führungsriegen zu durchmischen. Doch er weiß, dass viele Akteure das Mittel ablehnen. „Damit verbunden ist oft das Fehldenken, dass jetzige Vorstände ihren Platz räumen müssen. Doch ganz ohne Vorlauf können sie nicht in ihren Positionen ersetzt werden. Das liegt zum einen daran, dass kein Bewerber, egal ob männlich oder weiblich, alle Aufgaben direkt stemmen kann, und zum anderen auch an laufenden Verträgen, die erfüllt werden müssen.“

Dass eine Umbesetzung von Führungspositionen nur schrittweise geschehen kann, hat Julia Rahner erlebt. Als sie 2022 die CEO-Rolle bei Apleona Real Estate antrat, fand sie sich in einer rein männlich besetzten Managementriege wieder. „Nach meiner Einsetzung als Geschäftsführerin konnten hiervon 50% mit weiblichen Führungskräften besetzt werden“, berichtet sie. Weil das bestehende Team nicht einfach aufgelöst werden konnte, nutzte Rahner Chancen für Nachbesetzungen und führte Programme ein, bei denen Vorgesetzte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für Aufstiege vorschlagen können, um bei Neubesetzungen nicht auf Bewerbungen in Eigeninitiative warten zu müssen.

Über die Angebote des ICG beobachtet Barthelmes-Wehr eine gestiegene Bereitschaft von Frauen, Führungsverantwortung zu übernehmen. Das Institut begleitet Frauen aus dem mittleren Management mit Mentoringprogrammen auf ihrem Weg nach oben. Sowohl die Teilnehmerzahl als auch das Interesse von Mentoren zeigt ihr, dass die Zurückhaltung nachlässt. Barthelmes-Wehr hat dabei die Altersgruppe der bis 38-Jährigen besonders im Blick. „Vor allem Branchenexpertinnen, die bereits einige Jahre im Job sind und nun den nächsten Schritt etwa als Bereichsleiterin oder die erste Position in der Geschäftsführung anstreben, sind interessiert“, sagt sie. „Über diese Generation wurde bisher nur wenig geredet.“ Wenn diese Altersgruppe in fünf bis zehn Jahren die obersten Plätze besetzt, hofft sie auf eine natürliche Durchmischung auch ohne Quote. Weil sie bei Nachwuchskräften eine selbstbewusste Mentalität wahrnimmt, rechnet sie damit, dass dieser Trend auch langfristig anhalten kann.

Der Nachwuchs zeigt sich motiviert

Dafür sprechen auch die Einschreibungszahlen an der Irebs. „Während in berufsbegleitenden Weiterbildungen die Männer noch immer in der Überzahl sind, konnten wir im MBA-Studiengang, der gezielt auf spätere Führungsrollen vorbereitet, im letzten Jahr zum ersten Mal mehr weibliche Studierende als männliche verzeichnen“, berichtet Just und ist sich sicher, dass die heutigen Studenten und Studentinnen einige Jahre nach ihrem Berufseinstieg die Chefsessel gerecht aufteilen werden.

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