Real-Estate-Researcher: Alleskönner mit Forschergeist
Wenn das Sprichwort „Man wächst mit seinen Aufgaben“ auf ein Berufsbild besonders zutrifft, dann auf das des Real-Estate-Researchers. Ein grundständiges Studium, das gezielt auf dieses Arbeitsfeld in der Immobilienbranche vorbereitet, gibt es bislang nicht. Deshalb herrscht in diesem, in den letzten Jahren stetig gewachsenen Bereich noch immer das „Learning on the Job“ vor. Ein Muss für den Einstieg in diesen Beruf ist allerdings ein solides wissenschaftliches Grundlagenwissen.
Researcher sind Generalisten. Sie können von vielem ein bisschen und sind in der Lage, sich schnell weiteres Hintergrundwissen anzueignen und Verknüpfungen herzustellen. Und das müssen sie auch, denn zu ihren Aufgaben gehört es beispielsweise, Berichte über den Einzelhandelsmarkt der Region Fulda zu verfassen, ein Portfolio mit 1.000 Wohnungen in Cuxhaven zu bewerten oder eine Einschätzung abzugeben, wie sich der Büro- und Investmentmarkt im Umfeld des neuen Großflughafens für Berlin und Brandenburg künftig entwickeln wird. Aber auch Anfragen, welche Bedeutung das Thema Green Building für die Werthaltigkeit von Immobilien hat, oder ob es eine Frauenquote im eigenen Unternehmen geben soll, landen auf dem Tisch eines Researchers. Wo die Themenschwerpunkte im Einzelnen liegen und wie mannigfaltig sie sind, hängt natürlich davon ab, in welchem Unternehmen man sich als Researcher verdingt. Typische Arbeitgeber sind Maklerhäuser, Wohnungsunternehmen, die Immobilienabteilungen von Banken, Versicherungen oder Immobilien-AGs.
Statistik und Englisch vonnöten
Welche fachlichen Voraussetzungen dazu gehören, um fundierte Markteinschätzungen erarbeiten zu können, hat die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) definiert: Ein gutes raumwirtschaftliches Verständnis ist demnach ebenso relevant wie ein umfassendes Verständnis immobilienwirtschaftlicher Zusammenhänge. Zudem sollten Researcher über Grundlagenkenntnisse makroökonomischer Zusammenhänge verfügen und die Kapitalmarkttheorie in ihren Grundzügen kennen. Eine wesentliche Voraussetzung sind zudem gute Kenntnisse der Statistik und empirischer Analysemethoden. Außerdem sollten Researcher in der Lage sein, Trends und Marktentwicklungen zu erkennen und im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft und ihre Teilmärkte zu analysieren. Gute Englischkenntnisse verstehen sich bei diesem Job fast von selbst, da in den vergangenen Jahren zunehmend ausländische Investoren den deutschen Markt erobern, aber auch weil viele Immobilienunternehmen international agieren.
Für diesen Beruf außerdem unabdingbar ist die Fähigkeit, die Ergebnisse der Arbeit mündlich und schriftlich gekonnt zu präsentieren. „Man sollte keine Angst vor einem weißen Blatt Papier haben“, sagt Tobias Just, der den Lehrstuhl für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg innehat und zugleich wissenschaftlicher Leiter der Irebs Immobilienakademie ist, an der sich viele Researcher fortbilden.
Einen grundlegenden Studiengang für Researcher – oder Analysten, wie Just lieber sagt – gibt es nämlich nicht, weshalb viele, die diesen Beruf ergreifen, sich später im Rahmen eines Aufbaustudiums weiterqualifizieren. Studienfächer, die Absolventen einiges von dem Handwerkszeug mitgeben, das Researcher in der Immobilienbranche brauchen, sind Geographie, Raum- und Stadtplanung oder Architektur und Volks- oder Betriebswirtschaftslehre. Hierzulande tummeln sich denn auch bevorzugt Absolventen dieser Fächer unter den Researchern, allen voran Geographen und Volkswirtschaftler.
Mehr Zufall als Zielstrebigkeit
Die wenigsten der heutigen Researcher haben jedoch bereits ihr Studium gezielt auf dieses Berufsfeld ausgerichtet, sondern landen eher zufällig, häufig über ein Praktikum, in diesem Bereich. Das liegt vor allem daran, dass dieses Arbeitsgebiet in den Lehrplänen der einschlägigen Studiengänge kaum zu finden ist. „Den meisten Lehrenden fehlt der Praxisbezug“, erklärt die promovierte Geographin Maike Dziomba diesen Umstand. Dziomba engagiert sich seit längerem in der Deutschen Gesellschaft für angewandte Geographie (DVAG) und hat in den vergangenen Jahren mit Vorträgen und Seminaren mit dazu beigetragen, dass sich die Immobilienwirtschaft als Berufsfeld für Studierende des Fachbereichs Geographie erschließt. Mit dem Buch „Die Immobilienwirtschaft als geographisches Berufsfeld“ hat sie aktuell zudem ein Werk mit herausgegeben, das einen umfassenden Einblick in das Berufsbild des Researchers gibt und über berufsbegleitende (Aufbau-) Studiengänge informiert.
Mit schätzungsweise 200 Beschäftigten deutschlandweit ist die Zahl der Researcher zwar in den letzten Jahren stetig gewachsen, aber vergleichsweise noch immer recht klein. Auch deshalb ist es kaum verwunderlich, dass die meisten der Analysten eher zufällig in dem Job landen. So auch Tobias Just, der nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre zunächst bei Deutsche Bank Research anheuerte, obwohl er, wie er im Nachhinein sagt, keine Ahnung von Immobilien hatte.
Auch der Geograph Sven Buchsteiner, heute Senior Consultant bei CBRE in Frankfurt am Main, hatte nicht viel mehr als brauchbares Handwerkszeug im Gepäck, als er sich nach Abschluss des Studiums auf eine Stellenanzeige beim Immobiliendienstleister DTZ bewarb. „Mir war nicht so hundert Prozent klar, was ich da eigentlich zu tun haben würde“, plaudert Buchsteiner, der heute zu den FOC-Spezialisten in Deutschland zählt, aus dem Nähkästchen. Den Job bekam er jedenfalls, und das sicher nicht zuletzt, weil er nicht unbedarft war, was das Thema Immobilien-Research anging: In seiner Magisterarbeit, die er am Geographischen Institut der RWTH Aachen im Lehr- und Forschungsgebiet Wirtschaftsgeographie der Dienstleistungen einreichte, hatte er über die Factory-Outlet-Center (FOC) in der Euregio Maas-Rhein geforscht.
Während Buchsteiners Schwerpunktthema der Markt für Einzelhandelsimmobilien ist, beschäftigen sich andere Researcher vielleicht vornehmlich mit der Frage, welche Anlagestrategien ein Unternehmen verfolgen sollte und ob angesichts steigender Wohnimmobilienpreise eine Blase wächst. Je nachdem, wer der Arbeitgeber ist, sind finanzmarktnahe, ökonomische oder objektnahe Analysten gefragt, differenziert Just. Bei kleineren Unternehmen müssten aber oftmals alle Bereiche von einer Person abgedeckt werden. Seinen Lebensausbildungsbedarf müsse man deshalb modular begreifen und sich bei Bedarf weiter spezialisieren.
Einstiegsgehalt ab 30.000 Euro
Die berufsbegleitenden Studiengänge, die es gibt, sind zwar nicht preiswert, können sich aber durchaus lohnen, weil ein Researcher mit fundiertem Grundlagenwissen auch mehr Gehalt verlangen kann. Besonders üppig fällt das Einstiegsgehalt in diesem Bereich mit 30.000 bis 35.000 Euro nämlich nicht aus. Doch je nach Arbeitgeber klettern die Jahresgehälter nach Angaben von Just auf bis zu 250.000 Euro. Wie viel man in diesem Job verdient, hängt aber nicht zuletzt davon ab, welcher Stellenwert dieser Arbeit innerhalb eines Unternehmens beigemessen wird.
Insgesamt hat der Berufsstand in den letzten Jahren an Ansehen gewonnen: „Vor allem wenn der Markt einbricht, ist der Rat und die Einschätzung von Researchern gefragt“, hat Thomas Beyerle, heute Managing Director bei der IVG, in seinen beinahe zwei Jahrzehnten Berufserfahrung als Researcher beobachtet. Schließlich sollen millionenschwere Investitionen nicht in den Sand gesetzt werden. Und Beyerle ist sich sicher, dass Researcher in Zukunft mehr denn je gefragt sein werden: „Ohne eigenes Inhouse-Research wird kein Investor auf die Dauer wettbewerbsfähig bleiben.“