Neue Regeln bei der Vergütung von Führungskräften
Wie viel ist ein Vorstand wert – und wie viel darf er verdienen? Die Diskussion über angemessene Vorstandsgehälter ist nicht zuletzt durch die globale Wirtschaftskrise erneut entflammt. Die auf kurzfristige Unternehmenserfolge ausgerichteten Vergütungssysteme wurden als einer der Auslöser für diese Krise gebrandmarkt. Um künftig einer Fehlentwicklung der Gehälter entgegenzuwirken, verabschiedete die Politik das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG). Frank Lenzen von Sibeth erläutert, welche Veränderungen die neue Regelung bringt.
Mit dem VorstAG soll die variable Vergütung vom langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg abhängig sein. Mit der Stärkung langfristiger Anreizsysteme soll das Eingehen unkontrollierbar hoher Risiken unattraktiver gemacht werden. Darüber hinaus wurde auch die unternehmensinterne Kontroll- und Rechenschaftspflicht erhöht, indem der Aufsichtsrat als Kontrollgremium stärker in die Verantwortung genommen wurde.
Die Vergütung soll branchen-, größen- und landesüblich sein
Der Aufsichtsrat ist nun verpflichtet, bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Bei der Bewertung der „üblichen Vergütung“ ist zunächst auf die horizontale Vergleichbarkeit zu achten, also auf die Branchen-, Größen- und Landesüblichkeit. Dabei sind Unternehmen derselben Branche sowie ähnlicher Größe und Komplexität in die Bewertung einzubeziehen. Im Bereich der Immobilienbranche müssten zum Beispiel Unternehmen wie Bilfinger Berger mit Hochtief verglichen werden oder Jones Lang LaSalle mit DTZ.
Ein weiteres Bewertungskriterium ist die vertikale Vergleichbarkeit. Danach soll auch das Lohn- und Gehaltsgefüge im Unternehmen einbezogen werden, damit die Vergütung des Vorstands nicht völlig außerhalb jeglicher Vergütungsgepflogenheiten im Unternehmen liegt. Verdient zum Beispiel ein Vorstandsmitglied bisher in etwa das Fünfzigfache eines Facharbeiters, wird es schwierig sein, das Gehaltspaket innerhalb kürzester Zeit auf das Einhundertfache eines Facharbeitergehalts anzuheben.
Bei börsennotierten Gesellschaften ist die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen daher mehrjährige Bemessungsgrundlagen haben, wahrscheinlich wird es in der Praxis auf drei bis vier Jahre hinauslaufen. Neu ist zudem, dass die variable Vergütung von Parametern unabhängig bleiben soll, die der Vorstand nicht unmittelbar beeinflussen kann. Bisher wurde oft das Ebit zum Maßstab genommen. Wenn eine neue Gesetzgebung wie zum Beispiel die Abwrackprämie das Unternehmen bevorteilte, stieg der Gewinn – und damit auch die Vergütung. Der Aufsichtsrat ist zudem verpflichtet, bei variablen Vergütungsbestandteilen eine Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen, die nicht auf der Vorstandstätigkeit beruhen, aber zu einem erheblichen Anstieg der Vergütung führen würden, zu vereinbaren. Dies kann zum Beispiel relevant werden, wenn sich der Unternehmenswert aufgrund staatlicher Unterstützungsmaßnahmen signifikant erhöht.
Vorstandsbezüge können leichter herabgesetzt werden
Das VorstAG hat zudem die Voraussetzungen gelockert, die für eine Herabsetzung der Bezüge des Vorstands bei einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erforderlich sind. Die bisherige Regelung sah vor, dass eine wesentliche Verschlechterung vorliegen muss und die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft darstellen würde. Bisher wurde daher angenommen, dass eine wesentliche Verschlechterung nicht vorliege, solange Dividenden ausgeschüttet werden. Im VorstAG wurden hier schärfere Maßstäbe festgesetzt: Nunmehr ist es ausreichend, wenn es zu einer wesentlichen Verschlechterung der Lage der Gesellschaft kommt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs liegt eine solche Verschlechterung vor, wenn die Gesellschaft Entlassungen oder Lohnkürzungen vornehmen muss und keine Gewinne mehr ausschütten kann. Daneben ist für die Herabsetzung erforderlich, dass die Weitergewährung der Bezüge aufgrund der aktuellen Situation der betroffenen Gesellschaft unangemessen hoch wäre. Liegen beide Voraussetzungen vor, soll der Aufsichtsrat die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen. Die Gretchenfrage, was angemessen ist, bleibt. Klargestellt ist damit, dass der Aufsichtsrat nicht etwa, wie noch vom Regierungsentwurf beabsichtigt, zu einer Herabsetzung der Bezüge verpflichtet ist. Diese liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats. Um eine mögliche Haftung des Aufsichtsrats zu vermeiden, ist es auch hier erforderlich, dass die Voraussetzungen für eine Herabsetzung sorgfältig geprüft und dokumentiert werden.
Auch Ruhegelder können angepasst werden
Die Herabsetzung erfasst auch Ruhegelder und Hinterbliebenenbezüge binnen drei Jahren nach dem Ausscheiden. Folglich können Vorstände zukünftig nicht mehr darauf vertrauen, eine subjektiv als zu niedrig empfundene Vergütung durch derartige nachgelagerte Vergütungsinstrumente zu kompensieren. Eine derartige Praxis ist zuletzt bei der Hypo Real Estate umgesetzt worden.
Die Neuregelungen im VorstAG führen dazu, dass der Aufsichtsrat sich künftig noch sorgfältiger mit Vergütungsfragen auseinandersetzen und die dabei angesetzten Kriterien umfassend dokumentieren muss. Hier tut sich ein neues Betätigungsfeld für externe Dienstleister auf. Der Aufsichtsrat wird schon zur eigenen Absicherung die Gestaltung von Vergütungspaketen durch externe Expertise absichern wollen. Denn wie eine derartige mehrjährige Bemessungsgrundlage aussehen kann, überlässt der Gesetzgeber den Unternehmen.
Veränderungen ergeben sich auch bei den Regelungen für Aktienoptionen: Zukünftig dürfen Aktienoptionen frühestens vier Jahre nach Einräumung der Option ausgeübt werden, statt bisher nach zwei Jahren. Diese Regelungen greifen für Unternehmensorgane wie Mitarbeiter gleichermaßen. Hiermit unterstreicht der Gesetzgeber sein Ziel, Verhaltensanreize langfristiger auszurichten.
Eine weitere Neuregelung sieht vor, dass bei einer Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft (D&O-Versicherung) ein Selbstbehalt von mindestens 10% des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen ist. Hintergrund ist die durch die persönliche Haftung des Vorstandsmitglieds vorgesehene Steuerungsfunktion, die durch umfassende D&O-Versicherung weitestgehend aufgehoben worden ist. Die Selbstbeteiligung soll dazu beitragen, dass die persönliche Haftung wieder auflebt, wodurch sich ein nachhaltiges Vorstandshandeln im Sinne des langfristigen Erfolgs der Gesellschaft entwickeln soll. Um Deckungslücken zu vermeiden, sollten Vorstand und Gesellschaft beim selben Versicherungsunternehmen versichert sein.
Kein „fliegender Wechsel“ mehr vom Vorstand in den Aufsichtsrat
Wichtiges Element der Verbesserung der Unternehmenskultur ist die schon lange geforderte Sperrfrist von zwei Jahren hinsichtlich des direkten Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Hierdurch wird die nicht sachgerechte bisherige Praxis unterbunden, nach welcher der Ex-Vorstand als Aufsichtsrat sein zurückliegendes Agieren als Vorstand zu prüfen hat.
Nach allgemeiner Meinung sollen die Neuregelungen nur für Neuverträge gelten. Dabei ist davon auszugehen, dass die Verlängerung eines bestehenden Vertrags ohne inhaltliche Anpassung kein Neuvertrag ist. Wird jedoch, wie häufig der Fall, die Vergütung neu festgesetzt, muss sich diese an der Neuregelung orientieren.
Den hehren gesetzgeberischen Zielen sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber übersieht, dass in einigen Bereichen, die gerade Gegenstand der öffentlichen Diskussion waren, wesentliche Vergütungsbestandteile außerhalb der arbeits- oder dienstvertraglichen Beziehungen stehen. Gerade in der Private-Equity-Branche sind Carried-Interest-Modelle weit verbreitet. Hierbei handelt es sich um gesellschaftsrechtliche Beteiligungen an Transaktionsvehikeln, zum Beispiel Objektgesellschaften, in denen Immobilienbestände gebündelt sind, die weder das VorstAG noch das deutsche Arbeitsrecht in den Griff zu bekommen vermag. Denn die Beteiligungen sind gesellschaftsrechtlicher und eben nicht arbeitsrechtlicher Natur, unterliegen zumeist ausländischem Recht und werden mit Auslandsgesellschaften abgeschlossen. Dies zeigt: Vergütung zu reglementieren, ist und bleibt ein schwieriges Unterfangen.
Die Vorschriften über die Nachhaltigkeit der Vergütungsstruktur und die Ausgestaltung der variablen Vergütung gelten auch nicht für die GmbH. Dennoch ist damit zu rechnen, dass durch das VorstAG faktisch wirkende Maßstäbe gesetzt werden, denen sich die Geschäftsführer einer GmbH nicht werden entziehen können.
Um das Ziel einer nachhaltigen Unternehmensführung zu verwirklichen, ist es erforderlich, auch die Vergütungssysteme der Führungsebene unterhalb des Vorstands an langfristige Ziele auszurichten. Auch wenn das VorstAG für Arbeitnehmer nicht direkt gilt, werden die dortigen Mechanismen „durchgereicht“ werden. Bei der Einführung neuer Vergütungsmodelle in der Finanz- und Versicherungswirtschaft gelten die aufsichtsrechtlichen Vorgaben demgegenüber direkt; Anpassungen der Bonusvereinbarungen mit den dortigen Mitarbeitern sind also unumgänglich.
Zudem hat das Bundesarbeitsgericht durch zahlreiche neue Urteile auf sich aufmerksam gemacht, die die Gestaltung variabler Vergütungssysteme nachhaltig beeinflussen werden: Anpassungsvorbehalte in Bonusplänen unterliegen nun einer strikten Transparenzkontrolle aufgrund der grundsätzlichen Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht. Arbeitgeber können also nicht nach „Gutdünken“ Anpassungen vornehmen, insbesondere das Vergütungsniveau einseitig drastisch senken.
Ebenso bedarf es bei der Gestaltung von arbeitgeberseitigen Widerrufsvorbehalten – mit Hilfe dieser Klauseln soll eine arbeitgeberseitige Leistung für die Zukunft eingestellt werden können – nach neuerer Rechtsprechung der ausdrücklichen vorherigen Festlegung möglicher Widerrufsgründe zumindest der Richtung nach. Als Widerrufsgrund zählt zum Beispiel die Ausweisung eines negativen Geschäftsergebnisses in der Jahresbilanz.
Freiwilligkeitsvorbehalte vom BAG weitgehend für unwirksam erklärt
Den üblichen Freiwilligkeitsvorbehalten, mit denen eine Rechtsbindung für zukünftige Zahlungspflichten ausgeschlossen werden kann, wurde in Vergütungsregelungen weitgehend die Wirksamkeit versagt. Das Bundesarbeitsgericht meint, dass Klauseln, die Ansprüche in Voraussetzung und Höhe präzise formulieren, widersprüchlich sind, wenn die Leistung „nur“ freiwillig gewährt wird. Eine Klausel wie „Der Arbeitnehmer erhält ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Die Zahlung erfolgt freiwillig und kann zukünftig jederzeit eingestellt werden“, ist hiernach unwirksam. Freiwilligkeitsvorbehalte sind außerdem bei allen Vergütungsbestandteilen, die mehr als 25% der Gesamtvergütung ausmachen, nicht zulässig. Ein Bonus, der etwa 50% der Gesamtvergütung ausmachen soll, kann also nicht freiwillig gewährt werden.
Was bedeuten diese gesetzgeberischen und richterrechtlichen Entwicklungen für die Zukunft? Das VorstAG enthält zumeist nur deklaratorische Regelungen, schafft aber mehr Sensibilität für Fragen der Vergütung von Führungskräften. Durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden arbeitsvertragliche Vergütungsregelungen zukünftig transparenter für Arbeitnehmer, gleichzeitig aber auch komplizierter in ihrer Ausgestaltung für die Unternehmen.
Der Autor: Frank Lenzen ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Sibeth in Frankfurt am Main.