Mehr Rechte für Geschäftsführer
Wer den Aufstieg vom Angestellten zum Geschäftsführer geschafft hat, der ist oben angekommen. Der vergrößerte Gestaltungsspielraum spiegelt sich nicht nur in der Verantwortung für das Unternehmen, sondern auch in der eigenen Absicherung wider. Denn der Schutz, der bislang durch Arbeitsgesetze gesichert war, fällt weg. Nun gilt es eigenständig zu verhandeln. Doch erste Gerichtsurteile gestehen auch angestellten Geschäftsführern wieder einige Arbeitnehmerrechte zu, erläutert Sonja Riedemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke.
Sonja Riedemann: Wer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingeht, sollte auf längere Kündigungsfristen als die üblichen drei Monate bestehen. Dafür bieten sich mehrere Varianten an. Denkbar sind Verträge mit Kündigungsfristen von zwölf Monaten – und dies nur zum Jahresende. Es kann auch verabredet werden, dass der Vertrag in den ersten zwei Jahren gar nicht kündbar ist, oder beides zusammen.
Riedemann: Ein befristeter Vertrag beispielsweise über drei Jahre kann vor Ablauf dieser Zeit nicht gekündigt werden. Das gilt für beide Seiten. Kommt es zum Zerwürfnis, muss das Unternehmen die noch ausstehenden Gehälter bis zum Vertragsende weiterhin zahlen.
Keine Arbeitnehmerrechte
Riedemann: Ja, genau. Doch für eine fristlose Kündigung muss ein sehr schwerwiegendes Fehlverhalten nachgewiesen werden, was oftmals nicht vorliegt oder nur schwer nachweisbar ist.
Riedemann: Während der Prokurist noch Arbeitnehmer ist, hat der Geschäftsführer keine Arbeitnehmerrechte mehr: Geschäftsführer erhalten daher auch keinen Arbeitsvertrag, sondern juristisch einen Dienstvertrag, egal ob dieser „Anstellungsvertrag“ oder anders genannt wird. Dennoch zeigt die aktuelle Rechtsprechung, dass Arbeitnehmerschutzrechte auch Geschäftsführern mitunter zugebilligt werden.
Riedemann: Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem einer Geschäftsführerin in Lettland, die aufgrund ihrer Schwangerschaft ihre Position verloren hatte, Mutterschutzrechte zugesprochen. In Deutschland verklagte ein Geschäftsführer seinen Arbeitgeber aufgrund von Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Bis vor kurzem hätte keiner gedacht, dass das AGG auch auf Geschäftsführer anwendbar ist. Doch der Mann bekam vom Bundesgerichtshof Recht – und den Ersatz des Verdienstausfalls zugesprochen. Das sind neue Entwicklungen, die sicherlich keine Einzelfälle bleiben werden. Hier müssen Unternehmen also künftig aufpassen und ihre Verträge entsprechend gestalten.
Klauseln mitunter ungültig
Riedemann: Ja, zumal es eine weitere Entwicklung gibt. Die Verständlichkeit von Arbeits- oder Geschäftsführerverträgen muss inzwischen den gleichen Anforderungen genügen, die dem Verbraucher zum Beispiel die Verständlichkeit des Kleingedruckten, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, garantieren soll.
Riedemann: Ist ein Vertrag leicht missverständlich formuliert oder enthält er viele Knebelklauseln wie zum Beispiel „Alle Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“, können die entsprechenden Passagen ungültig sein. Das gilt auch für Verträge von Geschäftsführern, die nicht gleichzeitig Gesellschafter des Unternehmens sind, also so genannte Fremd-Geschäftsführer. Das ist ein weiterer Bereich, in dem die Rechtsprechung immer arbeitnehmerähnlicher wird.
Immer häufiger Mischformen
Riedemann: Das kommt auf den Einzelfall an. Es kann Teil des Arbeitnehmervertrags ein, dass eine Geschäftsführerposition bei einer Tochtergesellschaft vorgesehen ist. Agiert der Angestellte als Geschäftsführer jedoch nicht frei, sondern ebenfalls weisungsbefugt, dann ist die Tätigkeit als Angestelltenverhältnis einzustufen – und entbindet die Person im Zweifelsfall von Haftungsrisiken. So selten diese „extremen Ausnahmefälle“ laut Rechtsprechung zurzeit sind, so sehr vermute ich, dass diese neue Unklarheit für Arbeitnehmer-Geschäftsführer sich künftig weiter ausbreiten wird.
Das Interview führte Sonja Smalian.