Den Master könnt ihr später immer noch machen
Soll ich den Master dranhängen oder gleich in die Praxis durchstarten? Diese Frage stellen sich Bachelorstudenten immer öfter. Auf dem IZ-Karriereforum gaben Arbeitgeber aus der Immobilienbranche Antworten.
Rund 300 Bewerber hatten den Weg auf den Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität gefunden. Auf der von der Immobilien Zeitung und Heuer Dialog veranstalteten Jobmesse für die Immobilienwirtschaft trafen sie auf 46 Arbeitgeber aus der Branche und zehn Hochschulen. Die überwiegende Mehrheit der Besucher studiert noch, etwa jeder Fünfte gehörte zur Gruppe der Absolventen und Berufstätigen. Die meisten waren gekommen, um einen Job für nach dem Studium klarzumachen. Hauptmotiv Nummer zwei: einen Praktikumsplatz ergattern.
Der eine oder die andere schloss am Samstag persönlich Bekanntschaft mit Thomas Beyerle, dem Chefresearcher von Catella. Beyerle notierte zwar „weniger Standbesuche insgesamt, dafür aber 100%iges Erscheinen“. Die Bewerber hätten „definitiv einen höheren Wissensstand“ gehabt – mit dem Ergebnis, „dass man sofort auf die Position und die Rahmenparameter kam“.
„Nicht die Masse macht’s, sondern die Klasse!“, fand Personalberater Olaf Kenneweg. „Auch wenn leider viele Studierende der Meinung sind, sie hätten den Besuch in Frankfurt nicht nötig – und viele Professoren sie in dieser Meinung vollkommen unverständlicherweise auch noch bestärken! -, sind die Bewerber, die den Aufwand mit Anreise und Übernachtung auf sich nehmen, beratungsinteressiert und aufgeschlossen.“
Nicht gescheut hatten den Aufwand u.a. zwei Studentinnen von der HAWK in Holzminden. Die beiden jungen Damen (22 und 26 Jahre alt) studieren im 4. Semester Immobilienmanagement und sind auf der Suche nach einem Platz für ein Pflichtpraktikum im 6. Semester. Sie waren extra um fünf Uhr in der Früh aufgestanden, um den Zug von Hannover nach Frankfurt zu erwischen.
Angetan waren die jungen Frauen aus dem Norden davon, dass die Aussteller sich „auf Augenhöhe mit uns unterhalten“. Am wichtigsten sind den beiden nicht etwa Kohle und Karriere, sondern „dass das Team passt“ und „wie die Führungskräfte mit den Mitarbeitern umgehen“. Die Ältere der beiden HAWK-Studentinnen ist gelernte Immobilienkauffrau. In diesem Job wurde sie nicht glücklich: „Das ist damals am Team gescheitert.“
Die Kohle nicht in den Vordergrund zu stellen, muss man sich aber auch leisten können. Wo ohnehin vielerorten gutes Geld verdient wird, muss niemand die Wahl des Arbeitgebers allzu sehr vom Gehalt abhängig machen. Was sie wert sind, wissen die Studenten allerdings ziemlich genau (oder glauben es zumindest): 55.000 Euro zum Einstieg sollen es schon sein – mindestens, diktierte ein 25-Jähriger, der Baumanagement an der Hochschule Karlsruhe im Master studiert und insgesamt vier Praktika bzw. zwei Werkstudentenjobs vorweisen kann, dem IZ-Redakteur in den Notizblock.
Anders als dieser 25-Jährige überlegen sich viele Studenten das mit dem Master inzwischen zweimal: „Der Anteil von Bachelorstudierenden, welche die Frage stellten: ‚Soll ich jetzt den Master machen?‘, ist steil nach oben gegangen“, konstatierte Beyerle, der in Biberach lehrt. „Das begegnet mir auch bei ‚meinem‘ Jahrgang an der Hochschule Biberach: jetzt Geld verdienen, Master später machen …“
Bachelorstudenten der HfWU Nürtingen-Geislingen bezifferten das Verhältnis derjenigen Kommilitonen, die lieber direkt in die Praxis durchstarten wollen, zu denjenigen, die der HfWU länger erhalten bleiben, auf „fifty-fifty“. Die Firmen suchen schließlich „händeringend nach Praktikanten, Werkstudenten, Personal“.
Janina Rohmann, HR Business Partner bei Cushman & Wakefield (C&W), und ihre Kollegen haben ähnliche Erfahrungen gemacht: „Wir erhalten für die Einsteigerpositionen auffällig viele Bachelorbewerbungen.“ Am Messestand wurden zwar durchaus genügend Masterstudenten gesichtet, „bei den Kandidaten, die sich bei uns bewerben, sind allerdings einige dabei, die nach dem Abschluss ihres Bachelorstudiums erst praktische Erfahrungen sammeln wollen, bevor sie mit dem Masterstudium anfangen“, berichtete Rohmann.
Fast wortgleich äußerte sich Holger Matheis, im Vorstand von Beos u.a. fürs Personal zuständig. „Es gibt tatsächlich mehr Bewerbungen von Bachelorabsolventen.“ Zwei Jahre arbeiten und dann on the job den Master nachmachen, z.B. über den Weiterbildungsstudiengang Real Estate Management an der TU Berlin oder an der Irebs, damit kann sich auch Matheis anfreunden. „Im Moment hat man die Möglichkeit dazu.“ Vor ein paar Jahren, so ergab Matheis‘ Blick in den Rückspiegel, waren die Unternehmen in der Tendenz eher auf „fertige Master mit Praktika“ aus. Heute sei ein Berufseinstieg schon nach dem Bachelorabschluss, zumindest fürs Erste, weithin akzeptiert.
Manche Unternehmen werben geradezu dafür, so früh wie möglich in der Praxis durchzustarten: „In der heutigen Konjunkturlage gucken wir nicht auf Bachelor oder Master“, formulierte trocken René Richter, Geschäftsführer von Kondor Wessels. „Entscheidender ist die Motivation der Bewerber, auf den Unis werden die Studenten ohnehin eher schlecht auf den konkreten Beruf vorbereitet.“ Die Folge: „Egal, ob Master oder Bachelor, alle müssen erstmal durch ein Einführungsprogramm. Der Aufwand ist also gleich groß.“ Und wenn der Mitarbeiter später einen Master berufsbegleitend machen möchte, „schauen wir gemeinsam, wie wir das umsetzen können“. Das ist dann auch für die Mitarbeiterbindung förderlich.
„Wichtig für uns ist, dass das Mindset und die Persönlichkeit des Bewerbers zu uns passen – mit oder ohne Master“, findet auch Bernd Lönner, Vorstandsmitglied bei Real I.S. „Frühzeitig in den Job einzusteigen und Erfahrung direkt in der Praxis zu sammeln, ist sicherlich kein Nachteil. Wer dann noch einen Master draufsatteln möchte, der kann das ja immer noch tun, auch berufsbegleitend.“
Dass Bachelorabsolventen diese zweite Chance durchaus nutzen, war an den Ständen der Hochschulen zu vernehmen. Diese wussten von steigenden Teilnehmerzahlen in ihren Masterangeboten oder gar von ausgebuchten Masterstudiengängen zu berichten. „Für die große Mehrheit der von mir beratenen Bewerber war es selbstverständlich, nach dem Bachelor noch den Master zu absolvieren“, bilanzierte Karriereberater Olaf Kenneweg. Die Frage ist also weniger: Master, ja oder nein? Sondern eher: Master, gleich oder später?