Mitarbeiter lernen häppchenweise
Weiterbildungen. Um sich den Herausforderungen des Markts zu stellen, müssen Mitarbeiter die Trends kennen und Lösungen für Probleme ableiten können. Das wollen Arbeitgeber durch gezielte Fortbildungen erreichen, die schnellen Input bieten und Teams zusammenschweißen.
Kurze Tagesworkshops und Online-Tutorials, die bei Bedarf zeitunabhängig aufrufbar sind, boomen, denn sie lassen sich flexibel in den Arbeitsalltag integrieren. Immer mehr Fortbildungsanbieter aus der Immobilienwirtschaft schaffen neue Formate für Schulungen und Weiterbildungen, die Mitarbeiter aus der Branche in kurzen Einheiten fit machen sollen für die Herausforderungen am Markt. „Wir stellen fest, dass Studierende stark nach dem ökonomischen Prinzip vorgehen: maximaler Erfolg bei minimalem Einsatz“, beschreibt Hanspeter Gondring, Gründer der Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI), den Trend. Während vor der Pandemie Weiterbildungen noch überwiegend in Präsenz wahrgenommen wurden, um sie auch zum persönlichen Netzwerken zu nutzen, stehe inzwischen – vor allem bei Jüngeren – die schnelle Aufnahme von Inhalten im Vordergrund.
Dieser Wunsch bestehe auch auf der Arbeitgeberseite. „Die Unternehmen haben ihre Nachfrage hinsichtlich der Weiterbildung verändert“, sagt Gondring. Demnach würden Arbeitgeber weniger häufig langfristige Studiengänge wie den MBA oder die Ausbildung zum Diplom-Immobilienökonomen unterstützen. Etwa 85% der Studierenden in diesen beiden Lehrgängen tragen die Kosten selbst. Vor Corona habe die Selbstzahlerquote bei etwa 40% gelegen. „Anders sieht es bei den Kurzzeitstudiengängen und Seminaren aus“, sagt Gondring. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer bekomme diese Fortbildungen vom Arbeitgeber bezahlt.
Am liebsten geben die Unternehmen ihr Geld für individuelle Kurse aus, die genau auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter und ihre laufenden Aufgaben zugeschnitten sind. Die Nachfrage nach solchen kurzen Firmenprogrammen oder eigens aufgesetzten Kursen ist nicht nur an der ADI hoch. Auch an der Frankfurt School of Finance & Management beobachtet deren Sprecher Christian Kronberger wachsende Buchungszahlen für Fortbildungen nach Maß. „Dies zeigt den steigenden Bedarf der Unternehmen, ihre Mitarbeiter gezielt und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten weiterzubilden“, sagt er. „Wir sehen eine deutliche Tendenz, dass Unternehmen in die Qualifizierung ihrer Teams investieren, um den wachsenden Herausforderungen des Immobilien- und Finanzmarktes zu begegnen.“
Schulungspaten suchen nach relevanten Inhalten
Beim Beratungsunternehmen Robert C. Spies nutzt die Leiterin der Abteilung Personal- und Unternehmensentwicklung, Jana Heijenga, die fertigen Kataloge von Weiterbildungszentren nur noch als Inspiration. Die drei bis vier Fortbildungen, die dort jeder Mitarbeiter pro Halbjahr durchläuft, sollen zwar auf allgemeine Trendthemen eingehen, doch für die zielgerichtete Vermittlung der Inhalte ganz speziell auf das Tagesgeschäft im Unternehmen zugeschnitten werden. Dafür lädt Robert C. Spies passende Referenten für Schulungen ein.
Um Themen zu finden, tritt sie in den regelmäßigen Austausch mit Schulungspaten. Das sind Mitarbeiter aus allen Abteilungen, die gezielt die Augen nach Marktentwicklungen und Bedürfnissen direkt in ihren Teams offenhalten. „Fortbildungen gehören bei uns zum Alltag, aber der passende Plan dafür muss immer flexibel gehalten sein“, erklärt Heijenga. „Manchmal sind Methodenworkshops etwa zum Umgang mit bestimmten Softwareprogrammen notwendig, manchmal sind es fachliche Themen, die mit der Marktentwicklung zusammenhängen. Aber auch auf persönliche Themen, die die Mitarbeiter beschäftigen, gehen wir in den Seminaren ein“, sagt sie.
Für Letzteres nennt sie einen Resilienzworkshop als Beispiel, der von einer Psychologin gehalten wird. Er soll Mitarbeitern helfen, mit Stress umzugehen. „Somit investieren wir auch in die mentale Gesundheit unserer Mitarbeiter“, betont Heijenga. Inhaltlich steht das Thema Stressbewältigung im Vordergrund. „Gerade in einer Zeit, in der durch ständige Erreichbarkeit der Beruf und das Privatleben immer weiter miteinander verschmelzen, sind die passenden Methoden dafür wichtig“, erklärt sie. Ein Nebeneffekt: Wenn sich in diesen Workshops zeigt, an welchen Stellen die Arbeitsbelastung besonders hoch ist, können weitere Maßnahmen zur Effizienzsteigerung abgeleitet werden. „Etwa, wenn es darum geht, sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für neue Tools oder KI zu finden.“
Eine Teilnahme an diesen Workshops ist im Gegensatz zu vielen fachlichen Schulungen bei Robert C. Spies freiwillig. Doch die Nachfrage sei hoch. Nicht zuletzt soll durch die abteilungsübergreifenden Angebote der Austausch zwischen Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen intensiviert werden. „So werden einerseits gemeinsame Werte und die Unternehmenskultur gestärkt und die Mitarbeiter werden andererseits auch im Unternehmen stärker wahrgenommen“, sagt Heijenga.
Dadurch werden auch mögliche Karrierewege im Unternehmen klar. „Wer sich weiterentwickeln oder seinen Schwerpunkt wechseln will, muss das Unternehmen nicht verlassen“, sagt Heijenga und betont, dass sich unter den knapp über 100 Mitarbeitern einige finden lassen, die schon mehr als zehn Jahre für das Unternehmen tätig sind. „Einem Kollegen Fachliches beizubringen, ist immer die einfachere Aufgabe“, sagt Heijenga, die selbst Coachingerfahrung hat, „doch als Team zusammenzuwachsen und Mitarbeiter durch gemeinsame Werte an einen Job zu binden, ist die größere Herausforderung und erfordert Kontinuität.“