So finden sich Praxis und Theorie
Weiterbildung. Um ihre Schwerpunkte an Branchenakteure schon während deren Ausbildung weiterzugeben, bieten die Verbände Bauen im Bestand und Koalition für Holzbau Bildungsprogramme an. Kooperationen mit Aus- und Weiterbildungsinstituten sollen Praxiswissen mit der Theorie und der Forschung verbinden und einen kontinuierlichen Austausch mit Branchenprofis aus verschiedenen Sparten garantieren.
Wenn Mitglieder aus mehreren Unternehmen in Verbänden und Netzwerken zusammentreffen, bringen sie in ihren Austausch untereinander Wissen aus dem eigenen Berufsalltag mit ein. Dieses soll beim Verband Bauen im Bestand (BiB) nicht länger den Mitgliedern vorbehalten bleiben. Das war der Gedanke der Vorsitzenden Sarah Dungs, Nicola Halder-Hass, Anastasija Radke und Annabelle von Reutern. Deshalb haben sie die BiB-Academy ins Leben gerufen, die Hochschulen und Weiterbildungsinstitutionen durch Zusammenarbeit Zugang zu Wissen aus dem Verband ermöglichen soll.
Ziel der geplanten Kooperationen ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Praxiswissen zur Bestandsentwicklung zu verbinden. „Bislang ist die Immobilienbranche auf den Neubau ausgerichtet, was sich in den Aus- und Weiterbildungsangeboten widerspiegelt. Nur wenige Institutionen bieten Lehrinhalte zum Thema Bauen im Bestand an“, sagt die Vorstandsvorsitzende Sarah Dungs. Dabei sei das Thema gefragter denn je. Vor allem Architekten hätten ihr gegenüber in den vergangenen Monaten immer wieder verlauten lassen, dass es ihnen an Hintergrundwissen zum Thema mangelt und sie sich mehr fachlichen Input wünschen würden, um Nachhaltigkeitsziele durch Bestandsumwandlungen erreichen zu können.
Berufserfahrung in thematischen Modulen
Ein komplett eigenständiges Angebot zu schaffen, sei jedoch nicht das Ziel des Verbands. Stattdessen soll die BiB-Academy bestehende Bildungseinrichtungen mit schnell verfügbaren Lehrinhalten unterstützen. „Dies soll den Fokus der Lehre und Ausbildung vom Neubau auf den Bestand verlagern, um die Branche dabei zu unterstützen, ihre Klimaziele zu erreichen, nachhaltiger zu agieren und wieder eine Reparaturkultur zu etablieren.“
Acht Vorstandsmitglieder des Verbands haben sich bereit erklärt, dafür Dozentenrollen einzunehmen. „Weil es nicht nur darum geht, über Wissen zu verfügen, sondern es auch zielgerecht weitergeben zu können, haben wir zunächst Verbandsmitglieder ausgewählt, von denen wir wissen, dass sie bereits Erfahrungen mit Vorträgen oder als Ausbilder haben“, erklärt Dungs die Wahl. „Wie bei einer Modelagentur können interessierte Ausbildungsstätten die Dozenten, die zu ihren Bedürfnissen passen und die sie gerne buchen würden, anhand von Setkarten aussuchen“, erklärt Dungs das Prozedere. Dabei bieten die BiB-Dozenten zu ihren Spezialthemen ganze Lehrmodule an, die je nach Bedarf als einzelne Vorlesungen oder Gastvorträge bis hin zu mehrteiligen Themeneinheiten mit mehreren Sitzungen gebucht werden können.
Das Angebot umfasst die Themen Denkmalschutz, Nachhaltigkeit und Steuerung von Projekten. Im Laufe der Zeit soll die Palette sukzessive erweitert werden. Bei der Konzeption der Module, erklärt Halder-Hass, wolle sich der Verband nach den konkreten Bedürfnissen der Ausbilder richten. Langfristig will BiB mit dem Programm nicht nur Hochschulen, sondern auch Weiterbildungsstätten erreichen und die Module auch für Berufsausbildungen, etwa über Berufsschulen, zugänglich machen. Halder-Hass denkt dabei vor allem an Inhalte zum Umgang mit nachhaltigen Baumaterialien, die für Handwerker interessant sein könnten.
„Wir sind der Auffassung, dass wir schon jetzt sehr gute Hochschulen haben, und wollen mit unseren Themen direkt an deren Lehrpläne andocken. Dabei geht es uns auch darum, eine Möglichkeit zu schaffen, die Inhalte schnell und unkompliziert in die bestehenden Ausbildungen zu integrieren, also ohne dass Hochschulen ihr gesamtes Curriculum umstellen müssen“, betont Radke, dass es dem Verband vor allem um zusätzlichen Input für die Lernenden geht.
Drei Kooperationspartner hat die BiB-Academy schon gefunden. So gibt es erste Absprachen mit der Irebs, der BBW Hochschule und im Rahmen des Studiengangs Real Estate Management mit der Technischen Universität Berlin. „Nun suchen wir weitere Institutionen, die Interesse an unserem Angebot haben. Denn durch diese Form der Zusammenarbeit können wir mit den Unis gemeinsam die Forschung vorantreiben“, sagt Halder-Hass und nennt als konkretes Themenfeld das Recycling von Baustoffen. Zudem soll schon während der Ausbildung gezeigt werden, welche Potenziale die Bestandsentwicklung aus wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Sicht mit sich bringt. Dafür verspricht der Verband, dass die Dozenten ohne lange Vorlaufzeit buchbar sind und ihr Wissen pro bono weitergeben.
Ständiger Austausch zwischen Lehre und Praxis
Ein weiteres Bildungsangebot hat die Koalition für Holzbau (KfH) geschaffen. Das Netzwerk will künftig zentrale Themen, die den mehrgeschossigen Holzbau betreffen, an Projektentwickler, Bauherren, Bestandshalter, Planer und Architekten, Sachverständige sowie an Kommunen und Behörden weitergeben. Dafür kooperiert der Verein mit dem Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) in Form der Holzbau-Akademie. Das Programm soll Anfang kommenden Jahres starten und den Teilnehmern aufzeigen, wie Holzbau rechtssicher und wirtschaftlich planbar gestaltet werden kann.
„Innovationen im Bauen sind nicht eine Frage von Konzepten und Baustoffen. Sie sind auch eine Frage von Wissens- und Kompetenzvermittlung. Das sind die Erfolgsfaktoren für die Marktdurchdringung“, sagt Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des EBZ. Für ihn verbindet die Gründung der Akademie die Stärken der beiden Partner, sodass das Expertenwissen der Koalition direkt in die Aus- und Weiterbildungen der EBZ integriert werden könne. So seien möglichst viele Branchenakteure aus den Zielberufen erreichbar.
Lorenz Nagel, Sprecher der Ambassadeure der KfH, sagt: „Wir wollen ein kompetentes und fachlich tiefgreifendes Bildungsangebot schaffen. Wir steuern aus unserem Praktikerteam die Fachexpertinnen und -experten bei, die schon heute erfolgreich in Holz bauen. Und das EBZ schafft den Rahmen, den wir brauchen.“ Er ist sich sicher, dass durch die Kooperation mit dem Ausbildungszentrum genau diejenigen Praktiker aus der Branche erreicht werden können, die sich schon jetzt mit Holzbau auseinandersetzen, sodass der Wissenspool durch gemeinsame Seminare ständig erweitert werden kann.