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"Sie sehen sich in fünf Jahren also in meiner Position?"

Was passiert eigentlich bei einem Assessment-Center, wie kann ich im Vorstellungsgespräch meine Stärken gut verkaufen und welche Formulierungen können schnell zu Fallstricken werden? Wer die Mechanismen eines Assessment-Centers kennt, kann gelassener mit der erzwungenen Stresssituation umgehen. Wirtschaftsingenieurstudenten der Fachrichtung Facility-Management an der FH Gießen-Friedberg wurden nun in einer dreitägigen Assessment-Center-Simulation auf den Ernstfall vorbereitet.

Sonja Smalian
25. März 2010
Bild: sma

„Mistkerl“, stößt der Mann zwischen den Zähnen hervor, die weißen Ärmel hochgekrempelt, als er zurück zu seinem Platz am Ende der Tischreihe in dem großen Konferenzraum geht. Doch als er sich setzt, zeigt er ein breites Grinsen und schaut aufmunternd zu dem jungen Mann, der ihn gerade wegen seines autoritären Führungsstils gerügt hat … oder es zumindest versuchte.

Der nun wieder gutgelaunte, grauhaarige Mann ist Klaus Dettmer-Guttandin. Der Kommunikations- und Führungskräftetrainer schult normalerweise Fraport-Mitarbeiter. Doch an diesem Samstag trainiert er gemeinsam mit vier weiteren Personalern zehn Wirtschaftsingenieurstudenten der Fachrichtung Facility-Management der FH Gießen-Friedberg in einer Assessment-Center-Simulation. Die Kür des dreitägigen Workshops ist das Konfliktgespräch. Im Einzelgespräch sollen die Studenten als Nachwuchsführungskraft einen deutlich älteren Mitarbeiter auf seinen autoritären Führungsstil ansprechen, über den sich Teammitarbeiter beschwert haben. Jetzt können die Studenten alles, was sie über Gesprächsführung, Körperhaltung und Rhetorik bereits gelernt haben, anwenden. Dettmer-Guttandin alias Herr Schneider in der Rolle des polternden langjährigen Meisters einer Werkstatt hat es dem Kandidaten nicht leicht gemacht. „Ja, ist das hier ein Wunschkonzert? Die sollen ihre Arbeit machen“, schimpft er laut über sein Team gegenüber der jungen Führungskraft, die ein Student mimt. „Haben Sie eine bessere Mathematik als ich, weil Sie studiert haben?“, provoziert Dettmer-Guttandin. Sein Gegenüber hält ihm den Kopf zugewandt und bleibt ruhig. Schnell versucht die Nachwuchsführungskraft das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken und sagt bestimmt: „Jetzt machen wir hier mal kurz Stopp und kommen ein bisschen runter!“ Nach wenigen Minuten ist das Gespräch zu Ende. Eine Lösung des Konflikts konnte nicht erzielt werden.

Kritik üben und annehmen ist Bestandteil des Trainings

Aber das spielt auch nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist: Wie gut war der Lösungsweg zu erkennen, wie war die Gesprächsführung aufgebaut – und hat die junge Führungskraft überhaupt das Heft in der Handgehabt? Bewertet wird der Auftritt von einer Jury, bestehend aus fünf Personalverantwortlichen von Strabag PFS, Dr. Sasse, Fraport und FM Personal, die nun Kritik üben und Tipps geben, wie bestimmte rhetorische Angriffe eleganter pariert werden könnten. Der Student gibt seine eigene Einschätzung ab und hört sich dann das durchaus unterschiedlich ausfallende Feedback an, ohne sich rechtfertigen oder erklären zu wollen. Auch das ist ein Bestandteil der Schulung gewesen: lernen, Feedback zugeben, aber auch Kritik anzunehmen – und hoffentlich die Anmerkungen beim nächsten Mal umsetzen zu können.

Das Intensiv-Training ist ein Zusatzangebot und richtet sich an Studenten, die die Vorlesung Personalmanagement im fünften Semester besucht haben. Auf dem Lehrplan stehen nicht nur Arbeitsrecht, Personalverwaltung, Personalentwicklung und -beschaffung, sondern auch Personalauswahl. Dabei gehe es jedoch nicht nur um die Frage, wie ich Personal auswähle, sondern auch ganz praxisbezogen darum, wie ich mich beim Bewerbungsgespräch verhalte, erläutert Mirco Melega, Geschäftsführer von FM Personal, der die Vorlesung hält. Gemeinsam mit Frank Ehrenheim, Professor an der FH Gießen-Friedberg, hat er die Simulation als praxisorientierte Ergänzung zum Hörsaal ins Leben gerufen. In diesem Jahr findet sie bereits zum fünften Mal statt und wird von diversen Sponsoren unterstützt. Der Zeitpunkt für das Training sei gut, sagt Ehrenheim. Denn im fünften Semester zeichne sich bei den Studenten ab, welche Schwerpunkte sie interessierten.

Die ersten beiden Workshop-Tage finden noch in der Hochschule statt. Es geht um den Kommunikationsprozess, das Senden von „Ich“-Botschaften und die Analyse der eigenen Stärken und Schwächen anhand des Myers-Briggs-Typen-Indikators. Die Interpretation ihrer Testergebnisse müssen sie anschließend vor ihren Kommilitonen zwei bis fünf Minuten lang vorstellen. Durch das intensive Arbeiten über zwei Tage in einer abgeschirmten Atmosphäre entstehe ein besonderes Vertrauen in der Gruppe, sagt Melega und hofft, dass die Studenten, einmal für das Thema Personal sensibilisiert, sich damit auch künftig weiter beschäftigen werden.

Für den nunmehr dritten und letzten Simulations-Tag müssen die Studenten auf unbekanntem Terrain vor die Experten-Jury, zu der auch Dettmer-Guttandin gehört, treten: Trainingsort ist dann die Vorstandsetage der Deutschen Bahn in Frankfurt am Main. Turnschuhe und Jeans sind nun nicht mehr erlaubt. Der Dresscode ist streng einzuhalten, ohne Ausnahme:Wer keinen Anzug oder kein Kostüm hat, solle sich einen leihen oder kaufen, habe es geheißen.

Und so tragen die neun Männer und eine Frau nun ihren Businesslook, siezen sich wie selbstverständlich und simulieren ein Vorstellungsgespräch auf eine fiktive Ausschreibung: ein Student mimt den Bewerber, ein anderer den Personaler, dem ein echter Personalexperte zur Seite steht, um vielleicht noch die eine oder andere Stressfrage zu stellen. Und das alles unter Beobachtung der Jury auf der einen Seite und den Kommilitonen auf der anderen Seite des Raums.

Die Studenten schenken sich untereinander nichts, denn schließlich können nur die sechs überzeugendsten Kandidaten an einem Kaminabend sechs Entscheider der FM-Branche kennenlernen. Und auf diese Kontaktchance möchte keiner verzichten. Also wird nachgefragt, wo sich der Bewerber denn in den nächsten fünf Jahren sehe. Darauf antwortet dieser „auf einer leitenden Position“, also auf „meiner Position“?, kommt sofort die Gegenfrage. Auf „einer“ leitenden Position, versucht sich der Bewerber aus der Affäre zu ziehen und bei den nächsten Antworten vielleicht mehr zu überzeugen. Nach jeder Runde gibt es Rückmeldung von den Experten: Neben Lob und Kritik verraten sie auch Tipps zur Wortwahl: Streichen Sie Füllwörter und das Wörtchen „allgemein“ aus Ihrem Wortschatz, sagen Sie nicht, „ich habe lange studiert und möchte deswegen dieses Gehalt erreichen, sondern zählen Sie Ihre Qualitäten auf“, lernen die Studenten.

Gesprächsführung für die Praxis trainieren

Diese praxisorientierte Vorbereitung auf die noch recht unbekannte Bewerbungsphase, auch wenn einige bereits erste Vorstellungsgespräche für ihre Praxissemester absolviert haben, kommt gut an. „So viel Information, so gebündelt in so kurzer Zeit zu erhalten, ist das Nonplusultra“, lobt Manuel Alfes das Training. Auch wenn es „nicht ohne war“, denn die Personaler hätten die Studenten gerade im Konfliktgespräch oft aufs Glatteis geführt. Als besonders wertvoll empfand er, zu erleben, wie ihn andere Leute beeinflussen können und wie die Macht der Worte wirkt – oder gar noch stärker – die Macht des Schweigens.

Das Agieren in Stresssituationen und das „Anpreisen“ der eigenen Person bei der Bewerbung für die Stelle zählten für Sandro Schneider zu den wichtigsten Übungen. Zu sehen, wie die anderen sich präsentieren und wie man selber wahrgenommen wird, waren wertvolle Erfahrungen. „Wir haben viel gelernt“, so sein Fazit, „vor allem über uns selbst.“

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