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Junge Immo-Profs gesucht!

Der Bedarf an einer fundierten immobilienwirtschaftlichen Hochschulbildung steigt. Ginge es nach den Regeln der Ökonomie, müsste nun auch das Angebot an Lehrenden wachsen, die diesen Bedarf decken. Doch qualifizierte, hauptberuflich tätige Hochschullehrer für immobilienwirtschaftliche Studiengänge sind Mangelware. Hat da etwa der Markt versagt?

Monika Leykam, Sonja Smalian
19. Mai 2011
Bild: Klaus Eppele/Fotolia.com

„Es ist schon vorgekommen, dass wir Professuren gar nicht oder mit Gastprofessoren besetzt haben, weil sich kein Kandidat auf adäquatem akademischem Niveau dafür fand“, berichtet Prof. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung am Institut für Immobilienwirtschaft (Irebs), Uni Regensburg. „Auch eine Juniorprofessur konnten wir mangels geeigneter Bewerber nicht wie geplant besetzen.“ Sebastian ist kein Einzelfall. Ob Juniorprofessur am Remi-Institut der ebs in Wiesbaden, ob Professorenstelle an der DHBW Stuttgart oder die Position des wissenschaftlichen Leiters der Irebs-Akademie – kein Job konnte in der ersten Runde an einen geeigneten Kandidaten vergeben werden, manche Positionen blieben sogar nach der zweiten Ausschreibung unbesetzt.

Auch Hansjörg Bach, Prorektor und Professor an der HfWU Nürtingen Geisslingen, beobachtet eine generell steigende Zahl von Wiederausschreibungen für Vollprofessuren quer durch die immobilienwirtschaftliche Bildungslandschaft. Ob Fachhochschulen, duale Hochschulen, Berufsakademien oder Universitäten – die steigende Zahl von zweiten und dritten Anläufen zur Besetzung einer hauptamtlichen Hochschulstelle sieht Bach als „klares Indiz“ für den Mangel an geeigneten Kandidaten. „Wir verschenken hier viel Potenzial“, ärgert sich Manfred Helmus, Professor für Baubetriebslehre an der Uni Wuppertal. „Die Hochschulen bieten keine ausreichenden Perspektiven, um gute Leute anzuziehen und sie an eine akademische Laufbahn zu binden.“

Man könnte „Perspektive“ auch ganz einfach durch „Geld“ ersetzen. Allein das deutlich höhere Gehaltsniveau, das die Immobilienbranche bietet, saugt so manchen klugen Kopf aus den Hochschulen ab. Vor einigen Jahren wurde das alte Besoldungssystem der C-Professur durch die Gehaltsklasse W (Akademiker lästern, „W“ stehe für „weniger“) ersetzt. Das Monatsgehalt der höchsten Besoldungsstufe W3 liegt derzeit (ohne Zulagen) bei maximal ca. 5.300 Euro – brutto, wohlgemerkt. Das sei gerade mal 1.000 Euro mehr als das Einstiegsgehalt von 50.000 Euro p.a., mit dem Inhaber eines Regensburger Master of Real Estate kalkulieren könnten, sagt Irebs-Akademiegeschäftsführer Prof. Karl-Werner Schulte.

Wissenschaftlicher Nachwuchs, der sich die Promotion nach dem Studium drei Jahre lang durch eine halbe Assistentenstelle finanziert, muss dagegen mit einem monatlichen Nettoverdienst von unter 1.200 Euro pro Monat über die Runden kommen. Da ist Idealismus gefordert – ein besonders hartes Brot gerade für Wirtschaftswissenschaftler, die sich als solche ja permanent mit dem Thema der Renditemaximierung auseinandersetzen.

Irebs-Professor Sebastian weiß: Ökonomisch verschmerzen lassen sich die vielen Jahre ohne große Gehaltssprünge, die für eine wissenschaftlich solide Promotion und die darauf folgende akademische Tätigkeit beispielsweise als Junior-Professor investiert werden, nur mit der Aussicht auf eine lebenslange Festanstellung. „Wer Professor werden will, der möchte auch Beamter sein. Es ist wie am Kapitalmarkt: Man akzeptiert eine relativ niedrige Rendite, sprich: Gehalt, erwartet dafür aber auch einen hohen Grad an Sicherheit.“

Diese Gleichung gilt jedoch gerade nicht für jene Jahre, in denen sich der Hochschullehrer-Nachwuchs für eine solche Festanstellung qualifizieren muss. Denn hier steht einer niedrigen (Gehalts-)Rendite ein hohes (Karriere-)Risiko gegenüber. „Ein Junior-Professor hat sechs Jahre Zeit, sich an der Universität zu profilieren. Wer dann keinen Ruf erhält und nach Job-Alternativen in der Wirtschaft suchen muss, tut sich schwer. Schließlich fehlen ihm für einen Wechsel in die Praxis viele Jahre Berufserfahrung“, formuliert es Manfred Helmus.

Wie gut sind die Jobchancen für Nachwuchs-Hochschullehrer?

Eine regelrechte „Ochsentour“ sei die akademische Karriere, bestätigt Irebs-Akademieleiter Karl-Werner Schulte. Die meisten Studenten akzeptierten die Investition in Form von Zeitaufwand plus Gehaltsverzicht daher nur bis zur Promotion. „Danach möchten sie diese Tour nicht fortsetzen.“ Zumal die Aufstiegschancen bei Unternehmen durch allzu lange rein akademische Tätigkeiten nicht steigen. „Wer lange an der Uni gearbeitet hat, erreicht in der Regel in der deutschen Wirtschaft keinen Vorstandsjob mehr“, weiß Prof. Nico Rottke, Leiter des Real Estate Management Institutes (Remi) der ebs in Wiesbaden.

Jeder zehnte, maximal jeder fünfte der Promovenden in der Immobilienwirtschaft habe ein ernsthaftes Interesse an einer akademischen Karriere, resümiert Andreas Pfnür, Professor für Immobilienwirtschaft und Bau-BWL an der TU Darmstadt. Das sei aber kein Grund für Pessimismus. „Für eine branchenspezifische BWL ist das eine ganz normale Quote.“ Anders als viele seiner skeptischeren Kollegen spricht der Professor von „hervorragenden Chancen“ für den akademischen Nachwuchs in immobilienwirtschaftlichen Fächern.

Pfnür, der demnächst eine neue Juniorprofessur einrichten wird, ist denn auch überzeugt, dass künftig deutlich mehr Immobilien-Lehrstühle geschaffen werden. „Das wird zumeist durch Umwidmungen geschehen, insbesondere von den technischen Lehrstühlen im Baubereich.“ Schließlich sei das Neubauvolumen in Deutschland rückläufig, während zugleich immobilienrelevante Themen an Bedeutung zulegten. Als Schlagworte nennt Pfnür den Klimaschutz und den demografischen Wandel. Aber auch die wachsende Aufmerksamkeit für die gegenseitigen Abhängigkeiten von Finanz- und Immobilienmärkten werde die eine oder andere Immobilien-Professur an traditionellen BWL-Lehrstühlen neu entstehen lassen, ist Pfnür zuversichtlich.

Remi-Leiter Rottke stößt ins gleiche Horn. „Viel Potenzial“ biete der Jobmarkt für Hochschullehrer, schließlich sei man auch international einsetzbar: „Wenn amerikanische Wissenschaftler nach Asien gerufen werden, warum sollte für Deutsche nicht dasselbe gelten?“ Doch auch Rottkes Remi- Institut scheiterte an der Besetzung einer Junior-Professorenstelle. Es fand sich kein ausreichend qualifizierter Kandidat. „Keiner konnte die von uns geforderte Kombination aus Ökonometrie, Management und Immobilienwirtschaft darstellen“, räumt Rottke ein. Lösen lasse sich der Fachkräftemangel derzeit noch am besten durch Umschulung. „Wer heute einen forschenden Immobilienwirtschaftler haben möchte, holt sich am besten einen Absolventen einer verwandten Disziplin, z.B. BWL oder VWL, und führt ihn dann in die Immobilienwirtschaft ein.“ Noch rund zehn Jahre, schätzt Rottke, wird diese Lücke fortbestehen. Danach, ist er überzeugt, werden die Universitäten und Fachhochschulen genügend akademischen Nachwuchs für die Hochschullehre produziert haben.

Steffen Sebastian von der Uni Regensburg kann diese Zuversicht nicht teilen. „Ich sehe nicht, dass in der deutschen Universitätslandschaft neue Immobilien-Lehrstühle wie Pilze aus dem Boden schießen. Selbst für einen exzellenten immobilienwirtschaftlichen Absolventen mit Habilitation besteht daher die Gefahr, dass er irgendwann auf der Straße steht.“ Seit der Finanzkrise seien Immobilien in den Wirtschaftswissenschaften zwar kein Randthema mehr, bestätigt Sebastian. „Das führt meiner Beobachtung nach aber eher dazu, dass sich die allgemeinen Finanz- und Wirtschaftswissenschaften stärker mit Immobilienthemen beschäftigen. Ich empfehle meinen Habilitanden daher immer, sich mehrere wissenschaftliche Standbeine zu schaffen, sodass sie auch über rein immobilienbezogene Themen hinaus einsetzbar sind.“

Große Erwartungen an FH-Professoren

Einfach ist die Suche nach geeigneten Dozenten auch für die Fachhochschulen (FH) nicht. Die HTW Berlin schaffte es erst im dritten Durchgang, eine Professorenstelle für Construction Real Estate Management zu besetzen. Ursache war laut Regina Zeitner, Professorin für Bauwirtschaft und FM, die Gehalts-Konkurrenz durch die freie Wirtschaft. Auch Prof. Hanspeter Gondring kann ein Lied davon singen. Der Studiengangsleiter an der DHBW in Stuttgart wird nun zum dritten Mal eine Professorenstelle plus Studiengangsleitung für Immobilienwirtschaft ausschreiben. „Viele Promovierte suchen keine akademische Laufbahn. Die werden lieber Vorstand“, sagt Gondring.

Allerdings hatte die DHBW die Latte auch recht hoch gehängt: Neben immobilienwirtschaftlicher Dissertation plus Habilitation und Publikationsliste waren auch eine kaufmännische Ausbildung und drei Jahre Praxiserfahrung gewünscht. Anders als manche Unis akzeptieren deutsche FHs in der Regel nämlich nur Professoren-Bewerber mit Doktortitel – und das, obwohl sie selbst keine Promotionen durchführen können. „Ärgerlich“ findet das Zeitner. Beim Lehrpersonal sind FHs daher auf promovierte Uni-Wissenschaftler angewiesen. Die nehmen aber einen Wechsel an die FH oft als beruflichen Abstieg wahr – sie bleiben, wenn möglich, lieber an ihrer Alma Mater.

Gondring kämpft gegen das Vorurteil, an FHs werde kaum geforscht: „Um Forschungsaufträge zu erhalten, braucht man keine Universitäten mehr, FHs wie wir bieten das auch.“ Und anders als an der Uni hätten FH-Profs die Freiheit, durch andere berufliche Aktivitäten wie Weiterbildungseinrichtungen oder Unternehmensberatungen zusätzliches Geld zu verdienen und damit die kargen W-Sätze aufzustocken, wirbt Gondring.

Dass er den erträumten Allrounder-Bewerber für seine Stelle wohl trotzdem nicht bekommen wird, hat er mittlerweile akzeptiert. Es sei auch ein Generationenproblem, sagt der 58-Jährige. Unter den Jüngeren sieht er zu viel Uniformität im Auftreten, zu wenig Freude an der Konfrontation und an der Verteidigung der eigenen Überzeugungen. „Ich brauche einen, der anpackt, der unseren Studiengang in exponierter Stellung vertritt und dafür Werbung macht. Einen Netzwerker und Unternehmertyp, der akademisch unangreifbar ist. Wir konkurrieren um den Bewerber eher mit der freien Wirtschaft als mit den anderen Hochschulen.“

Viele sehen aber gerade in der vom FH-Professor geforderten Mischung aus akademischen Qualitäten und Affinität zur Praxis das Problem. „Ich stelle es mir sehr schwierig vor, Lehre und andere berufliche Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen. Ein Wochenpensum eines FH-Professors von mehr als 18 Semester-Wochenstunden plus Klausuren plus Verwaltungsaufgaben ist mehr als ein Halbtagsjob, da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes“, schätzt Steffen Sebastian.

Manfred Helmus aus Wuppertal kritisiert die zunehmende Tendenz, von FH-Profs eine Promotion und eine lange Liste von Forschungspublikationen zu fordern. „Das sind Kriterien der Universitäten, und Forscher, die sie erfüllen, wollen auch lieber an die Uni. So verengen die FHs das Lehrkräfte-Potenzial noch zusätzlich.“ Der Arbeitsalltag der FH-Dozenten sei zudem durch eine hohe Belastung aus dem Lehrbetrieb geprägt. „Das macht den Job für Leute, die beruflich sehr aktiv sein möchten, weniger attraktiv.“

Hansjörg Bach aus Nürtingen sieht nicht im Promotionszwang das Problem, vielmehr in dem Übergewicht finanzwissenschaftlichmathematischer Promotionsthemen. „Es fehlt dann oft an der Erfahrung im konkreten Umgang mit der Immobilie. Das führt dazu, dass es ein gutes Angebot an Hochschullehrern für Finanzierungsthemen gibt, aber Knappheit bei Experten für Betrieb und Bewirtschaftung von Immobilien.“ Das, fürchtet Bach, könnte sich sogar als Bedrohung für das Aufblühen der Immobilienwirtschaft als Teil der akademischen Welt erweisen. „Wenn die Unternehmen merken, dass viele unserer Studieninhalte für die Praxis nutzlos sind, holen sie sich vielleicht wieder ganz normale Betriebswirte und bilden sie dann selber aus.“

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