Jubel auf dem deutschen Arbeitsmarkt
Als die Wirtschaftskrise kam, mussten weltweit viele Angestellte gehen. Doch während im Ausland die Arbeitslosenzahlen stiegen, blieben sie in Deutschland fast unverändert, denn Unternehmen und Politik setzten mit Kurzarbeit & Co. vor allem auf Weiterbeschäftigung. Mit Erfolg – und so blickt das Ausland heute interessiert auf das „deutsche Jobwunder“.
Was als Subprime-Krise begann, entwickelte sich rasch zur weltweiten Wirtschaftskrise. Mitte September 2008 meldete mit Lehman Brothers eine der größten Investmentbanken der Wall Street Insolvenz an. Wenige Wochen später geriet die Hypo Real Estate in Bedrängnis und musste zwischenzeitlich mit mehr als 100 Mrd. Euro staatlicher Garantien gestützt werden. Der Messestand des Kreditinstituts auf der Expo Real 2008 war verwaist, die Märkte paralysiert. Spätestens jetzt war die Krise in Deutschland angekommen. Die Immobilienunternehmen blickten dementsprechend pessimistisch ins Jahr 2009, wie eine Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen unter seinen Mitgliedern ergab. 78% rechneten mit einer verschlechterten Branchenentwicklung und 31% wollten Personal reduzieren.
Personalabbau befürchtet
Umstrukturierungen und Personalabbau ließen sich zunächst bei den Banken, wie der BayernLB, beobachten. Im Frühjahr 2009 machten u.a. auch DTZ, Jones Lang LaSalle sowie Vivacon, die Aberdeen-Tochter Degi und die Deutsche Annington ihren Personalabbau öffentlich. In der Umfrage zur Joboffensive, einer Initiative der Immobilien Zeitung, beobachteten im Mai/Juni 2009 knapp die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen einen Personalabbau in der Branche.
Auch die Forscher am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) gingen von einer großen Personalreduktion aus. Als Lehman Brothers zuammenbrach, sei für die Wissenschaftler klar gewesen, dass es zu einem dramatischen Einbruch des Sozialprodukts kommen würde. „Bei einem Rückgang von 5% rechneten wir mit netto 1,5 Mio. bis 1,8 Mio. zusätzlichen Arbeitslosen in Deutschland“, sagt IAB-Direktor Joachim Möller. Doch es kam anders: Die Statistik verzeichnete 2009 nur ein Plus von 155.000 neuen Arbeitslosen. Ein Wunder? Tatsächlich gab es neben Entlassungen noch ganz andere Antworten auf die Rezession.
Was sich am Arbeitsmarkt genau abspielte, habe die Wissenschaft im Laufe des Jahres 2009 immer besser verstanden. „Es gab eine wirklich vorbildliche Reaktion eines Arbeitsmarkts“, so Möllers Fazit. „Das Zusammenspiel zwischen Unternehmen, den Tarifparteien und der Arbeitsmarktpolitik hat funktioniert.“ Durch Arbeitszeitkonten wurden Überstunden abgebaut, betriebliche Bündnisse für Beschäftigung brachten Kosteneinsparungen und nicht zuletzt die Kurzarbeit (s. Kasten) habe für Flexibilität gesorgt. „In betriebsinterner Flexibilität ist Deutschland Weltmeister. Das deutsche System ist vorbildlich“, sagt Möller.
Von der Krise betroffen waren insbesondere Unternehmen, von denen einige zuvor einen regelrechten Boom erlebt – und über Fachkräftemangel geklagt hatten. Aus diesem Grund hätten sie ihre Arbeitskräfte quasi gehortet, da sie sich mittelfristig wieder Marktchancen ausrechneten, und so um die 100.000 Jobs gesichert, sagt Möller.
4,57 Mrd. Euro für Kurzarbeit
Durch Kurzarbeit seien rund 400.000 Arbeitsplätze erhalten worden. Für das Modell gab die Bundesagentur für Arbeit 2009 insgesamt 4,574 Mrd. Euro aus (davon 2,975 Mrd. für konjunkturelles Kurzarbeitergeld und 1,598 Mrd. für die Erstattung der Sozialversicherungbeiträge) und im vergangenen Jahr 3,060 Mrd. Euro (davon 1,680 Mrd. Kurzarbeitergeld).
Von März bis Dezember 2009 beantragte auch die Unternehmensgruppe Piepenbrock zum ersten Mal Kurzarbeit für Teile der Belegschaft. In der Hochphase summierte sich diese auf 7.000 Stunden pro Monat. Rückblickend bewertet Geschäftsführer Arnulf Piepenbrock sie als das wichtigste personalpolitische Instrument während der Krise vor Stundenreduzierungen, dem Auslaufenlassen befristeter Arbeitsverträge sowie interner Personalverschiebungen. Anfang 2009 bekam sein Unternehmen die Krise deutlich zu spüren. Auch wenn er im Teilbereich Instandhaltung keinen Kunden verlor, so sank der Umsatz um 40%. „Eine solche Vollbremsung habe ich noch nicht erlebt“, sagt Piepenbrock.
5,2% in Kurzarbeit Mitte 2009
Auf dem Höhepunkt der Krise im Juni 2009 waren in der Gesamtwirtschaft denn auch 5,2%, d.h. 50 von 1.000 Beschäftigten, in Kurzarbeit. Im verarbeitenden Gewerbe waren es 16,9% und im Baugewerbe nur 2,8%. Allerdings betrug der Ausfall durch Kurzarbeit im Baugewerbe 40% und lag damit höher als in der Gesamtwirtschaft (32%) oder im verarbeitenden Gewerbe (31%). Übertroffen wurden diese Quoten von der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft mit einer Ausfallquote von 41%, allerdings waren in diesem Teilsegment nur 0,3% der Beschäftigten in Kurzarbeit.
Hart traf die Krise auch die Makler. Alle Segmente mit Ausnahme des Property-Managements seien betroffen gewesen, sagt Peter Rösler, Vorsitzender der Geschäftsführung von BNP Paribas Real Estate Holding. Eine Schiffschaukel-Personalpolitik, also starker Personalabbau in der Krise und wieder starker Aufbau danach, hält er für extrem ungesund. Er selbst ist seit 25 Jahren im Unternehmen tätig und stolz darauf, dass es immer gelungen sei, das Personal durch Krisen mitzunehmen und dabei keine Verluste zu schreiben. Auch dieses Mal. Entlassungen habe es keine gegeben, aber ab Mai 2009 beantragte das Unternehmen Kurzarbeit (32 statt 40 Wochenstunden) für rund ein Drittel seiner 450 Mitarbeiter. Betroffen waren die Bereiche Personal, IT und Kommunikation/Marketing, Consulting und Valuation sowie das Backoffice des Transaktionsbereichs. Kurzarbeit als Instrument sei „das Erfolgsvehikel“ schlechthin gewesen, ist sich Rösler sicher. Als der Markt Ende 2009 wieder anzog, startete er mit seinem eingearbeiteten Team wieder durch.
Zu diesem Zeitpunkt widmete sich Paul Krugman in der New York Times „Germany’s jobs miracle“. Er befürwortete eine Arbeitsmarktpolitik, die aktiv Stellen schafft, und empfiehlt, den deutschen Weg genauer zu betrachten. Und tatsächlich, die ersten ausländischen Delegationen waren schon in Deutschland auf Studienreise.
„Die Beschäftigung ist heute höher als vor der Krise“, sagt Möller. „Auch wenn die Spuren der Rezession noch nicht ganz getilgt sind, steht Deutschland beim Thema Arbeitslosigkeit besser da als vor der Krise.“