Familienfreundliche Arbeitgeber sind gefragt
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eines der zentralen Themen in der modernen Arbeitswelt. Demografischer Wandel, der Mangel an Fachkräften, aber auch die zunehmende Zahl berufstätiger Frauen und kinderhütender Väter haben in der Vergangenheit bei vielen Arbeitgebern zum Umdenken geführt. Nicht Arbeit oder Familie, sondern Arbeit und Familie heißt heute das Credo.
Die DKB Immobilien war eines der ersten Unternehmen in der Immobilienbranche, das familienfreundliche Arbeitsbedingungen geschaffen hat. Im Jahr 2005 wurde das Unternehmen von der berufundfamilie gGmbH der Hertie-Stiftung als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifiziert (siehe „Audit berufundfamilie“). „Eigentlich haben wir gar nichts Besonderes gemacht“, erklärt Grit Zobel, Sprecherin der DKB Immobilien, Potsdam, rückblickend. „Wir haben uns angeschaut, welche Punkte im Audit für die Zertifizierung aufgeführt sind, und uns mit dem beworben, was wir sowieso schon praktiziert haben.“
Bei der Betriebststätte der DKB Immobilien in Potsdam nahm das Projekt familienfreundlicher Arbeitgeber seinen Anfang. 2005 vereinbarte man dort einen Kooperationsvertrag mit dem Kinderhaus Fridolin, das nur etwa sieben Minuten Fußweg vom DKB-Sitz entfernt liegt. Damals erwarteten mehrere der etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Nachwuchs. Da stellte sich die Frage, wie man die Arbeitsfähigkeit der gut eingespielten Teams am besten erhalten und frischgebackene Mütter und Väter nach der Elternzeit schnell wieder an den Schreibtisch zurückholen könnte. Flexible Wochenarbeitszeiten (von Montag bis Samstag zwischen 6.00 und 23.00 Uhr), die Möglichkeit zur Teilzeit- oder Heimarbeit und die Unterstützung bei der Organisation der Betreuung, waren wichtige Eckpfeiler, um den jungen Eltern den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen.
Die Kooperation mit dem Kinderhaus Fridolin bot dabei ideale Voraussetzungen: Hier stehen den DKB-Beschäftigten in Potsdam zehn Plätze mit höchst flexiblen Betreuungszeiten zur Verfügung: Im Fridolin können die Kinder notfalls rund um die Uhr und auch am Wochenende betreut werden. „Diese Einrichtung ist ein wahrer Glücksfall“, sagt Grit Zobel.
Ein Glücksfall ist es in dem seit ein paar Jahren vor allem bei jungen Familien sehr beliebten Potsdam, überhaupt einen Kita-Platz zu bekommen, denn die sind inzwischen heiß begehrt und rar gesät. Die Kooperation mit dem Kinderhaus kommt den DKB-Mitarbeitern doppelt zugute: Ihnen bleibt zum einen der enorme Aufwand, der mit der Organisation einer Betreuung für die Sprösslinge verbunden ist, erspart, und zum anderen trägt die DKB Immobilien die Hälfte der Betreuungskosten.
„Solche Möglichkeiten sind kriegsentscheidend für Frauen“
Die Zertifizierung für das Audit berufundfamilie hat die DKB Immobilien inzwischen für alle Gesellschaften der Gruppe mit etwa 320 Mitarbeitern erhalten. Obwohl das Unternehmen schon vorher als familienfreundlich galt, legte man Wert auf die kostenpflichtige Zertifizierung. Nicht zuletzt deshalb, weil das Logo von berufundfamilie unterdessen bekannt ist und ein Pluspunkt für viele Bewerber darstelle.
Auch andere Unternehmen haben sich auditieren lassen und familienfreundliche Arbeitsmodelle entwickelt. Bei der Kommunalen Wohnungsgesellschaft in Erfurt (Kowo) können Mitarbeiter auch mal ihre Kinder mit ins Büro bringen, wenn es kurzfristig Betreuungsengpässe gibt, weil das Kind vielleicht einen Husten hat und nicht zur Kita gehen kann oder Mutter oder Vater einfach noch länger im Büro zu tun haben. Drei Eltern-Kind-Büros hat die Kowo für ihre 110 Mitarbeiter inzwischen eingerichtet, außerdem kooperiert man mit dem Großelterndienst in der Stadt und bietet ähnlich flexible Arbeitszeiten wie die DKB oder die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten.
Die nutzt auch Katja Weisker, Sprecherin des Wohnungsunternehmens Deutsche Annington. Damit ihr fünfjähriger Sohn nicht nach 16.00 Uhr in der Kita bleiben muss, arbeitet sie am Nachmittag von zuhause aus. Freitags hat sie einen freien Tag. Das ist möglich, weil ihre Wochenarbeitszeit nur 32 Stunden beträgt: „Es gibt nur wenige Unternehmen dieser Größenordnung, die ihrer Pressesprecherin Teilzeitarbeit ermöglichen“, lobt sie ihren Arbeitgeber. Und fügt hinzu: „Solche Möglichkeiten sind kriegsentscheidend für Frauen.“
Doch familienfreundliche Arbeitsmodelle werden längst nicht mehr ausschließlich von Frauen genutzt. Vor allem für die jüngere Generation ist es selbstverständlich, dass beide Partner weiter arbeiten, wenn Kinder da sind. So weiß auch Holger Vormann, Marktforscher bei der Union Investment, zu schätzen, dass sein Arbeitgeber ihm die notwendige Flexibilität gibt, um Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. „Wenn beide Eltern arbeiten, stellt einen die Kombination von Kindern und Beruf täglich vor neue Herausforderungen. Angebote wie Krippenplätze oder Eltern-Kind-Zimmer helfen dabei enorm.
Aber nicht nur die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist heute Bestandteil moderner Unternehmenskultur: Auch die Pflege älterer Familienangehöriger wird inzwischen in den Arbeitsmodellen familienfreundlicher Unternehmen berücksichtigt. So bieten die allesamt mit dem Audit berufundfamilie zertifizierten Wohnungsunternehmen DKB Immobilien, Kowo, Deutsche Annington und Union Investment auch für pflegende Mitarbeiter flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, vom Homeoffice aus zu arbeiten an.
Das hohe Maß an Flexibilität verlangt aber nicht nur die Unterstützung durch die Führungskräfte einer Firma, sondern auch durch die Kollegen, „denn die müssen solche Modelle mittragen und im Zweifel für jemanden, der nicht da ist, in die Bresche springen“, sagt Katja Weisker. Das Positive: Auf diese Weise entwickle sich eine gute Unternehmenskultur. Und nicht zuletzt wächst die Identifikation mit dem Unternehmen, wenn Mitarbeiter aufgrund ihrer familiären Situation nicht ausgegrenzt, sondern einbezogen werden.
Ganze Maßnahmenpakete haben Firmen inzwischen geschnürt, um die Mitarbeiterbindung zu festigen und die Motivation ihrer Angestellten zu erhöhen oder viel beschäftigte Mitarbeiter zu entlasten. Das reicht vom Haushaltsservice, den man beanspruchen kann, wenn man selbst nicht zum putzen oder einkaufen kommt, bis hin zu Ferienbetreuungsangeboten für schulpflichtige Mitarbeiter-Kinder. Und weil familiär und beruflich stark beanspruchten Arbeitnehmern kaum die Zeit bleibt, sich selbst einmal zu entspannen, gehören Angebote wie die der Union Investment, die Yoga @ Lunchtime oder Rückengymnastik während der Arbeitszeit im Programm hat, oder kostengünstige Massagen am Arbeitsplatz, die nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden, wie es sie bei der Kowo gibt, inzwischen zum Service, den familienfreundliche Unternehmen bieten.
Der Fantasie sind quasi keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, für das Wohlergehen der Beschäftigten zu sorgen. Längst haben Arbeitgeber erkannt, dass Mitarbeiter, denen die Organisation von Arbeits- und Privatleben erleichtert wird, höchst motiviert sind und die Qualität der Arbeit sich verbessert: „Unsere neuesten Untersuchungen zeigen, dass eine familienbewusste Personalpolitik ein wichtiger betriebswirtschaftlicher Entscheidungsparameter ist, der den Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflusst“, so Prof. Helmut Schneider, einer der beiden Leiter des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP), Münster und Berlin. Das FFP hat in einer Studie im Auftrag der arbeitundfamilie gGmbH die wirtschaftliche Effizienz familienbewusster und nicht familienbewusster Unternehmen gegenübergestellt. Das Ergebnis: „Familienbewusste Unternehmen stellen sich in allen relevanten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eindeutig besser. Sie weisen eine um 17% höhere Mitarbeiterproduktivität auf. Dieser Mehrwert lässt sich unter anderem zurückführen auf eine um 17% höhere Motivation der Beschäftigten, 13% geringere Fehlzeiten und eine um 17% höhere Bindung von Fachkräften.“ Auf diese Weise gelinge es familienbewussten Unternehmen wiederum, auch ihre Kunden langfristiger an sich binden (siehe Grafik „Familienfreundlich schneidet besser ab“).
Letzteres bestätigt auch Cornelia Schönherr, Sprecherin der Kowo: „Wenn unsere Kundenbetreuerinnen oder -betreuer in die Elternzeit gehen, wissen sie, dass sie das gleiche Wohnquartier später wieder übernehmen können. Das gibt nicht nur den Mitarbeitern ein gutes und sicheres Gefühl, sondern wird auch von den Mietern geschätzt. Die freuen sich, wenn die ihnen vertrauten Mitarbeiter wieder da sind.“
Natürlich können familienorientierte Arbeitsbedingungen auch ohne das Audit berufundfamilie geschaffen werden. Und in vielen Betrieben geschieht das auch. Der Vorteil für Arbeitnehmer, die in einem zertifizierten Unternehmen arbeiten, liegt aber auf der Hand: Dort ist Familienfreundlichkeit fester Bestandteil der Unternehmenskultur und hängt nicht allein vom guten Willen der Führungsebene ab.