Bewertungen auf Kununu sind für Mitleser
Online-Auftritte. Um sich vor einer Jobzusage einen authentischen Einblick in ein Unternehmen zu verschaffen, lesen Bewerber Erfahrungsberichte auf der Plattform Kununu. Arbeitgeber können diese Reichweite für sich nutzen, indem sie regelmäßig auf die Postings reagieren. Bei den großen Maklerhäusern gehen die Antwortraten jedoch stark auseinander.
Weil Arbeitgeber- und Jobbewertungen bei der Online-Plattform Kununu anonym sind, erhoffen sich viele Leser authentische Einblicke in den Arbeitsalltag und in die Unternehmenskultur von anderen. Dadurch ziehen die Beiträge Bewerber und Interessenten für offene Stellen als Quelle für ungeschönte Informationen regelrecht an. Knapp drei Viertel aller Jobsuchenden in Deutschland nehmen laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Trendence inzwischen diesen Weg der Recherche, wenn sie sich ein genaues Bild von einer ausgeschriebenen Stelle machen wollen. Arbeitgeber können sich diese Reichweite zunutze machen – und sich in Reaktionen nicht nur für Lob bedanken, sondern auch Kritikern öffentlich den Wind aus den Segeln nehmen.
Der genaue Blick auf Kununu kann nämlich Konsequenzen haben. Fast jeder dritte Teilnehmer der Studie gab an, das Portal schon einmal für einen letzten Check vor der finalen Jobzusage zurate gezogen zu haben. 67,8% der Befragten haben schon einmal erhebliche Unterschiede zwischen den Bewertungen durch bestehende oder frühere Mitarbeiter im Vergleich zur offiziellen Kommunikation eines Unternehmens festgestellt. Für die Hälfte von ihnen war das ein Grund, ihre Bewerbung zurückzuziehen, mehr als jeder Vierte schloss den Arbeitgeber auch für die Zukunft bei ähnlichen oder späteren Ausschreibungen für sich aus.
Online-Posts beeinflussen Job-Wahl
Dass sich viele Bewerber im Zweifelsfall auf Berichte von Fremden verlassen, ist für den Arbeitsmarktexperten Sascha Theisen keine Überraschung. „Die Bedeutung von Online-Bewertungen hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Sie gehören zum Alltag dazu, etwa beim Shopping oder bei der Wahl eines Restaurants. Inzwischen haben sie auch in der Arbeitswelt einen hohen Stellenwert erreicht“, sagt er. Als Hauptgrund dafür nennt er die Anonymität, die die Autoren zu viel Offenheit beim Feedback verleitet, „und das lockt das Interesse der Nutzer“. Umgekehrt könnten Arbeitgeber, die professionell auf Bewertungen reagieren, einen schlechten Online-Eindruck noch einmal herumreißen. Denn das öffentliche Beantworten der Posts ist auch für Unternehmen ohne kostenpflichtiges Profil möglich.
Das Makler-Franchise-Netzwerk Dahler & Company hat die Bedeutung des Portals für den Bewerbermarkt schon vor einigen Jahren erkannt und die Pflege des Kununu-Auftritts auf Geschäftsführerebene angesiedelt. Die mehr als 200 Mitarbeiterbewertungen verfolgt das Unternehmen genau – auf etwa die Hälfte gab es schon eine Antwort aus der Chefetage, die jeder Kununu-Nutzer mitlesen kann. Und auch Geschäftsführerin Annika Zarenko profitiert von den Schlüssen, die sie aus den Bewertungen für sich ziehen kann, vor allem, wenn sie von aktuellen Mitarbeitern stammen. „Sie haben die höchste Aussagekraft für uns, da sie den Status quo abbilden und die derzeitige Situation beschreiben. So ist es noch einfacher, wenn gewünscht, in den Austausch zu gehen und falls notwendig etwas zu verändern“, sagt sie. Kritische Aussagen seien für sie genauso wichtig wie Lob, „da wir so Schwachstellen erfahren, mögliche Missverständnisse aufklären und aktiv werden können“, sagt Zarenko.
Doch die Zeit, auf Kununu-Bewertungen zu reagieren, nehmen sich nicht alle Arbeitgeber. Zu diesem Schluss kommt Theisen, nachdem er zusammen mit seinen Kollegen von der Unternehmensberatung Employer Telling mehr als 3 Mio. Posts analysiert hat. Branchenübergreifend, so seine Bilanz, blieben nahezu drei Viertel aller Bewertungen unbeantwortet, das gelte vor allem für kritische Aussagen.
Die Immobilienwirtschaft reihe sich in Bezug auf die Antwortraten mit 31,2% noch im Mittelfeld der Branchen ein. In den Sparten Bau- und Architektur wurden hingegen nur 26,5% der Nutzerbeiträge beantwortet. „Vielen Arbeitgebern fehlt das Ohr für die eigenen Mitarbeiter sowie das Gespür dafür, was die Mitlesenden für Rückschlüsse auf ihr Arbeitgeberimage ziehen“, schlussfolgert der Arbeitsmarktexperte.
Die meisten Beiträge bleiben unbeantwortet
Für die Immobilien Zeitung hat Theisen die Unternehmensprofile von neun Maklerhäusern noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Die Anzahl der Antworten ging innerhalb dieser Sparte besonders stark auseinander. Während Dahler & Company auf rund 50% aller Beiträge reagierte, blieben bei Cushman & Wakefield 98,9% unbeantwortet. Auch Engel & Völkers reagierte noch auf fast jeden zweiten Mitarbeiterpost (44,5%). BNP Paribas Real Estate (28,6%), Savills (23,9%) und Avison Young (18,2%) bilden das Mittelfeld der Sonderauswertung. Nicht einmal jeden zehnten Mitarbeiterpost beantworteten CBRE (8,7%), JLL (7%) und Colliers (4,7%).
Dabei ist den Unternehmen bewusst, dass Präsenz und ein gutes Ranking auf der Plattform wichtig sind. „Wir sind stolz darauf, als Top Company ausgezeichnet zu sein, und kommunizieren dies sowohl intern als auch extern“, beschreibt Mike Schrottke, Head of People Germany bei CBRE, den Status des Unternehmens innerhalb des Portals. Er bezieht sich auf den Weiterempfehlungsscore, der bei CBRE 4,4 von fünf möglichen Sternen in der Gesamtbewertung zählt. Die fast 400 bisherigen Mitarbeiterbewertungen behält die Abteilung Talent Acquisition im Blick. Auf negative Aussagen von Mitarbeitern reagiert das Team besonders häufig, meist in Form von persönlichen Gesprächsangeboten.
Dadurch steigt zwar die Antwortrate, doch ob und wie genau ein Problem von Unternehmensseite letztendlich geklärt wird, können unternehmensfremde Mitleser nicht nachvollziehen. Für Theisen geht dadurch ein wichtiger Vorteil der Plattform aus Sicht der Arbeitgeber verloren. Er empfiehlt nicht nur, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, sondern stattdessen auch die eigenen Argumente öffentlich in einer Antwort darzustellen. „Wird zum Beispiel niedrige Bezahlung vorgeworfen, können Arbeitgeber mit Verweis auf einen Branchendurchschnitt kontern. Werden Probleme angesprochen, die im Zusammenhang mit internen Umstrukturierungen stehen, können diese Hintergründe erklärt oder ihre zeitliche Begrenzung angegeben werden“, rät er.
Druck bei Mitarbeitern, selbst ein positives Feedback zu hinterlassen, gebe es bei CBRE nicht. Und tatsächlich stammt die Überzahl der CBRE-Bewertungen (1282) gar nicht aus dem eigenen Haus, sondern von Anwärtern auf eine Stelle, die sich zum Bewerbungsprozess äußern. Das Maklerunternehmen scheint in diesen Bewerber-Bewertungen eine gute Möglichkeit zum Mitlesen aus der Recruiterperspektive zu sehen. „Besonders interessant ist für uns, wie wir die Candidate Experience für Bewerber verbessern können“, sagt Schrottke.
Für Theisen sind diese Bewertungen aber weniger authentisch als die von Mitarbeitern selbst. „Wer sich im Bewerbungsprozess befindet, hatte noch keine tiefen Einblicke ins Unternehmen, den dortigen Arbeitsalltag und die Unternehmenskultur. Zudem: Wer wirklich bei einer Firma anfangen will, wird eher positive Rückmeldung hinterlassen, als frühe Kritik zu üben.“
Dass bei großen Unternehmen, die zum Teil täglich Bewertungen erhalten, eine zeitnahe Antwort nicht immer machbar ist, weiß Theisen. Ihn wundert es deshalb nicht, dass bei seiner Gesamtstudie vor allem große Konzerne und DAX-Unternehmen eine geringe Antwortrate vorwiesen.
Er sieht in einem gepflegten Auftritt bei Kununu deshalb vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen eine gute Chance, sich online zu präsentieren. Gerade wenn die Zahl der abgegebenen Kommentare von Mitarbeitern und Bewerbern gering ist, biete sich die Chance, die eigene Unternehmenskultur regelmäßig in Antworten zu platzieren – und zwar gut sichtbar für alle Interessenten. Sein Fazit: „Arbeitgeber dürfen Kununu nicht als Kommunikationsplattform sehen. Sie müssen sich über ihre Bedeutung als Bewertungsportal im Klaren sein und darüber, dass sie mit einem gepflegten Account vor allem die Mitleser erreichen können, die zuvor noch keinen direkten Kontakt zum Unternehmen hatten.“