Dem Bau fehlt der qualifizierte Nachwuchs
Der demografische Wandel hat längst auch die Bauwirtschaft erreicht. Seit Jahren scheiden altersbedingt mehr Fachkräfte aus, als junge nachkommen. Zudem gibt es hohe Abbrecherquoten bei Auszubildenden in den Bauberufen und Studenten des Bauingenieurswesens. Dabei ist die Lage am Bau-Arbeitsmarkt durchaus wieder im Aufwind, wie der zweite Branchenbericht zeigt.
2012 sei ein sehr positives Jahr für die Bauwirtschaft, sagte Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. In den ersten fünf Monaten beliefen sich die Auftragsbestände auf 22,1 Mrd. Euro. Das sei das höchste Auftragsvolumen seit mehr als 20 Jahren, so Knipper bei der Vorstellung des zweiten Branchenberichts zum Bau-Arbeitsmarkt, den die Bundesagentur für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gemeinsam mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgeben haben. „Die Branche steht wirklich gut da“, betonte Knipper. Und das sei kein Strohfeuer. Er rechnet mit einem realen Wachstum von 1% bis 2% jährlich in den kommenden zehn Jahren, sofern die Euro-Krise nicht eskaliert.
Hohe Ausbildungsleistung
Die Konjunkturdaten geben Grund zur Hoffnung. Das war in den vergangenen zehn Jahren nicht immer so. Von 2001 bis 2006 hat die Bauwirtschaft ihre Beschäftigtenzahl von 2 Mio. auf 1,5 Mio. reduziert. Inzwischen hat sich die Zahl auf dem niedrigen Niveau stabilisiert. Ende Juni 2011 zählte das Baugewerbe zusammen mit dem Bauhauptgewerbe 1.637.000 Beschäftigte sowie zusätzlich 436.000 Beschäftigte in Architektur- und Ingenieurbüros. Der Bedarf an Fachkräften sei hoch, sagte Knipper. „Seit Jahren jedoch übersteigen die altersbedingten Abgänge die Zugänge an Nachwuchskräften deutlich. Hier bekommt unsere Branche die Auswirkungen des demografischen Wandels zu spüren.“
Dabei liegt die Ausbildungsleistung der Bauunternehmen mit 41% deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 32%. Doch die Bauwirtschaft hat Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Allein im vergangenen Jahr konnte jede dritte Bauunternehmung die angebotenen Plätze nicht vergeben. Während im Berichtsjahr 2010/11 etwa 1.400 der gemeldeten Ausbildungsstellen für Bauberufe unbesetzt blieben, waren es im Vorjahr noch weniger als 1.000 gewesen. Mit einer Quote der unbesetzten Lehrstellen von 4,9% liegt die Baubranche immer noch unterhalb der Quote aller Ausbildungsberufe von 5,7%.
Zu kämpfen hat die Branche auch mit hohen Abbrecherquoten von rund 20% bei den Auszubildenden. So lösen im Schnitt 26% der Azubis in den Hochbauberufen vorzeitig ihren Ausbildungsvertrag. Bei den Auszubildenden im Tiefbau ist die Zahl mit 19% am niedrigsten und am häufigsten werfen die angehenden Maler und Lackierer während der Ausbildungszeit vorzeitig das Handtuch (35%).
Die Ursachen hierfür reichen von der falschen Berufswahl über Schwierigkeiten mit den theoretischen Anforderungen bis hin zu persönlichen Problemen mit dem Chef. Die Abbrecherquoten zu reduzieren, sieht Knipper denn auch als wichtige Aufgabe an. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialpartnern und den Unternehmen will er Strategien entwickeln, um mehr Nachwuchs zu gewinnen und zu halten, betonte Knipper.
Viele Studienabbrecher
Auch am akademischen Nachwuchs mangelt es. Zwar ist die Zahl der Studienanfänger im Fach Bauingenieurwesen seit 2007 stark gestiegen auf 14.500 im Jahr 2010, doch die Zahl der Absolventen liegt deutlich darunter. Sie betrug 2010 bei den Bauingenieuren 5.400. Pro Jahr habe die Branche jedoch einen Personalbedarf von mindestens 4.500 Nachwuchskräften, sagte Knipper. In den letzten Jahren hätten sich aber nur 3.500 der jungen Bauingenieure für einen Job in der Baubranche entschieden.
Sorgen bereiten Knipper auch die hohen Abbrecherquoten: So verlässt jeder zweite Bachelor-Student im Fach Bauingenieurwesen vorzeitig die Universität. An den Fachhochschulen ist es immerhin noch jeder dritte (36%). Niedriger sind die Abbruchquoten bei Universitätsstudenten in einem Diplom- oder Magisterstudium (20%). An Fachhochschulen führen 30% der Diplom-Studenten das Studium nicht zu Ende. Knipper hat dafür eine Erklärung. Viele scheiterten im Grundstudium an der hohen Mathematik des konstruktiven Ingenieurbaus. Er plädiert deswegen dafür, diese Aspekte eher ins Hauptstudium zur verlagern. „Uns ist es wichtig, dass Bauingenieure nicht zu früh spezialisiert werden“, sagt Knipper. In Anbetracht der hohen Abbrecherquoten gibt er zu bedenken: „Da muss man sich schon fragen, was wir da vergeuden.“