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Traut Euch auf die Bühne!

Immer wieder wird beklagt, dass bei Fachveranstaltungen in der Immobilienwirtschaft zu wenige Rednerinnen und Referentinnen zu sehen und zu hören sind. Schuld daran haben nicht allein die Organisatoren der Branchenevents, sondern auch die Frauen selbst – sie sagen zu oft nein. Dabei profitieren von mehr Diversität auf den Bühnen alle.

Janina Stadel
28. September 2023
Quelle: stock.adobe.com, Urheber: Gorodenkoff

Das Konferenzprogramm der Expo Real wird in diesem Jahr von 440 Branchenakteuren bestritten. Sie werden bei Vorträgen und bei Expertentalks auf den Bühnen zu sehen und zu hören sein. 120 von ihnen werden Frauen sein. Das ist eine Quote von rund 27%.

Nun ließe sich behaupten, das entspräche eben ungefähr dem Frauenanteil in der Branche. Doch das hieße einen Schwachpunkt der Immobilienwirtschaft mit einem anderen zu rechtfertigen. Denn: Gemischte Gruppen liefern besser ab. Sie bringen unterschiedliche Ideen und Sichtweisen ein, verschiedene Erfahrungen und Hintergründe sorgen für Vielfalt. Davon profitieren sowohl die Zuhörer als auch die Diskutierenden. Divers besetzte Panels – übrigens auch altersmäßig – sorgen für kreativere Ansätze und neue Lösungen.

Für die Rednerinnen selbst gilt: Der Platz in einem Panel kann die Karriere unterstützen. Wer sein fachliches Wissen öffentlich unter Beweis stellt, wird als Expertin für seine Themen wahrgenommen. Dieser Ruf kann neue Karrieremöglichkeiten eröffnen.

Die Agenda der Branche mitbestimmen

So sieht das Isabella Chacón Troidl. Sie hält seit Jahren regelmäßig Vorträge bei Veranstaltungen aller Art und in digitalen Formaten. Im Januar ist sie zur Vorsitzenden der Geschäftsführung bei BNP Paribas Real Estate Investment Management (BNPP Reim) aufgestiegen. Sie will sich als Entscheiderin der Branche auf der Bühne auch als Rollenmodell für junge Berufseinsteigerinnen präsentieren. „Frauen in der Immobilienbranche müssen sichtbarer werden. Ohne Sichtbarkeit fehlen den Young Professionals Vorbilder. Zudem ist Diversität für unsere Branche unglaublich wichtig“, sagt sie. Bei ihren Auftritten gibt sie nicht nur ihr Wissen zu Transaktionen mit ausländischen Investoren wieder, sondern spricht auch zu ESG (Environmental Social Governance) und Social Impact und beschäftigt sich mit Werten in Unternehmen. „Als Sprecherin habe ich die Möglichkeit Impulse zu setzen, die Branche weiterzuentwickeln und Diskussionen anzustoßen. Man kann die Agenda mitbestimmen“, sagt Chacón Troidl.

Wenn sie sich vor einem Auftritt mit einem Thema beschäftigt, überdenkt sie jedes Mal ihre eigenen Thesen. „Nur wer sich selbst hinterfragt, entwickelt sich weiter.“ Sie schätzt den Diskurs mit anderen Teilnehmenden auf der Bühne und in den Gesprächen im Nachgang – gerade auch mit Frauen. „Von anderen Entscheiderinnen kann man unglaublich viel lernen“, sagt sie. „Man bekommt Gelegenheit, mit Menschen in den Austausch zu treten, die einem im normalen Berufsleben vielleicht nie über den Weg laufen würden. Das öffnet auch Türen für Kollaborationen, etwa mit Start-ups und Proptechs.“

Damit sich die Akteurinnen aus allen Disziplinen der Branche in den kommenden Jahren noch weiter vernetzen, hofft sie, dass eine wachsende Anzahl von Frauen auf den Bühnen dazu führt, dass sich noch mehr von ihnen trauen, diesen Schritt zu gehen. Denn damit sich die Geschlechter bei Panels durchmischen, müssen die Frauen selbst die Initiative ergreifen und ihre Bereitschaft für einen Bühnenauftritt kommunizieren. „Was sicherlich hilft, ist eine starke Präsenz auf Linkedin“, rät Chacón Troidl. Wer regelmäßig online auf seine Positionen aufmerksam macht, zeigt Wissen zu einem Thema und wird mit der Zeit als Experte für diese Inhalte wahrgenommen. Weil die Plätze am Mikrofon häufig über persönliche Empfehlungen vergeben werden, seien außerdem ein Engagement in Berufsverbänden und Gespräche bei Netzwerkveranstaltungen hilfreich. So können Referentinnen zudem schon früh erfahren, für welche Events noch Redner gesucht werden. „Wenn man der Meinung ist, dass man zu einem Thema einen echten Mehrwert stiften kann, dann kann es auch richtig sein, einfach mal beim Veranstalter anzufragen. Auch die freuen sich über Impulse“, sagt Chacón Troidl.

Damit dies nicht willkürlich wirkt, sei die Passgenauigkeit einer Veranstaltung wichtig. „Wenn das Thema passt, dann kann man getrost zusagen. Aber man sollte schauen, wie relevant die Veranstaltung für einen selbst ist, sonst kommt man schnell in eine Lage, wo die eigene Teilnahme etwas beliebig wirkt“, warnt die CEO.

Dass Veranstalter oft gar nicht wissen, welche Frauen als Gesprächspartnerinnen für bestimmte Bereiche infrage kommen, weiß Anne Tischer.

Als Vorsitzende des Vereins Frauen in Führung (FiF) wird sie regelmäßig nach Empfehlungen gefragt und gibt Tipps, wer aus ihrem Netzwerk zu einem Thema sprechen könnte. Auf diese Nachfragen hat der Verein reagiert und im März auf seiner Webseite einen Speakerinnen-Pool eingerichtet. Die Plattform gibt Frauen die Möglichkeit, sich in kurzen Portraits selbst vorzustellen und Kontaktdaten zu hinterlegen, sodass Veranstalter direkt auf sie zukommen können. Neben Angaben zum beruflichen Werdegang und zur fachlichen Expertise wird deshalb auch die Motivation der Referentinnen abgefragt. „Mehr als 80% von ihnen haben bisher angegeben, die Transformation der Branche in Gang setzen zu wollen – sei es in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit, auf die Digitalisierung oder auf die Diversität“, berichtet Tischer.

Etwa ein halbes Jahr nach dem Start präsentieren sich auf der Webseite knapp über 100 Expertinnen, die ihre Thesen bei Events weitertragen wollen. Rund 50 weitere Bewerbungen bearbeitet das FiF-Team noch. „Mit dem Pool wollen wir uns bewusst an alle Frauen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft richten. Auch an die, die Teil der Branche sind, aber nicht operativ an den Immobilien arbeiten, sondern sich mit Themen wie Personalgewinnung, Führung und Unternehmenskultur beschäftigen. Denn auch diese Themen treiben die Branche voran“, sagt Tischer. Die Hürde, eine Bewerbung einzureichen, will der Verein möglichst niedrig halten. Deshalb steht die Plattform auch interessierten Frauen offen, die noch keine Erfahrung mit Vorträgen gemacht haben.

Der Verein Frauen in der Immobilienwirtschaft bietet ebenfalls einen Pool mit Sprecherinnen. „Aktuell sind 33 Referentinnen bei uns gelistet“, erzählt Geschäftsstellenleiterin Wiebke Schmidt. Der Pool werde ständig erweitert. Der Verein richtet selbst jährlich zahlreiche Veranstaltungen in verschiedenen Formaten aus und bietet seinen Mitgliedern so die Möglichkeit, Fachseminare zu leiten und Vorträge zu halten. Schmidt sieht darin eine Chance für die Frauen, sich national und international einen Namen zu machen und sich zu vernetzen.

Das Verzeichnis des Vereins nutzt zum Beispiel Xenia Krause-Dünow für sich. Als Inhaberin der Personalberatung Fits for Future ist sie auf ein breites Netzwerk angewiesen und tritt deshalb bei ganz unterschiedlichen Branchenevents auf. „Ich sammele gern viel Wissen ein, sortiere und strukturiere es und teile es dann mit der Welt“, sagt sie. Nach Jahren auf der Bühne weiß sie aber auch, dass immer wieder etwas schiefgehen kann, etwa durch Zeitdruck bis zum nächsten Termin oder bei Problemen mit der Technik. Damit in diesen Fällen kein Stress aufkommt, bereitet Krause-Dünow jeden Auftritt akribisch vor.

Dafür versetzt sie sich in die Zielgruppe der Veranstaltung und überlegt, mit welcher Motivation die Zuhörer an dem Event teilnehmen. Das helfe ihr dabei, ihre Präsentation so zu gestalten, dass die Inhalte für das Publikum verständlich sind und die Zuhörer einen Nutzen aus ihnen ziehen können. Kurz vor dem Auftritt geht sie ihren vorbereiteten Text dann noch einmal in Gedanken durch und überlegt, wo sie sich hinstellen und ob sie sich viel bewegen wird. „Ich beobachte dann das Publikum und denke nach, ob ich es in den Vortrag mit einbeziehe“, sagt Krause-Dünow.

„Mit der Zeit bekommt man zwar Routine, aber jeder Auftritt ist aufregend und anders“, sagt sie. Lampenfieber spüre sie trotz langjähriger Erfahrung noch immer vor jedem Auftritt. „Und das ist auch gut so. Denn das ist das notwendige Adrenalin, welches man braucht, um wirklich gut zu sein.“

Das Verzeichnis von Referentinnen von FiF gibt es unter www.frauen-in-fuehrung.info/speakerinnen, Frauen in der Immobilienwirtschaft listet unter immofrauen.de/referentinnen Referentinnen auf.
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