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Zugriff auf den Nachwuchs

Erst die reine Theorie im Elfenbeinturm pauken, um dann nach Studienabschluss den Praxisschock zu erleiden – diese Zeiten sind zum Glück fast allerorten vorbei. Der Praxisbezug wird bereits während des Studiums großgeschrieben. Dafür kooperieren immer mehr Hochschulen auf verschiedenste Weisen mit der Wirtschaft. Die Gewinner sind die Studenten.

Sonja Smalian
30. Juli 2009

Wenn eine Hochschule einen neuen Förderer oder Stifter gewonnen hat, dann ist das ein Grund zum Feiern – und meist auch zum Versenden einer Pressemitteilung. Und die Hochschulen dürfen sich freuen: Denn 73% der 2.500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands rechnen mit einer weiteren Bedeutungszunahme des Bildungssponsorings. Das zeigt die Studie Sponsoring Trends 2008 der Universität der Bundeswehr München und der Agentur Pleon. Setzten 1998 nur rund 30% der Unternehmen Bildungssponsoring ein, so waren es 2008 bereits 56%. Auf diese Förderform entfielen 12% des Sponsoringetats. Insgesamt unterstützte die Wirtschaft mit mindestens 1,4 Mrd. Euro die Hochschulen, zeigt eine Studie des Stifterverbands und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Jedes fünfte Industrieunternehmen bzw. zwei Drittel der Großunternehmen fördern demnach Hochschulen mit Geld- oder Sachspenden, Sponsoring oder Stipendien.

Die Kooperationsformen zwischen Hochschule und Wirtschaft sind so vielfältig wie die Bedarfe: Vermittlung von Praktikanten über die Absprache von Abschlussarbeitsthemen bis hin zur Vermittlung des Berufseinstiegs. Hier sieht Prof. Gerrit Leopoldsberger von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen die Fachhochschulen durch ihre oftmalige Praxistätigkeit des Lehrpersonals im Vorteil gegenüber Universitäten, wenn es um die Kontakte zu Unternehmen geht.

Dennoch gelingt es immer mehr Hochschulen, Unternehmen an sich zu binden, z.B. über so genannte Freundeskreise, Stiftungen und Fördervereine, die durch ihre Mittel unbürokratisch für Auslandsstipendien, die Organisation von Veranstaltungen oder Fahrtkosten zu Konferenzen oder Messen aufkommen. Doch nicht nur die Studenten profitieren von dieser Kooperation. Denn neben der Förderung des Nachwuchses geht es auch um Profil- und Imagebildung auf Seiten der Hochschule. Frank Ehrenheim, Professor für Facility-Management an der FH Gießen-Friedberg nutzt die Kooperationen gezielt als Marketingargument.

Hochschulübergreifend will der Verein Agenda4 diese imagebildende Wirkung auch für seine 16 Hochschul- und ca. 80 Unternehmensmitglieder erzielen, sagt Prof. Josef Zimmermann vom Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immoblienentwicklung der TU München und Vorstand des Vereins. Derzeit werde in einem Arbeitskreis für die Hochschulen ein eigenes Konzept erarbeitet. Eine besondere Kooperationsform des Vereins ist der jährliche Agenda4-Wettbewerb, den ein Mitgliedsunternehmen, in den vergangenen Jahren waren es u.a. Züblin, ThyssenKrupp Immobilien oder aurelis, mit etwa 60.000 Euro finanziert und auch ein Projekt zur Bearbeitung zur Verfügung stellt. In interdisziplinären Teams erarbeiten die Studenten der Mitglieds-Hochschulen dann z.B. eine Machbarkeitsstudie. Der Auslober erhält frische Ideen und kann sich als Unternehmen dem Nachwuchs präsentieren.

Die Finanzierung einer Stiftungsprofessur, meist mit einer Laufzeit von fünf oder sechs Jahren, ist ebenfalls eine Kooperationsform. 41% der 660 Stiftungslehrstühle in Deutschland sind von Unternehmen gefördert, wie eine aktuelle Untersuchung des Zentrums für Evaluation und Methoden der Universität Bonn im Auftrag des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft zeigt. 90% der befragten Hochschulen sind mit dieser Förderform sehr zufrieden und ihre Erwartungen in der Nachwuchsförderung haben sich bei 87% von ihnen erfüllt. Für die Unternehmen liegt die Nachwuchsförderung nur an dritter Stelle. Ihnen geht es vor allem um die Förderung der Kooperationsbeziehungen und von Innovationen. Marketingaspekte spielen eine untergeordnete Rolle. Sicherlich darf auch die Talentsuche nicht vergessen werden. In Zeiten des Fachkräftemangels möchten die Unternehmen die Studenten so früh wie möglich kennenlernen, sagt Frank Ehrenheim. Trotz des beidseitigen Interesses müssen Kooperationen bewusst angestoßen werden. „Wer den Austausch mit der Wirtschaft will, der muss sich auch damit befassen“, sagt Josef Zimmermann und formuliert gleich seine Aufgabe: „Als Inhaber eines Lehrstuhls müssen sie Fundraising in ihre Agenda schreiben.“ (sma)

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