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Wenn der Azubi schon Mutter ist ...

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiger Baustein, mit dem Arbeitgeber um jungen Nachwuchs werben können. Doch im Fokus haben die Unternehmen dabei häufig Hochschulabsolventinnen. Dabei betrifft das Thema bereits viel jüngere Menschen – nämlich Azubis. Seit 2005 ist die Teilzeit-Ausbildung gesetzlich geregelt, und dennoch kaum bekannt. Patrizia Immobilien hat nun zum ersten Mal einer jungen Mutter die Chance auf eine Ausbildung in Teilzeit gegeben.

Sonja Smalian
21. Oktober 2010

Aus der Tageszeitung erfuhr die damals 23-Jährige Ariane Luigart von der Gesetzesänderung. Ausbildung sei seit 2005 auch in Teilzeit möglich. Das schien für die junge Frau mit den blonden Locken die richtige Lösung. Ihre kleine Tochter war inzwischen drei und Luigart fiel „die Decke auf den Kopf“. Es war Zeit für eine Weiterbildung. Nach dem Realschulabschluss hatte sie zunächst die Fachoberschule begonnen, um ihr Fachabitur zu machen, diese aber während der Schwangerschaft abgebrochen.

Mit der Möglichkeit auf eine Teilzeit-Ausbildung begann sie Berufsbilder zu studieren und die ersten Bewerbungen zu schreiben, jedoch ohne Erfolg. „Ich habe auch gezielt kleinere Betriebe angeschrieben, die sich vielleicht keine Vollzeit-Auszubildende leisten können“, erzählt Luigart. Als es nicht klappte, ging sie zur IHK Schwaben, um sich dort weiter zu informieren – und traf im Foyer auf Josefine Steiger.

Vermittlung über die IHK

Die Leiterin des Ausbildungs- und Vermittlungsservice kann sich noch gut an das erste Treffen mit der jungen Frau, ihrer Tochter und ihrer Mutter erinnern. Die Formalien waren schnell geklärt. Luigart schickte ihre Bewerbungsunterlagen zur IHK und absolvierte dort ein zweiwöchiges Praktikum. Dann griff Steiger zum Telefonhörer, rief bei Patrizia Immobilien an und fragte, ob die junge Mutter die Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation nicht auch in Teilzeit absolvieren könne. Das Unternehmen hatte bislang nur in Vollzeit ausgebildet, zeigte sich aber aufgeschlossen für den Vorschlag und wollte die Bewerberin kennenlernen. „Sie musste den normalen Auswahlprozess durchlaufen“, betont Kornelia Mayr, Referentin Personal und Ausbildung bei Patrizia Immobilien. Doch Ariane Luigart konnte im Vorstellungsgespräch überzeugen.

Seit 2002 bildet das 375 Mitarbeiter zählende Immobilienunternehmen aus. Auch sämtliche Teilzeitmodelle würden angeboten – wenn möglich, so Mayr. Die Teilzeitausbildung war dennoch ein Novum und musste erst vom Personalleiter und vom Vorstand genehmigt werden.

Obwohl es die gesetzliche Grundlage für diese Ausbildungsform bereits seit fünf Jahren gibt, ist das Instrument noch relativ unbekannt. „Ich habe sehr viel Aufklärungsarbeit bei den Unternehmen geleistet“, sagt Steiger. Falschen Vorstellungen wie „Dann dauert die Ausbildung ja sechs Jahre!“ ist auch Angelika Puhlmann, zuständig für berufliche Bildungsgänge und Lernverläufe/ Förderung zielgruppenbezogener Berufsbildung beim Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb), immer wieder begegnet. Das Bibb arbeitet bereits seit zwanzig Jahren an dem Thema (s. Kasten rechts).

Unternehmen würden Bewerber mit Kind scheuen und es als Handicap betrachten, so Steiger. Hinzu komme das Vorurteil, dass die Bewerber nur eine geringe Ausbildung mitbrächten. Dem kann sie aus den Erfahrungen in ihrem beruflichen Alltag nur widersprechen. Neben Müttern sei die Teilzeitausbildung auch für Kandidaten mit gesundheitlichen Einschränkungen, für Leistungsportler oder Bewerber, die Angehörige pflegen, eine interessante Möglichkeit. „Täglich werde ich zu dem Thema angerufen“, sagt Steiger. Doch es gebe längst nicht ausreichend Plätze. Um die Möglichkeit einer Teilzeit-Ausbildung weiter publik zu machen, spricht sie nicht nur regelmäßig mit Unternehmen, sondern arbeitet auch mit der Frauenbeauftragten der Stadt Augsburg, der Schwangerenberatung und den Berufsschulen zusammen.

Teilzeit-Ausbildung biete auch für die Unternehmen Vorteile, betont Steiger. Denn mitunter sei eine Kinderbetreuung am Wochenende oder in den Abendstunden leichter durch die Familie oder den Partner zu gewährleisten. So könnten die Azubis zu unbeliebteren Zeiten eingesetzt werden, das ist sicherlich für den Einzelhandel oder das Hotelgewerbe von Vorteil. Zudem müssten die Unternehmen nur anteilig die Ausbildungsvergütung zahlen. Überzeuge der Bewerber, dann sei das Unternehmen in der Regel auch für die Teilzeitausbildung zu gewinnen, hat Steiger beobachtet.

30-Stunden-Woche absolviert

Wie im Fall Luigart, die bei Patrizia eine 30-Stunden-Woche absolvierte und von 8 bis 14 Uhr im Betrieb war. „Mensch, ich würde auch gern mal um zwei gehen“, hat sie natürlich auch mal von den anderen Azubis gehört, doch auf die junge Frau wartete nicht die Freizeit, sondern die kleine Tochter. Von den Kollegen sei es durchweg sehr positiv aufgenommen worden, dass sie bereits ein Kind habe, erzählt Luigart. Die anderen Auszubildenden hätten sie bei den Projektarbeiten unterstützt. Wie alle anderen Azubis übernahm auch Luigart reguläre Urlaubsvertretungen im zweiten und dritten Lehrjahr. „Es hat keine Nachteile mit der Teilzeit-Ausbildung gegeben“, betont denn auch Mayr. Einen weiteren Interessenten für das Teilzeit-Modell gebe es jedoch derzeit nicht.

„Das Feedback der Unternehmen ist sehr positiv“, so Steiger. „Junge Frauen mit Kindern sind sehr belastbar, denn sie haben gelernt, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Steiger, und das sei auch für Unternehmen interessant. Dass darüber die Leistung nicht zu kurz kommen muss, hat Luigart ebenfalls bewiesen. Obwohl ihr Kind zwei Wochen vor den Abschlussprüfungen eine Kinderkrankheit mit nach Hause brachte, hat sie in ihrem Ausbildungsberuf an ihrer Berufsschule als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Die heute 26-Jährige wurde von Patrizia Immobilien denn auch übernommen und arbeitet in der Kommunikationsabteilung des Unternehmens – vorerst in Teilzeit. (sma)

Ausbildung in Teilzeit

Bereits seit 1990 wurden die ersten Forschungsprojekte zur Ausbildung in Teilzeit initiiert. 2005 mündeten die verschiedenen Studien und Projekte schließlich in eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes (§ 8 BBiG), das eine Berufsausbildung in Teilzeit unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht. Erläuterungen zu der Gesetzesänderung finden sich auch in der Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit/zur Teilzeitausbildung (www.bibb.de/de/49423.htm).

Je nach Bundesland gibt es u.U. verschiedene Fördermöglichkeiten für Unternehmen und Auszubildende, die eine Teilzeitausbildung durchführen/absolvieren. Hier sollte vor Beginn der Ausbildung der Kontakt zu den Kammern und Argen gesucht werden. So könnte eine Förderung durch den Ausbildungsbonus möglich sein, wenn z.B. ein „Altbewerber“ vermittelt wird.

Ein Informationsaustausch ist beim 22. bundesweiten Netzwerk-Treffen des Netzwerks Teilzeitberufsausbildung am 10. November 2010 von 10 bis 14.30 Uhr in Bonn möglich (Anmeldungen: Projekt ModUs – Projektbüro; Tel: 0228-9896-270; E-Mail: cjd.bonn.modus@cjd.de). Nähere Informationen über das Netzwerk finden sich unter http://ntba.reinit.net und zur Teilzeitausbildung unter www.jobstarter.de/de/1969.php.

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