Weil wir es euch wert sind
Der Fachkräftemangel kommt den Absolventen in der Immobilienwirtschaft nicht ungelegen. Sie versprechen sich Vorteile bei der Jobsuche und bei Gehaltsverhandlungen. Das spiegelt sich in ihren Wunschgehältern wider. Dafür sind sie aber auch bereit, sich reinzuknien.
Sie wissen, dass sie gebraucht werden – und das wollen sie sich bezahlen lassen. Kurz vor ihrem Studienabschluss ist bei den Nachwuchskräften von einer Krisenstimmung in der Immobilienwirtschaft nichts zu spüren. Gut drei Viertel der insgesamt 413 Studenten, die an der diesjährigen Arbeitsmarktumfrage der Immobilien Zeitung (IZ) teilgenommen haben und nach ihrem Abschluss 2023 oder 2024 vom Campus in die Berufswelt wechseln wollen, schätzen ihre Chance auf einen direkten Übergang als gut oder sehr gut ein. Der Fachkräftemangel steigert ihr Selbstbewusstsein und damit auch ihre Gehaltsforderungen für die ersten Arbeitsjahre, die im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind.
Ein Student, der an der Hochschule Biberach kurz vor dem Masterabschluss in Construction and Real Estate steht, sieht die Chancen seines Jahrgangs vor allem darin, dass wenig Konkurrenz mit Mitbewerbern beim Kampf um eine Stelle herrscht. Eine Kommilitonin von ihm geht noch einen Schritt weiter und sagt: „Man traut sich jetzt, sich bei Unternehmen oder für Positionen zu bewerben, die man sich sonst vielleicht nicht zugetraut hätte.“
Von hohen Zinsen, geplatzten Deals und Insolvenzen von Projektentwicklern lassen sich Studenten diese Gedanken nicht vermiesen. Sie gehen mit breiter Brust und hohen Ansprüchen in die Bewerbungen. „Es wird weiterhin stark nach Personal gesucht, Gehälter bleiben somit trotz Abschwung der Wirtschaft auf hohem Niveau“, ist sich Jonas Koser sicher. Der Student hat erste Bewerbungsgespräche hinter sich und sagt: „Gehalt steht verbunden mit dem Aufgabenbereich für mich an erster Stelle.“
Darüber, welche Summen branchenweit realistisch sind, informiert er sich wie viele andere Studenten über Jobportale im Internet. Aber auch in Netzwerken, auf Karrieremessen und bei den eigenen Dozenten machen sich die Berufseinsteiger über mögliche Gehaltsspannen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern schlau. „Zwar wird in der Immobilienbranche in der Regel bei allen Jobs so viel gezahlt, dass man seinen Lebensunterhalt auch in den sieben A-Standorten in Deutschland bewältigen kann. Dennoch möchte man für sich und sein Leben das Beste rausholen“, gibt Koser zu. Das sieht auch eine 20-Jährige so, die ihr duales Studium im Vermögensmanagement mit Studienrichtung Immobilienwirtschaft demnächst abschließt: „Aufgrund des Fachkräftemangels sehe ich eine Chance, dass man einen Job findet, bei dem die eigenen Wünsche größtenteils erfüllt sind“, kommentiert sie.
Trotz großem Optimismus war die Mehrheit der Studenten in den finalen Semestern zum Befragungszeitraum im Frühjahr noch auf der Suche nach einer ersten Festanstellung. Von 220 jungen Männern waren 154 noch nicht sicher unter, von 193 Frauen hatten 122 keinen Arbeitsvertrag in der Tasche. Die 36 Männer und 45 Frauen, die schon wussten, wo es nach dem Abschluss hingeht, hatten ihre Kontakte zu Arbeitgebern aus Praktika, von Werkstudentenstellen oder aus einer früheren Ausbildung genutzt und Vereinbarungen für eine Übernahme getroffen.
Die Gehaltswünsche steigen parallel zum Selbstbewusstsein
Das Gehalt muss aber stimmen. Für 82% der Teilnehmer bleibt das Geld einer der wichtigsten Punkte bei der Entscheidung für eine Stelle und somit für einen Arbeitgeber. Und die Forderungen der Studenten sind hoch. Fast 50.000 Euro brutto wollen die Absolventen im Durchschnitt in ihrem ersten Jahr in der Immobilienbranche verdienen. Unterschiede zwischen jungen Männern und jungen Frauen gibt es nicht allzu große: Ihre Wünsche liegen auf den Monat gerechnet nur etwas über 100 Euro auseinander.
Ausschlaggebend für die Selbstbewertung ist bei der Mehrheit ihr angestrebter Abschluss und die Hochschulform. Am meisten verlangen die Uni-Absolventen. Ihr durchschnittlicher Gehaltswunsch liegt bei 57.703 Euro für die ersten zwölf Monate. Über alle Ausbildungsstätten hinweg veranschlagen junge Männer mit Bachelorabschluss im Schnitt 53.571 Euro, ihre Kommilitoninnen 51.932 Euro. In den Masterstudiengängen rufen die Männer ein Wunschgehalt von 58.467 Euro auf, bei den Frauen liegt es bei 56.643 Euro (siehe Grafiken „Mit Master- und Universitätsabschluss steigen die Gehaltswünsche“).
Für die Arbeitgeber ist ein Mastertitel für die meisten Berufe innerhalb der Branche kein Einstellungskriterium. Doch sie unterscheiden zwischen den beiden Qualifikationen auf der Gehaltsebene – nicht zuletzt, um die Mühe des verlängerten Studiums nach dem Bachelor zu belohnen. Vorrangig assoziieren sie mit dem Masterabschluss aber umfangreicheres Fachwissen und mehr Praxiserfahrung durch Praktika.
Daher verdient ein Trainee mit Bachelorabschluss bei Commerz Real mit 4.600 Euro weniger als einer mit Master (5.000 Euro). „Hierbei handelt es sich um Fixgehälter“, betont Christiane Wolfram, Global Head of People & Culture. Feste Gehaltspakete statt Verhandlungen mit Einsteigern gibt es auch bei Swiss Life Asset Managers. „Im Trainee-Programm erhalten Bachelorabsolventen ein Jahresbruttogehalt von 48.000 Euro, Masterabsolventen in Höhe von 50.000 Euro“, erklärt Head of Human Resources Kristina Gukelberger. Bei BNP Paribas Real Estate spricht Philipp Benseler, der als Managing Director auch für das Personal zuständig ist, von Vergütungspaketen. Sie werden nach festen Kriterien wie Abschluss, Weiterbildungen und Praxiserfahrungen zugeordnet.
Dass es gerade bei Einstiegspositionen oft nur wenig Spielraum bei den Gehaltsverhandlungen gibt, erklärt Monika Ulmer den Nachwuchstalenten regelmäßig. Sie ist Inhaberin der Personalberatung Monika Ulmer Real Estate Recruitment und weiß, dass mit der Höhe der Gehaltsforderung die Anforderungen durch den Arbeitgeber wachsen und diese oft mit einem stärkeren zeitlichen Einsatz verbunden sind.
Diesen zu erbringen, dazu sind die Berufseinsteiger durchaus bereit. Und sie rechnen mit einer höheren Belastung aufgrund dünnerer Personaldecken. „Man muss flexibler sein für mehrere Einsatzmöglichkeiten“, denkt eine Studentin aus Aachen im Jahr vor ihrem Berufseinstieg. „Einerseits kann so der eigene Wert für potenzielle neue Arbeitgeber gesteigert werden, andererseits kann dadurch auch Überforderung entstehen“, meint sie. Andere rechnen damit, dass in schmal besetzten Abteilungen mehr Aufgaben an sie übertragen werden als sonst zum Berufsstart üblich. Sie schlussfolgern, dass sie nach wenigen Monaten, und somit schon in Einsteigerpositionen, ein hohes Maß an Verantwortung im Joballtag schultern müssen.
Der Nachwuchs ist bereit, sich reinzuhängen
Von ihrem Berufswunsch abbringen lassen sie sich davon aber nicht. Im Gegenteil: Die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten, ist für 80% der Befragten wichtig bis sehr wichtig bei der Jobwahl. Sie möchten von Anfang mit ihren erfahrenen Kollegen auf Augenhöhe arbeiten und Verantwortung übertragen bekommen. Flexible Arbeitszeiten und die Option auf Homeoffice sieht die Mehrheit als selbstverständlich an.
Zudem haben die meisten Nachwuchskräfte von Anfang an ihren weiteren Berufsweg im Auge. 88% der Studenten loten schon während des Bewerbungsprozesses Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten aus und beziehen sie in die finale Entscheidung mit ein.
So macht es auch Studentin Alice Eising, die wenige Monate vor ihrem Bachelor-Abschluss in Architektur steht. Ihr ist bewusst, dass gerade im ersten Job noch viel Luft nach oben auf der Karriereleiter ist. Bevor die 25-jährige Münchnerin einen eigenen Gehaltswunsch äußert, will sie von einem potenziellen Arbeitgeber wissen, welche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für sie bestehen. Ihre erste Lohnforderung würde sie herunterschrauben, wenn sie die Möglichkeit sieht, ihr Profil weiter zu schärfen und bei zukünftigen Gehaltsverhandlungen von zusätzlichen Qualifikationen zu profitieren. „Lieber ein niedrigeres Einstiegsgehalt, aber dafür gute und schnelle Aufstiegschancen“, lautet ihre Strategie.
Genau in diesem Sinne appelliert Personalexpertin Ulmer an die jungen Talente: „Verdient wird später“. Ein roter Faden im Werdegang und ausreichende Verweildauer bei einem Arbeitgeber zahlen sich laut ihr nach einigen Jahren zuverlässig aus.
Doch selbst wenn ein Unternehmen alle Wünsche erfüllt: Längst nicht jeder Berufseinsteiger will länger bleiben (vgl. Grafik „Der erste Job dient oft als Sprungbrett“). Ein volles Jahr planen zwar alle Studenten an ihrer ersten Anstellung festzuhalten, die meisten (38%) sogar mindestens zwei Jahre. Mindestens oder deutlich mehr als drei Jahre aber nicht mal jeder zweite (44%). Dass ein Arbeitsplatz als langfristig gesichert gesehen werden kann, war deshalb nur für 64% der Umfrageteilnehmer ein wichtiges bis sehr wichtiges Kriterium bei der Jobentscheidung.
Stattdessen sieht die Mehrheit die Einstiegszeit als Sprungbrett zur weiteren Karriere. Nach zwei bis drei Jahren wollen sie auch finanziell davon profitieren. Die Mehrheit wünscht sich von Anfang an jährliche Gehaltssteigerungen von bis zu 10%. Nach zwei bis drei Jahren liegen die geäußerten Wunschgehälter im Schnitt schon 20% bis 25% höher als zum Einstieg.