Studienprojekt: Die eigene Uni optimieren
An der Universität Kassel arbeiten Studenten der Fächer Regenerative Energien und Energieeffizienz, Architektur, Wirtschaft und Recht sowie Produkt-Design in interdisziplinären Teams zusammen und konzipieren Fotovoltaikanlagen sowie Pläne fürs Energiemonitoring. Auch die passenden Finanzierungsmodelle und Marketingideen für die Projekte stammen aus der Feder der Studenten. Ihr Studienobjekt: ihre eigene Universität. Der Lohn: ECTS-Kreditpunkte je nach Einsatz und viel Praxiserfahrung.
Problemorientiertes Arbeiten in interdisziplinären Teams ist es, was die Teilnehmer im Projektstudium Solarcampus des Masterstudiengangs Regenerative Energien und Energieeffizienz {re2} lernen. „Wir agieren wie ein Ingenieurbüro“, sagt Klaus Vajen, Professor und Leiter des Fachgebiets Solar- und Anlagentechnik am Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel. Die Studenten arbeiten an einem Praxisproblem und erarbeiten sich so völlig neue Gebiete. Dazu zählt auch das realistische Einschätzen der eigenen Leistungsfähigkeit und des Zeitbudgets und damit die Frage: „Was lässt sich in einem Semester erreichen?“ Diese Frage ist berechtigt, denn ihr Studienobjekt ist riesig: die eigene Universität.
Drei Fotovoltaik-Anlagen mit 66 kWp Gesamtleistung errichtet
Angefangen hatte alles mit einer Diplomarbeit im Sommersemester 2005, in der untersucht wurde, auf welchen Dächern der zahlreichen Campusgebäude Fotovoltaik-Anlagen angebracht werden könnten. Diese gab den Anstoß für die Einführung des Projektstudiums Solarcampus, und Vajen erarbeitete mit den je Semester ca. 30 teilnehmenden Studenten ein umfassendes Konzept. „Die technische Abteilung der Universität hat uns unterstützt“, erzählt Vajen, und „nach zwei Jahren war das Projekt umgesetzt.“ Finanziert wurden die drei Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 66 kWp durch ein Bürgerbeteiligungsmodell, mit dem mehr als 340.000 Euro eingenommen wurden. Das ist ein Novum für Deutschland. Bei diesem umfangreichen Projekt galt es, neben den technischen Problemen auch zahlreiche andere Fragen zu lösen: Von „Wie könnte ein Marketingkonzept aussehen?“ über „Wie müssen die Verträge aussehen und wem gehören die Anlagen?“ bis hin zu der Frage „Wie organisiere ich eigentlich eine Einweihungsparty, zu der auch Honoratioren wie Landtagsabgeordnete und der Bürgermeister kommen?“ Deswegen waren nicht nur Studenten des Studiengangs Regenerative Energien und Energieeffizienz daran beteiligt, sondern auch der Fächer Architektur, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften sowie Produkt-Design. „Die Studenten sehen, dass die Fragestellungen interdisziplinär sind und aus allen Bereichen Wissen gebraucht wird“, betont Vajen. Zudem lernten sie, mit den unterschiedlichen fachtypischen Herangehensweisen ihrer Kommilitonen umzugehen. Nach Abschluss des Projekts Fotovoltaik hat sich das Projektstudium Solarcampus nun dem Aufgabengebiet Energieeffizienz in der Universität zugewandt. Vajen leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Anton Maas, Professor am Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung, und drei wissenschaftlichen Mitarbeitern die neuen Projekte.
Durch Energieeinsparungen wird eine Doktorandenstelle finanziert
Ausgangspunkt war auch hier wieder eine Masterarbeit, die „vorgeschaltet“ wurde, zusammen mit weiteren Untersuchungen. Das Team kam zu dem Schluss, dass sich wirtschaftlich mindestens 10% des aktuellen Energieverbrauchs einsparen lassen. Auch die Universität wurde bei solchen Zahlen hellhörig, waren doch ihre Energiekosten zwischen 2002 und 2008 um rund 65% auf jährlich 5,3 Mio. Euro gestiegen. Und so erklärte sich die Hochschule bereit, eine der Doktorandenstellen zu finanzieren, vorausgesetzt diese Kosten werden durch Energieeinsparungen wieder herausgeholt.
Um Geld geht es auch in einem der neuen Projekte: Welche alternativen Finanzierungsmodelle für Energieeinsparmaßnahmen können neben dem Hochschulhaushalt entwickelt werden? In zwei bis drei Jahren hofft Vajen auf erste Ergebnisse, die auch auf andere Hochschulen übertragbar sein sollen. Zudem erstellen die Studenten Verbrauchs- und Bedarfsausweise für einzelne Gebäude und arbeiten an einem Energiemonitoring-Konzept, das die Basis für ein internes Anreizsystem zum Energiesparen bilden soll. Weiteres Projekt ist die Entwicklung eines alternativen Warmwasserbereitungssystems mit Hilfe von Solarthermie für die Mensa. Vajen ist guten Mutes, dass sie ihre Konzepte im Zuge des Umbaus auch umsetzen dürfen: „Das ist nicht für den Papierkorb.“ (sma)