Dem Professor wird Respekt gezollt
Forschung und Lehre sind innerhalb der Immobilienwirtschaft das Tätigkeitsfeld mit dem höchsten Ansehen. Das ist das Ergebnis der Umfrage IZ Trend zum Ansehen der Immobilienberufe. Für Prof. Nico Rottke von der EBS Universität für Wirtschaft & Recht in Wiesbaden ist das keine überraschende Erkenntnis: „Die Immobilienwirtschaft erreicht eine Marktreife, in der die Wissenschaft den Stellenwert hat wie in anderen Branchen auch.“
Zehn Semester Studium, fünf Jahre Promotion, fünf Jahre Habilitation, dazwischen immer wieder Forschungsaufträge, um sich finanziell über Wasser zu halten. Mit Mitte 40 hat sich der Kandidat habilitiert, darf sich Privatdozent nennen und für einen Hungerlohn Lehraufträge an einer Universität wahrnehmen. Ob sein Streben jemals außer mit Würden auch mit einem Amt, der Professur, belohnt wird, steht in den Sternen. Die Zeit des Wartens wird mit Hartz IV überbrückt. So sieht manche akademische Laufbahn in den Geisteswissenschaften aus.
Die Immobilienwirtschaft ist dagegen ein akademischer Garten Eden. Die Nachfrage nach qualifizierten Lehrkräften ist größer als das Angebot. Zählte die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung Anfang der 1990er Jahre zwei Immobilien-Studiengänge, sind es heute über 140. „Als ich 2004 als Professor angefangen habe, gab es praktisch keine fünf Stellen“, sagt Rottke. „Heute schreiben Hochschulen fast im Drei- Wochen-Rhythmus Professorenstellen aus.“
In der Branche genießt der Immobilienprofessor hohes Ansehen. Bei der Umfrage IZ-Trend zum Ansehen der Immobilienberufe landen Forschung und Lehre auf Platz eins (siehe Tabelle „Forschung ganz oben …“ auf Seite 9). Dass nur eine gute Hand voll der über 100 Immobilienprofessoren in Deutschland tatsächlich habilitiert ist, scheint da keine Rolle zu spielen. „Der normale Mensch unterscheidet nicht, ob ein Professor habilitiert ist oder nicht“, sagt Rottke (selbst habilitiert). Dazu kommt, dass der größte Teil der akademischen Ausbildung in der Immobilienwirtschaft durch erfahrene Praktiker mit Professorentitel an Fachhochschulen stattfindet. Eine Habilitation ist dort anders als an einer Universität nicht nötig.
Pfnür: „Meine Kollegen machen einen verdammt guten Job“
Die guten Bewertungen, die die rund 1.600 Teilnehmer von IZ Trend der immobilienwirtschaftlichen Hochschulausbildung geben, sind für Andreas Pfnür, Professor an der TU Darmstadt, ein Hinweis darauf, „dass meine Kollegen einen verdammt guten Job machen“. Das gute Abschneiden führt er aber auch darauf zurück, „dass die gesamte Immobilienbranche wie auch die Bauleute unter einem Innovationsstau leidet“. Diesen abzubauen, traue man wohl am ehesten den Hochschulen zu. „Das sind auch Vorschusslorbeeren“, so Pfnür.
Prof. Hanspeter Gondring von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart nimmt die Umfrage zum Anlass zurückzublicken. „Als ich anfing, war ich in der Fakultät noch der ,Maklerprof'“, erzählt er. Der Ruf der Kollegen vom Steuer- und Bankfach sei ungleich besser gewesen. „Das hat sich in den letzten 15 Jahren völlig gedreht.“ Er fühlt sich von den anderen Universitätsprofessoren akzeptiert und ernstgenommen. Dieses Gefühl hat auch sein Kollege Pfnür: „Wir gehören dazu. In den Hochschulen holt das Thema Immobilienwirtschaft auf.“
Gondring: „Als ich anfing, war ich der ,Maklerprof'“
Gondring zufolge sind die Zeiten für einen Immobilienfachmann mit Professorentitel allerdings auch denkbar gut. „Das Thema Immobilie ist stärker im ökonomischen Bewusstsein der Bevölkerung angekommen“, ist sein Eindruck. „Jeder hat irgendwie mit Immobilien zu tun. Wenn dann ein Professor kommt, der alles erklären kann, ist das doch toll.“ Fast täglich gehe er zu Interviews und spreche über Europa oder Immobilienblasen. „Vor fünf Jahren hat man da noch Volkswirtschaftler und Bankexperten gefragt.“
Rottke findet, die Wertschätzung, die in der Umfrage für seinen Stand zum Ausdruck kommt, belege, dass sich die Immobilienwirtschaft anderen Branchen angleiche. „Die Immobilienwirtschaft erreicht eine Marktreife, die die Wissenschaft in anderen Branchen auch hat.“ Außerdem habe die Wissenschaft in der Gesellschaft ohnehin ein hohes Ansehen. „Sie ist von der Aura des Erkenntnisgewinns umgeben, der allen zugute kommt. Forscher, so das Bild, tragen zur allgemeinen Wohlfahrt bei.“
Ganz anders nimmt Jürgen Erbach, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Holzminden, das Umfrageergebnis auf. „Toll, dass wir eine solche Wertschätzung genießen, aber schade, dass wir als Professoren bei der Entlohnung nur ein Drittel von dem erhalten, was vergleichbar Qualifizierte in der freien Wirtschaft bekommen.“ Erbach führt neben seiner Professur eine Firma für Projektentwicklungen. Das sei nötig, weil er von seinem Gehalt in Holzminden nicht leben könne, aber auch weil seine Studenten den Praxisbezug schätzten, ja geradezu einforderten. „Diesem Spagat muss man sich stellen.“ Die hohen Ansehenswerte von Forschung und Lehre hätten damit zu tun, dass man mit einem Professor Eigenschaften wie „Unabhängigkeit im Denken und Kreativität“ verbinde. Ob es damit immer so weit her sei, bezweifelt Erbach mit Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise allerdings. „Man kann auch sagen, wir haben in all unserer Unabhängigkeit versagt, weil wir nicht mahnend den Finger gehoben haben.“
Winfried Schwatlo, Professor an der HfWU Nürtingen-Geislingen, meint: „Werte sind wieder in, Raffgier ist out. Dieses Motto hat für mich die Immobilienwirtschaft erreicht. Das verbindet man vielleicht im Durchschnitt eher mit Immobilien-Professoren als mit Unternehmenschefs, obwohl es auch da Leuchttürme gibt.“ Seine Studenten beschreibt er so: „Unsere Young Professionals wollen mit viel Ehrgeiz besonders viel richtig machen. Wo früher die studentische Hauptfrage gegen Studiumsende war: ,Haben Sie Kontakte zu Firma A oder B, weil ich da gerne arbeiten möchte‘, ist nach meiner Erfahrung heute eher die Frage: ,Woran erkenne ich, dass das ein für mich guter Arbeitgeber ist?'“