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Kinder oder Karriere? Beides!

Seit 50 Jahren ist das Gleichberechtigungsgesetz in Deutschland in Kraft. Frauen haben ihren Aktionsraum Kinder, Küche und Kirche um die Karriere erweitert. Doch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie will auch nach einem halben Jahrhundert noch nicht so recht gelingen. Unternehmen, die sich dieses Themas annehmen und eine familienfreundlichere Personalpolitik etablieren wollen, werden seit zehn Jahren von berufundfamilie gGmbH, einer Gesellschaft der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, unterstützt.

IZ
10. Juli 2008

Lachen, schreien, quietschen – im Garten des Kinderhauses Fridolin, einer alten Villa in Potsdam, ist ordentlich was los. Auf den gewundenen Wegen jagen sich zwei Jungen mit dem Bobbycar, andere spielen auf dem Rasen fangen. Mit dabei auch der junge Nachwuchs von Mitarbeitern der DKB Immobilien. Nachdem mehrere Mitarbeiterinnen der DKB Immobilien schwanger waren, hatte sich das Unternehmen gezielt auf die Suche nach Angeboten bei der Kinderbetreuung gemacht – und in dem Kinderhaus Fridolin einen sehr flexiblen Partner gefunden. Dort werden Kinder von wenigen Monaten bis zur Einschulung in der Zeit von 6 bis 20 Uhr betreut, wenn es sein muss auch 24 Stunden lang, und das an 365 Tagen im Jahr. Im Notfall sind sogar Hausbesuche möglich. Zwölf Kinder von DKB Immobilien-Mitarbeitern nutzen dieses umfassende Angebot, für das sie keine Wartezeiten einkalkulieren müssen. Einen Teil der Betreuungskosten übernimmt zudem der Arbeitgeber. Für sein großes Engagement wurde DKB Immobilien jetzt beim bundesweiten Wettbewerb „Erfolgsfaktor Familie 2008“ mit dem Sonderpreis für betriebliche Kinderbetreuung ausgezeichnet.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht in der Sozialcharta

Mit einem Preis bei diesem Wettbewerb hatte es im Jahr 2005 begonnen. Als eines von zehn familienfreundlichen Unternehmen hatte die DKB ein kostenloses Audit von der Gesellschaft berufundfamilie (s. Kasten) gewonnen und danach konsequent und mit Begleitung eines Auditors neue Maßnahmen für eine familienbewusste Personalpolitik eingeleitet. „Wir sind eine junge Firma mit jungen Menschen und einem Frauenanteil von 50%“, sagt Wolfgang Schnurr, Mitglied im Vorstand bei der DKB Immobilien. „Uns stellte sich die Frage, wie wir unsere Mitarbeiter dauerhaft an uns binden können.“ Eine repräsentative Gruppe von Mitarbeitern mit „typischen Problemen“ hat in einem geschützten Raum die Arbeitsabläufe diskutiert und Ideen zur Verbesserung entwickelt. Teilzeitmodelle, Arbeiten von Zuhause aus und Gleitzeit von 6 bis 23 Uhr sind mittlerweile etabliert. Die Mitarbeiter müssten selbstständig für die Funktionsfähigkeit ihres Teams sorgen, sagt Sprecher Thomas Ehrich. „Unser großer Vorteil durch das Programm sind sehr flexible Arbeits- und dadurch auch Öffnungszeiten und eine verbesserte Mitarbeiterbindung“, sagt Schnurr und betont: „Es ist keine Frage des Geldes, wie ich Arbeitsplätze organisiere.“ Die Kernelemente der Personalpolitik zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat das Unternehmen auch in seine Sozialcharta aufgenommen. Nach drei Jahren Audit erhielt die Holdinggesellschaft im Frühjahr das Zertifikat berufundfamilie, und den Tochtergesellschaften, die ebenfalls von den Maßnahmen profitieren, wurde das Grundzertifikat verliehen.

Zu den positiven Folgen der Personalpolitik zählt u.a., dass sich die Rückkehrzeiten nach einer Schwangerschaft von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt haben. Auch die 27 Jahre alte Nadine Messerschmidt hat nach der Geburt ihres ersten Kindes nur ein Jahr ausgesetzt und arbeitet jetzt in Teilzeit. Ihre Tochter wird während dieser Zeit im Fridolin betreut, der nur wenige Straßen vom DKB-Hauptsitz entfernt liegt. Dieses Betreuungsangebot „hat es mir erst möglich gemacht wiederzukommen“, sagt sie. Jetzt arbeitet die Betriebswirtin wieder in ihrem alten Team im Bereich Servicing.

„Ich finde es entscheidend, aus den klassischen Denkmustern auszubrechen und sich mit den Arbeitnehmern zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, wie man Arbeitsplätze gestalten kann“, so Schnurr. „Dann kommt man häufig auf neue Ideen.“ Diese familienfreundlichere Einstellung im Unternehmen hat auch Olaf Knebel dazu bewogen, im Jahr 2005 ein Jahr Elternzeit (nach der alten Regelung) zu nehmen und pro Woche einen Tag zu Hause bei seinem Kind zu bleiben. Ein Kollege sei Vorreiter gewesen, das habe es leichter gemacht, sagt Knebel. Der Controller im Bereich Konzernentwicklung konnte sein Arbeitspensum während dieser Zeit auf 30 Stunden/Woche senken. Es sei ihm wichtig gewesen, gerade in den ersten Lebensjahren mehr Zeit mit seinem Kind verbringen zu können.

Durch die neue Politik werde im Kollegenkreis offener über Privates geredet, und das Betriebsklima sei besser, so Schnurr. Das spiegele sich auch in der geringen Fluktuation und dem niedrigen Krankenstand wider. Doch das Unternehmen wird hier noch nicht aufhören, sondern plant schon weiter. Bei der Preisverleihung fand Schnurr Inspiration für neue Projekte, z.B. Ausbildungsplätze als Tandem anzubieten, d.h. zwei Auszubildende, etwa junge Mütter, teilen sich einen Ausbildungsplatz. „Das finde ich klasse, weil es den Leuten hilft und junge Menschen ins Boot holt“, sagt Schnurr. Weitere zukünftige Aufgaben sind, das Angebot an Praktikums- und Ausbildungsplätzen, auch für die Kinder von Mitarbeitern, weiter auszubauen und Angebote für Mitarbeiter zu machen, die pflegebedürftige Angehörige versorgen. In der Siedlung Bestensee mit 1.200 Wohneinheiten wurde jetzt ein Pilotprojekt ins Leben gerufen und ein Haus mit 24 Einheiten altengerecht und barrierefrei eingerichtet. DKB Immobilien- Mitarbeiter erhalten dort Belegungskapazitäten für ihre Angehörigen. Weitere Projekte im Bereich Pflege sind geplant

Auch die Mainzer Aareon hat das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf ihre Agenda gesetzt. „Das Programm der Hertie- Stiftung haben wir schon seit einigen Jahren verfolgt und uns dann im letzten Jahr zu einer Teilnahme entschlossen“, sagt Nicole Herbertz, Mitarbeiterin in der Personalentwicklung und Leiterin des Projekts Beruf und Familie bei Aareon. Hintergrund war, für die eigenen und für zukünftige Mitarbeiter attraktiver zu sein, so Herbertz. In einem Strategieworkshop hat ein Mitarbeiterteam festgelegt, was für das Unternehmen Familie eigentlich bedeutet, welche Maßnahmen es schon gibt, welche geplant werden sollten – und für wen. Am 1. Juli erhielt Aareon das Grundzertifikat von berufundfamilie – der Startschuss für die Arbeit in der zwölf Personen umfassenden Projektgruppe, die sich jetzt an die Ziel-Umsetzung für die ca. 1.000 Mitarbeiter an zwölf Standorten macht.

Ein wichtiges Thema sind die flexiblen Arbeitszeiten. Einige Mitarbeiter können schon jetzt ihre Arbeitszeiten eigenständig in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Montag bis Samstag einteilen. Dabei müssen jedoch bestimmte Servicezeiten berücksichtigt werden. Ziel sei es, dies künftig allen Mitarbeitern anzubieten.

Im Neubau ist ein Elternzimmer eingeplant

Ein weiteres Thema ist, wie Mitarbeiter, die plötzlich einen Angehörigen pflegen müssen, freigestellt werden oder in Teilzeit arbeiten können. Ein drittes wichtiges Aufgabengebiet ist das Handlungsfeld „Service für Familien“. Betreuungskonzepte für Kinder will die Projektgruppe erarbeiten und einen Familientag, quasi einen besonderen Tag der offenen Tür, für alle Standorte planen. In dem neuen Aareon-Bau in Mainz ist z.B. ein so genanntes Elternzimmer vorgesehen. Wird die Tagesmutter krank, können die Mitarbeiter ihre Kinder mit ins Büro nehmen.

„Für mich ist das Umdenken wichtig, dass es im Unternehmen akzeptiert ist, dass man im Beruf bleiben, sich aber auch um die Familie kümmern will“, betont Herbertz, die selbst zwei Kinder hat und in Teilzeit auch von zuhause aus arbeitet. Das Thema Beruf und Familie müsse akzeptiert und eine entsprechende Kultur entwickelt werden, so Herbertz. Deswegen will sie alle Mitarbeiter in ein Boot holen und nicht nur die, die selbst gerade Kinder haben. Wichtig sei es auch, die Rückkoppelung zu suchen: „Wie kommen die Sachen an, die wir umsetzen?“ Über die Initiative berufundfamilie hält sie Kontakt zu anderen Unternehmen, kann sich austauschen und bekommt weitere Anregungen. Doch zunächst gehe es auch darum, die Botschaft weiterzutragen: „Wir machen was draus – das ist der wichtigste Appell an die Mitarbeiter“, sagt Herbertz. Und am Ende des Jahres werde dann geschaut, was erreicht worden ist. (sma)

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