Kind, geh wenigstens zum Zirkus
„Kind, sei doch vernünftig. Und geh wenigstens zum Zirkus.“ Dieser Galgenhumor, mit dem die Architektenschaft nicht selten über ihre Berufsaussichten spricht, ist derzeit nicht angebracht. Die Auftragsbücher werden voller.
Deutschlands Architekten schauen frohgemut in die Zukunft. „Der konjunkturelle Aufschwung im Jahr 2010 bietet eine gute Basis für das Geschäftsklima bei Architekten und Planern“, sagte der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Sigurd Trommer, zu Jahresbeginn in Berlin. Der Ifo-Konjunkturtest für Architekten und Ingenieure ergab im Dezember, dass der Klimaindikator auf 27 Prozentpunkte stieg. „Das ist höchst erfreulich“, erklärt Christian Kaiser, Leiter der Marktforschung Heinze im niedersächsischen Celle.
Modernisierung verdient das Geld
Modernisierung, Umbau, Reparatur und Sanierung bestehender Häuser wird für die Architekten kommender Jahre nicht nur die Butter, sondern auch die Wurst aufs Brot bedeuten. „Das liegt am demografischen Faktor“, erläutert Kaiser, „die Jungen werden weniger. Und Menschen zwischen 50 und 60 Jahren bauen nun einmal selten neu, sondern modeln das bestehende Heim höchstens noch um.“ Lokomotive dieses Segments seien auch die finanziellen Anreize der energetischen Sanierung, beispielsweise durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, fügt der 53-Jährige hinzu.
Auch der Wohnungsneubau wird den Architekten im kommenden Jahr Freude bereiten. Die Zahl der Baugenehmigungen steigt ( siehe Grafik). Allerdings sei das Glück nicht von langer Dauer, wiegt Kaiser den Kopf. „Ein Teil der positiven Zahlen resultiert aus Vorzieheffekten. Die Zinsen sind gerade so niedrig. Das kann ja so nicht bleiben, denken manche Bauherren und legen los.“
Mittelfristig jedoch gingen die Baugenehmigungen für neue Wohnungen zurück. Den ersten Knick sieht Kaiser mit -2% im Jahr 2012. „Die positive Entwicklung im Wohnungsneubau sehen wir nur als Zwischenhoch.“
Keine Zeit für Wohnungen
2010 machte die Modernisierung von Wohnungen über die Hälfte des Bauvolumens aus, bei den vorgeschalteten Planungsleistungen waren es dagegen nur knapp ein Viertel. Vielleicht hatte die Architektengilde für Eigenheime und Co. im vergangenen Jahr einfach nicht allzu viel Zeit. Ein gutes Drittel ihrer Planungsleistungen erbrachte sie für die Sanierung von Nicht-Wohnungsbauten – den Konjunkturpaketen sei Dank. Mit ihrer Hilfe werden Kindergärten, Schulen und Sportstätten auf Vordermann gebracht.
Auf die tatsächlichen Bauleistungen schlug sich der warme Regen aus den öffentlichen Kassen aber noch nicht nieder. „Das kommt jetzt. In diesem Jahr“, sagt Rechenfuchs Kaiser. Danach ist jedoch erst einmal Sense, glaubt der Fachmann. „Die Sanierungen im Nichtwohnungsbau werden mittelfristig eher stagnieren, es sei denn, neue Konjunkturpakete werden ins Leben gerufen.“
Besser sieht es beim Neubau von Gewerbeimmobilien aus. „Der Nichtwohnungsbau wird sich auf ein deutlich höheres Niveau steigern“, freut sich Kaiser für die Architektenschaft. Noch bis 2014, prognostiziert der Fachmann, wird die Zahl der Baugenehmigungen steigen. Zu verdanken sei das dem wirtschaftlichen Aufschwung.
Den derzeit rund 44.000 deutschen Architekturstudenten, deren Ausbildung, fordert Trommer, massiv verbessert und auf fünf Jahre verlängert werden muss, mögen die guten Aussichten wie Musik in den Ohren klingen. Oder auch nicht.
Fest steht nämlich: All die Professoren, die ihre Studenten gleich im ersten Semester desillusionieren („Den einzigen Schein, den Sie wirklich brauchen, ist der Taxischein.“) haben Unrecht. Wer als Architekt nicht Häuser malt (oder Fliesenspiegel), sondern anderswo (nicht selten in der Immobilienbranche) unterkommt, verdient oft mehr als einer, der auf herkömmliche Art und Weise seine Brötchen verdient. Während nur ein Viertel derjenigen, die als klassische Architekten arbeiten, mehr als 2.600 Euro im Monat netto verdienen, sind es von denen, die anderwo untergekommen sind, über ein Drittel. „Taxifahrer werden das in der Mehrheit wohl nicht sein“, überlegt Thomas Welter, Wirtschaftsreferent der Kammer. (gg)