Katja statt Kalle: Auch Frauen können Bau
Arbeiterinnen am Bau sind noch immer eine Ausnahme. Angesichts des Fachkräftemangels rücken sie nun stärker ins Visier der Baufirmen. Um mehr Frauen für handwerkliche Berufe zu begeistern, müssen die Unternehmen aber noch einige Aufklärungsarbeit leisten.
Es ist dringend nötig, Frauen von der Arbeit auf dem Bau zu überzeugen“, erklärt Thomas M. Reimann. Er selbst hat als CEO des Bad Vilbeler Bauunternehmens Alea Hoch- und Industriebau täglich mit Handwerkern zu tun. Auch die Personalakquise gehört zu seinem Alltagsgeschäft. Frauen gebe es selten unter den Bewerbern um Stellen zum Maurer oder ähnlichem – leider. Daher appelliert Reimann: „Unternehmen müssen frühzeitig damit beginnen, das Interesse an einer Ausbildung im Bauwesen zu wecken, um so langfristig für mehr Frauen in unserer Branche zu sorgen.“
Auch im Jahr 2020 ist das Baugewerbe noch als eine männerdominierte Branche bekannt. Während dort die Zahl der Frauen mit einem akademischen Abschluss in den vergangenen Jahren kontinuierlich steigt, ist sie im Handwerk weiterhin sehr gering. Beim Tief- und Hochbau und der Zimmerei stagniert sie nach wie vor bei 1% bis 3%. Der Anteil der Dachdeckerinnen lag entsprechend den Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks mit 149 Frauen bei insgesamt 7.395 Auszubildenden ebenfalls nur bei 2%.
Um von den Stärken weiblicher Arbeitskräfte profitieren zu können, ist noch einige Vorarbeit zu leisten. Alea-Chef Reimann sieht Unternehmen in der Pflicht, die Baubranche als attraktiveren Arbeitgeber darzustellen – gerade für Frauen. Die Arbeit am Bau wird immer noch hauptsächlich mit schmutziger Kleidung, einem rauen Umgangston und flotten Sprüchen verbunden. Stereotype und Klischees sind stark verbreitet. „Das Image von der Arbeit auf dem Bau ist oftmals schlechter, als sie in der Realität wirklich ist“, sagt aber eine, die es wissen muss: Karina Haberkamp, Bauleiterin bei Kamü Bau, verbringt einen Großteil ihrer Arbeitszeit auf der Baustelle und bekommt deshalb den Alltag der Arbeiter hautnah mit.
Physische Kraft wird zunehmend unwichtiger
Doch die Liste der Vorurteile ist lang. Der Bau sei harte Arbeit für harte Jungs, meinen z.B. manche. Alea-CEO Reimann hält dagegen: „Junge Frauen müssen wissen, dass sie Männern keinesfalls unterlegen sind. Durch die zunehmende Mechanisierung und Digitalisierung in der Bauwirtschaft unterstützen moderne Maschinen oftmals die körperlich schweren Arbeiten erheblich.“ Hydraulische oder elektrisch bedienbare Arbeitsgeräte, moderne Stapler, Hubwagen und weitere Gerätschaften können die körperliche Arbeit erleichtern. Damit ist die physische Kraft des Einzelnen nach wie vor nicht irrelevant, spielt jedoch eine untergeordnetere Rolle. Das bestätigt Katja Wiesenmüller, Zimmerin bei Warnke Holzbau:. „Frauen sind auf dem Bau bei der täglichen Arbeit genauso flexibel wie Männer und stehen ihnen in nichts nach. Das müssen nur viel mehr Frauen und Unternehmen begreifen“, betont sie.
Die Arbeit am Bau ist also durchaus nicht immer nur schmutzig und körperlich anstrengend. „Aber immer mies bezahlt“, mag es am Stammtisch heißen. Nix da, würde Holger Römer, Leiter Unternehmenskommunikation der Zech Group, erwidern. „Es ist wichtig, die erstklassigen Jobperspektiven hervorzuheben. Arbeitnehmer können sich in unserer Branche hervorragend entwickeln. Doch die Menschen denken bei der Arbeit am Bau direkt an Baustellen, Schmutz, Gruben und Dreck. Nicht an die Möglichkeiten und Chancen.“ Ein Blick in die Gehaltstabelle der IHK Frankfurt zeigt: Zimmerer, Maurer oder Dachdecker mit Meistertitel verdienen beispielsweise im Durchschnitt über 40.000 Euro im Jahr – mit Luft nach oben.
Vorurteile im Dialog entkräften zu können ist das eine. Die Vorzüge in die breite Öffentlichkeit zu tragen etwas anderes. Das Handwerk hat viele kreative Aspekte, Teamarbeit spielt eine große Rolle und es wird an der frischen Luft gearbeitet. Wer den Ertrag seiner Arbeit direkt sehen möchte, ist in der Baubranche richtig aufgehoben. Faktoren, die es zukünftig besser zu kommunizieren gilt. „Eine bessere Aufklärungsarbeit ist unausweichlich, um mehr Frauen vom Baugewerbe zu überzeugen“, meint Zimmerin Wiesenmüller. Dazu gehöre auch, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu thematisieren. „Gerade in größeren Betrieben bieten Betriebskindergärten eine gute Möglichkeit, potenzielle Arbeitnehmerinnen zu überzeugen“, ist sie sich sicher.
Frauen sollten nach Reimanns Meinung zudem in die Kommunikationsmaßnahmen integriert werden. Sie könnten auf Ausbildungsflyern, Plakaten oder in YouTube-Kanälen mit abgebildet werden, um weibliche Interessierte gleichermaßen anzusprechen. Thomas Reimann selbst adressiert im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Initiative Zukunft Fachkraft in Videos gezielt junge Frauen, indem er beispielsweise Praktikantinnen zu Wort kommen lässt. Zudem informiert er durch seine Partner wie zum Beispiel die IHK oder die IG Bau über die Möglichkeiten auf dem Bau, die sich speziell auch für Frauen bieten.
Weitere Ansätze sind laut Reimann Besichtigungen von Baustellen für Kindergartenkinder oder Schüler. Gleichermaßen können Aktionstage wie der Girls‘ Day dazu genutzt werden, Mädchen Einblicke in männerdominierte Berufe zu ermöglichen.
Abschlussklassen kann die Arbeit in Form von Praxistagen nähergebracht werden, an denen die Tätigkeiten auf der Baustelle gezeigt werden und die Schülerinnen und Schüler vor Ort direkt mit anpacken können. Das Bauunternehmen Alea Hoch- und Industriebau veranstaltete innerhalb von drei Monaten gleich fünf Praxistage und weitere sind fest in Planung. Auf diese Weise konnten bereits mehrere weibliche Interessierte für eine Ausbildung im kommenden Jahr gefunden werden.
Neben den Kooperationen mit Schulen und Kindergärten ist zudem auch die Präsenz auf Ausbildungsmessen notwendig, bestätigt Wiesenmüller. Sie selbst entschied sich unter anderem wegen der Erfahrungen bei einem Praktikum auf dem Bau für eine Ausbildung im handwerklichen Bereich. „Ich komme aus einer Handwerkerfamilie und habe im Rahmen eines Vorpraktikums für ein Studium auf dem Bau gearbeitet. Im Endeffekt habe ich die Arbeit so geliebt, dass ich mich doch für eine Ausbildung entschieden habe. Ich hätte mir gewünscht, auf Messen oder in der Schule bereits im Vorfeld viel mehr über Berufe dieser Art zu erfahren“, erzählt die Zimmerin. Sie hofft deshalb, dass künftig nicht mehr das Geschlecht das Auswahlkriterium für einen Job am Bau ist, „sondern das Interesse und das Talent“.
Die Autorin: Nadine Kuhnigk ist Journalistin in Wiesbaden.