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Joblinge hilft Perspektiven schaffen

Jugendliche ohne Schulabschluss oder maximal mit einem Hauptschulabschluss. Abiturienten, die nicht wissen, wie es jetzt weitergehen soll. Studienabbrecher oder Flüchtlinge: Die Gründe, weshalb junge Menschen bei der Initiative Joblinge landen, sind vielfältig. Eines haben sie alle gemeinsam: Ohne fremde Hilfe würden sie die Kurve in die Berufswelt kaum unfallfrei kriegen – oder vielleicht gar nicht.

Harald Thomeczek
20. Februar 2020
Quelle: Wisag, Urheber Alexander Heimann, Vollformat Fotografie

Kashif Jamal Malik studierte Bioverfahrenstechnik. Schnell merkte er: Das ist nicht mein Ding, und jobbte viel, als Kellner oder Taxifahrer. „Um Geld zu verdienen, war das in Ordnung, aber nicht fürs Leben“, sagt der Mitzwanziger. Nach drei Jahren kam Malik der Gedanke: Wenn das mit dem Studium doch nichts für mich ist, probiere ich es mit einer Ausbildung. Auf seine Bewerbungen hagelte es jedoch Absagen: „Ich habe nie die Möglichkeit bekommen, mich irgendwo persönlich vorzustellen und meine Stärken zu zeigen.“ Freunde rieten Malik: Wenn es alleine nicht klappt, dann versuch‘ es doch mit den Joblingen. Die haben ein besseres Netzwerk und können dir helfen.

Unternehmen und Jugendliche finden in Deutschland immer häufiger nicht zueinander, wie der „Ländermonitor berufliche Bildung“ der Abteilung Wirtschaftspädagogik der Universität Göttingen und des Soziologischen Forschungsinstituts in Göttingen vom vergangenen Herbst zeigt. Nicht weniger als 79.000 Jugendliche suchten 2018 erfolglos eine Lehrstelle. Gleichzeitig konnten die Betriebe 58.000 Ausbildungsplätze nicht besetzen – mehr als dreimal so viele wie im Jahr 2009.

Malik absolvierte das sechsmonatige Joblinge-Programm. Die Chance, seine Stärken zu zeigen, bekam er beim Praktikum im Frankfurter FM-Konzern Wisag, das ihm die Initiative vermittelte. „Die Joblinge legen für ihre Praktikanten ihre Hand ins Feuer.“ Von seinen Qualitäten überzeugen musste Malik seinen Praktikumsgeber selbst – und das ist ihm offenbar gelungen: Seit vergangenem August durchläuft er eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement im Trainingszentrum von Wisag Sicherheit & Service.

Geleitet wird das Trainingszentrum von Isabelle Dichmann. Die 27-Jährige ist trotz ihrer jungen Jahre selbst als Mentorin für Joblinge tätig. Vier Mentees mit sehr unterschiedlichen Vorgeschichten hat Dichmann schon unter ihre Fittiche genommen. „Einer kam z.B. mit einem Hauptschulabschluss zu den Joblingen, hatte aber einen Berufswunsch, der sich damit nicht realisieren lässt. Wir mussten an seiner Erwartungshaltung arbeiten. Bei einer anderen Mentee ging es eher um private Dinge. Sie hatte sich während des Programms entschlossen, Kopftuch zu tragen. Darauf reagieren viele Unternehmen nicht sehr positiv. Die Frage war: Bist du bereit, diese Entscheidung weiterzutragen?“

Die Wisag macht schon seit 2011 bei der Initiative mit. Nicht ganz uneigennützig: „Durch die Joblinge wollen wir vor allem unsere Ausbildungsplätze besetzen. Wenn ein Jobling seine Ausbildung erfolgreich beendet hat, motiviert ist und ins Team passt – und wir auf der anderen Seite eine passende Stelle zu besetzen haben -, dann streben wir natürlich eine Übernahme an“, sagt Ralf Hempel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Wisag Facility Service Holding und Aufsichtsrat der Joblinge-Dependance in Frankfurt/Rhein-Main. In Zahlen ausgedrückt: 66 Joblinge haben nach einem Praktikum eine Ausbildung im Unternehmen gemacht, 19 eine Anstellung bei der Wisag gefunden.

Dichmann gefiel die Idee sofort, nicht von ungefähr: In ihrer Familie war sie die Erste, die Abitur gemacht und studiert hat. Inzwischen hat Wisag das Mentoring zur Voraussetzung für die Teilnahme an einem Entwicklungsprogramm für Führungskräfte gemacht.

Auch Yara von Böhlen, Marketing Managerin bei BNP Paribas Real Estate (BNPPRE), führt ein persönliches Motiv für ihr Engagement als Mentorin an: „Ich wusste nach der Schule selbst nicht, welchen Berufsweg ich einschlagen soll, und habe meine erste Ausbildung abgebrochen.“ Sie wisse daher, wie es ist, wenn man sich erst Orientierung verschaffen muss und der Start ins Berufsleben holprig verläuft.

Von Böhlens Mentee Anastasia, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte nach dem Abitur viele Ideen für ihre Zukunft – zu viele. In den Gesprächen mit ihrer Mentorin wurde ihr klar, „dass sie gerne etwas mit Menschen im Mittelpunkt machen möchte, gerne auch mit einem psychologischen Hintergrund“. Besonders spannend erschien der Abiturientin die Tätigkeit in einer Personalabteilung, vor allem die Personalentwicklung hatte es ihr angetan. Ein Praktikum in der Frankfurter Human-Resources-Abteilung von BNPPRE bestärkte sie in diesem Wunsch. „Deshalb bewirbt sie sich jetzt um einen Studienplatz mit HR-Schwerpunkt“, so von Böhlen.

Seit 2016 hilft Joblinge auch jungen Geflüchtete mit Arbeitserlaubnis dabei, sich selbst zu helfen. So lud Aareon, eine Tochter der Aareal Bank, eine Gruppe Flüchtlinge zu einer Projektwoche nach Mainz ein. Die jungen Leute schraubten einen Rechner zusammen, entwickelten mit Hilfe von Aareon-Azubis ein Software-Programm und übten sich in Selbstpräsentation.

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