"Ich bin nicht gegangen, weil ich unglücklich war"
Jobwechsel. Eigentlich wollte Andre Schmöller nach seiner Zeit als Finanzvorstand bei Domicil Real Estate für die ABG Real Estate Group den Wohnbereich aufbauen. Doch ein verlockendes Jobangebot ließ ihn seine Pläne nach wenigen Monaten umwerfen: Er ist in ein Start-up eingestiegen, das Mehrgenerationen-WGs initiiert. Dadurch haben sich sein Joballtag und der Blick auf die eigene Arbeit verändert.
Immobilien Zeitung: Herr Schmöller, Sie sind seit ziemlich genau 30 Jahren in der Immobilienwirtschaft tätig. Welche Beziehung haben Sie zu dieser Branche?
Andre Schmöller: Ich finde sie immer noch spannend. Ich habe in der Zeit viel erlebt und es gab immer etwas zu erzählen. Wenn ich durch eine fremde Stadt laufe, dann schaue ich mir nicht irgendwelche Sehenswürdigkeiten an, sondern Häuser und Hinterhöfe. Ich finde Wohnen und Stadtsoziologie nämlich einfach spannend. In den letzten Jahren, so zwischen 2015 und 2022, habe ich wie alle in der Branche davon profitiert, dass es einfach war, viel Geld zu verdienen und Erfolge zu feiern.
IZ: Etwa zum Ende dieser Zeit kam Ihr Ausstieg bei Domicil, wo Sie bis 2023 im Vorstand waren.
Schmöller: Ja, das war etwa die Zeit dieses Umbruchs. Außerdem ging ich auf die 50 zu. Da kam in mir die Überlegung auf, etwas Neues anzupacken. Ich wollte beim Immobilienthema bleiben, aber nicht von einer Transaktion oder Investition in die nächste gehen, sondern etwas Langfristiges schaffen. Bei einem Bauunternehmen wollte ich neue Strukturen aufbauen und über einen Kontakt bin ich dann zur ABG gekommen. Dort war es der Plan, dass ich den Bereich Wohnen aufbaue, von null an. Und das hat mir sehr viel Spaß gemacht.
IZ: Warum dann der Wechsel zu inGemeinschaft nach nur neun Monaten?
Schmöller: Als ich von inGemeinschaft gelesen habe, war mir klar, dass dieses Start-up mir alles bietet, wonach ich gesucht hatte. Ich war begeistert, sowohl von der sozialen Idee hinter dem Konzept als auch von den beiden Gründern, die ganz andere Fähigkeiten hatten als ich.
IZ: Und das wirkt sich nun auf Ihre Aufgabenverteilung aus?
Schmöller: Ja, genau. Anne Hufnagel kommt ursprünglich aus dem Medienbereich und übernimmt bei uns im Team den Ausbau des B2C-Geschäfts, das Marketing und die Kommunikation. Philipp Bögner, der vor der Gründung von inGemeinschaft für ein Tochterunternehmen von Uber gearbeitet hat, ist für alle Tech-Themen, Operations und internen Prozesse zuständig. Und ich bin der Zahlenmensch. Bei mir liegen die Finanzen, Governance und die Bereiche B2B und Legal.
Veränderter Umgang mit Finanzen
IZ: Wie hat sich Ihr Alltag verändert, als Sie von einem großen Unternehmen in ein Start-up gewechselt sind?
Schmöller: Es ist keine Frage, dass mein Traum auch in der Familie abgesprochen werden musste. Ich habe dafür ein hohes Gehalt aufgegeben. Das bedeutet einen neuen Umgang mit Geld, sowohl privat als auch im Unternehmen. Denn in einem Start-up muss jede Investition genau überlegt sein.
IZ: Wie unterscheidet sich Ihr CEO-Titel in einem noch so jungen Unternehmen denn von Ihren früheren Managementpositionen?
Schmöller: Alle Arbeitsmethoden sind anders, als ich sie kenne – vor allem mit Blick auf Geschwindigkeiten. Wir nutzen viele Tools, die ich zuvor nicht einmal kannte, um viele Arbeitsschritte automatisch und schnell zu machen. Wir haben klare Wochen- und Monatsziele, aber viele langfristig entstandene Prozesse, etwa in Bezug auf Einarbeitungen oder Ähnliches, gibt es noch nicht. Zudem mache ich nun Dinge, die zuvor jahrelang andere für mich übernommen haben. Dazu zählt der Papierkram, aber auch, dass ich als CEO nach Feierabend mal Flyer in Briefkästen werfe. Wir haben häufige Meetings und Treffen, das Thema Feedback hat einen hohen Stellenwert für mich bekommen und ich selbst achte stärker auf meine Ziele und Kennzahlen.
IZ: Wie wirkt sich die Start-up-Atmosphäre auf den Umgang mit Mitarbeitern aus?
Schmöller: Wir sind ein kleines Team von acht Leuten. Dadurch hat man einen engen Kontakt zu jedem. Ich weiß viel über das Studium und auch die Familie von den Mitarbeitern. Das hat man in einem Konzern in dieser Intensität nicht. Es führt dazu, dass man mehr auf die Mitarbeiter als auf sein eigenes Gehalt schaut, um ihnen im Job Sicherheit zu bieten.
IZ: Am Ende des Tages gilt es immer, einen Businessplan einzuhalten – gerade in einem Start-up. Wie hat sich Ihr Führungsstil verändert?
Schmöller: Ich würde sagen, das Wort „konsequent“ trifft es gut. Wenn ein Thema gelöst werden muss, dann muss es schnell gehen. Man kann sich nicht hinter einer Prozessordnung oder einem eingespielten Arbeitsablauf verstecken, sondern muss Dinge direkt angehen. Dazu gehört auch, Aufgaben schnell und klar zu verteilen und mit Nachdruck auf die sofortige Durchführung zu pochen.
IZ: Und welche Auswirkungen hat der neue Job nach Feierabend auf Ihr Privatleben?
Schmöller: Der positive Teil ist, dass ich in meiner Zeitaufteilung flexibler bin. In meinem vorherigen Job hatte ich viele Termine, die klar vorgaben, wann ich arbeiten und anwesend sein muss. Mein Workload ist nicht kleiner geworden, doch ich kann meine Aufgaben besser aufteilen. Für die Familie ist das gut, weil ich nun auch mal die Möglichkeit habe, meine beiden Söhne zur Kita zu bringen – auch wenn das bedeutet, dass ich dafür dann vielleicht am Wochenende noch mal ran muss.
Austausch mit Start-ups aus anderen Branchen
IZ: Welche Inspiration brauchen Sie sonst noch für das Geschäftsmodell von inGemeinschaft?
Schmöller: Das Geschäftsmodell verknüpft Generationen miteinander. Also muss ich auch alle Generationen kennen. Es hilft mir, dass in unserem Team überwiegend junge Menschen arbeiten. Und ich schätze noch eine ganz andere Sache an der Start-up-Welt: Wir sitzen in einem Coworkingspace. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen statt und ich komme mit Gründern aus ganz unterschiedlichen Bereichen in Kontakt. Das gibt vielseitigen Input, denn gerade, weil man nicht aus einer Branche ist und nicht in Konkurrenz zueinandersteht, will man sich gegenseitig inspirieren.
IZ: Welchen Rat geben Sie denjenigen, die auch mit dem Gedanken spielen, in ihrer Karriere eine große Veränderung einzugehen oder noch einmal neu anzufangen?
Schmöller: Als Spießer und Finanztyp, der ich am Ende des Tages ja bin, rate ich, immer erst einmal abzuwägen, ob man es sich erlauben kann, auch mal ein halbes Jahr ohne Gehalt auszukommen. Denn bei einem solchen Schritt kann auch vieles schiefgehen oder es dauert, bis ein Business richtig anläuft. Wer damit umgehen kann, sollte sich sehr mit seinen Wünschen auseinandersetzen und sich bewusst machen, was er wirklich will – statt sich auf das zu konzentrieren, womit er im Moment unzufrieden ist. So war es bei mir auch: Ich bin bei ABG nicht gegangen, weil ich unglücklich war, sondern weil genau das kam, was es immer für mich sein sollte.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janina Stadel.
Janina Stadel
Aktuelle Top-Jobs
Technischer Vorstand (m/w/d)
Geschäftsführung (m/w/d)
Niederlassungsleiter Projektentwicklung – Wohn- und Gewerbeimmobilien (m/w/d)
Leitung des Referates Immobilienmanagement Gebäude (w/m/d) - Dienststelle Heidelberg