"Der Gewinn steht erst an vorletzter Stelle"
Architekturbüros beschäftigen Mitarbeiter, akquirieren Aufträge und sollten Gewinne erwirtschaften. Wie ein Architekt sein kleines Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich und zielorientiert führen kann, ist ihm jedochoft nicht klar. Denn das steht nicht auf dem Lehrplan der etwa 30.200 Architekturstudenten, die im Jahr 2008 an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren. Wie es um das Management von Architekturbüros bestellt ist, hat erstmals Gunnar Gombert in seiner Dissertation untersucht.
Immobilien Zeitung: Herr Gombert, von den etwa 120.000 Architekten und Stadtplanern in Deutschland arbeiten etwa 46% als Selbstständige, heißt es auf der Internetseite der Bundesarchitektenkammer. Sie haben die strategische Zielorientierung von Architekturbüros näher untersucht. Was treibt die große Zahl selbstständiger Architekten an?
Gunnar Gombert: In Deutschland gibt es rund 32.000 Architekturbüros, 478 davon habe ich zu ihren strategischen Zielen befragt. Am wichtigsten ist ihnen die Kundenzufriedenheit, und erst dann kommt die Architekturqualität, von der ich eigentlich dachte, dass sie auf Rang eins der Bedeutungsskala landen würde.
IZ: Der Architekt als Künstler, ist das immer noch das Selbstverständnis der Berufsgruppe?
Gombert: Viele Architekten sehen sich in der Tat eher als Künstler, nicht als Manager. Auch in meinem Architekturstudium ging es vor allem um das Entwerfen, weniger um Baukosten oder betriebswirtschaftliche Aspekte. Es sollte jedoch gesagt werden, dass der Baukostentreue mit einem dritten Rang vor dem Ansehen des Büros wesentliche Bedeutung zukommt.
IZ: Und wie sieht es mit den „harten“ Faktoren wie Umsatz und Gewinn aus?
Gombert: Das Erzielen von Gewinn belegt von den 20 untersuchten Zielen den vorletzten Rang, der Umsatz wird auch erst an 15. Stelle genannt.
IZ: Geld verdienen ist also ein eher nachrangiges Ziel?
Gombert: Es ist auf jeden Fall nicht vorrangig. Auch die Erschließung neuer Geschäftsfelder ist weit abgeschlagen. Obwohl Architekten sehr kreativ bei der Gestaltung ihres Produkts sind, fällt es ihnen oft schwer, dieses in ein innovatives Geschäftsmodell zu übersetzen. Signifikant auffällig ist vor allem, dass die Unternehmensziele nicht schriftlich formuliert werden.
60% der Architekturbüros fixieren ihre Ziele nicht schriftlich
IZ: Sie meinen, die Planungsbranche plant nicht?
Gombert: Zumindest haben 60% keine schriftlich fixierten Pläne ihrer Unternehmensziele. Auch ein strategisches Controlling existiert nur selten. Nur vereinzelt werden Steuerungskennzahlen verwendet, die allerdings innerhalb der Stichprobe relativ heterogen sind: Mal wird der Gewinn gemessen, mal die Umsatzrendite oder die Projektstunden je Leistungsphase.
IZ: Warum ist die klare Zielformulierung so wichtig?
Gombert: Ziele stellen zukünftig anzustrebende Zustände dar, die die Wahl der Strategie und damit auch die Entscheidungen und Handlungen bestimmen. Ziele sind vor allem für die Eigentümer von Architekturbüros als Richtgrößen für ihr unternehmerisches Handeln wichtig. Daher sollten sie explizit formuliert werden.
IZ: Und warum tun sich Architekten damit so schwer?
Gombert: Es gibt kaum branchenspezifische Werkzeuge und Anleitungen für eine strategische Büroplanung. Auch die Forschung in diesem Bereich ist nur rudimentär vorhanden. Die vorherrschenden Konzepte richten sich meist an große Unternehmen. Ein Architekturbüro hat jedoch im Durchschnitt nur vier Mitarbeiter. Daher engagieren sie auch eher selten einen externen Unternehmensberater.
IZ: Welche Hilfsmittel könnten in den komplexen Prozessen eine Hilfestellung bieten?
Gombert: Eine Möglichkeit wäre die Verwendung der Balanced Scorecard, die die strategische Planung eines Architekturbüros unterstützen könnte. Mit Hilfe dieser Methode lässt sich die Unternehmensstrategie in einzelne Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen übersetzen. Das hilft, einen besseren Überblick über das eigene Unternehmen zu erhalten. Doch für die Einführung sollten sich die Büros externe Hilfe holen.
Vorteile der strategischen Planung werden noch nicht genutzt
IZ: Sie halten der Branche den Spiegel vor. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Gombert: Meist sehr positive. Auch die Architektenkammern haben mittlerweile das Thema strategische Büroführung aufgegriffen. In so manchem Leserbrief, den ich bekommen habe, werde ich jedoch als „Nestbeschmutzer“ attackiert, der die Ziele von gesellschaftlicher Verantwortung zugunsten der Marktkräfte opfern will. Das sehe ich nicht so. Wenn ein Architekturbüro seine Ziele – gesellschaftliche wie auch finanzielle – formuliert und den Zielerreichungsgrad misst, dann weiß es, wo es steht. Und dann weiß es, woran es noch arbeiten muss, um seine Ziele zu erreichen. Die Möglichkeiten einer strategischen Planung werden von den Architekturbüros bislang noch nicht hinreichend erkannt und genutzt. Das unterscheidet sie deutlich von anderen Branchen.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sonja Smalian.