Frauen machen Immobilienvertrieb oft besser und auf jeden Fall anders
Noch immer ist der Immobilienvertrieb eine Männerdomäne. Der Fertighaushersteller Bien-Zenker hat nun eine Initiative für mehr Frauen in diesem Bereich gestartet. Denn offenbar scheuen viele Damen eine Bewerbung als Verkäuferin. Dabei suchen Maklerhäuser händeringend nach neuen Mitarbeitern und eben Mitarbeiterinnen.
Im beschaulichen Schlüchtern in der Nähe von Fulda liegt der Sitz des Fertighausherstellers Bien-Zenker. Dem Unternehmen geht es gut, die Produkte finden großen Absatz. Doch was fehlt, sind neue Mitarbeiter im Vertrieb. Oder auch Mitarbeiterinnen. Gerade Letztere zu finden, sei aber gar nicht so einfach, klagt Friedemann Born, Geschäftsbereichsleiter des Vertriebs bei Bien-Zenker. Eines der Hindernisse: „Frauen gehen seltener den Schritt in die Selbstständigkeit als ihre männlichen Kollegen.“ Diese Zurückhaltung sei allerdings nicht nur ein spezielles Problem der Immobilienbranche, sondern auch in anderen Bereichen. „Dabei sind einige unserer erfolgreichsten Verkäufer Frauen“, freut sich Born. Nicht zuletzt deshalb hat das Unternehmen bereits im März seine erste Initiative für mehr Frauen im Fertighausvertrieb gestartet. Vor einigen Wochen folgte der zweite Teil der Aktion. „Wir wollen möglichst vielen Interessentinnen Mut machen, den Einstieg zu wagen.“ Allein für die erste Veranstaltung habe es über 40 Anmeldungen gegeben, freut sich Thomas Berger, der den Bien-Zenker-Campus leitet und auch die Moderation der interaktiven Frage-und-Antwort-Runde übernahm. Für die zweite Runde meldeten sich dann 60 Damen.
Die Informations- und Frageaktion lief interaktiv, zwei Mitarbeiterinnen aus dem Vertrieb waren Online zugeschaltet. Es sei in erster Linie darum gegangen, vorhandene Bedenken auszuräumen, sagt Berger. Und die Aktion sei natürlich auch dazu gedacht gewesen, auf das umfangreiche hauseigene Schulungssystem mit Präsenzveranstaltungen und E-Learning-Komponenten hinzuweisen. „Niemand muss Angst haben, nur weil sie oder er noch nie etwas mit der Hausbaubranche zu tun hatte.“
Insgesamt knapp 150 Hausverkäufer sind derzeit für Bien-Zenker tätig, darunter rund 25 Frauen. Das sind folglich unter 20% der als Selbstständige tätigen Mitarbeiter. „Unser Unternehmensziel ist es, diesen Prozentanteil zu steigern“, sagt Born. Denn es zeigt sich beim Unternehmen, dass die Damen im Vertrieb im Schnitt die besseren Ergebnisse bringen: „Bei den jährlichen Auszeichnungen der Topverkäufer lag der Anteil der Frauen in den vergangenen Jahren konstant überproportional hoch zwischen 30% und 40%.“ Rund drei Monate nach dem Start der Initiative sei aber noch keine Veränderung in der Personalstruktur erkennbar. Es habe aber eine ganze Reihe vielversprechender Bewerbungen gegeben, bei denen die Gespräche noch andauerten, erklärt Born. Konkrete Zahlen dazu nennt Bien-Zenker deshalb lieber noch nicht.
Detaillierte Angaben zum Anteil der Immobilienverkäuferinnen in Deutschland gibt es derweil nicht. Eine Statistik zum Thema fehlt offenbar. Auffällig zurückhaltend wird das Thema auch bei vielen Marktakteuren behandelt, vermutlich nicht zuletzt wegen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Eines der Unternehmen, das namentlich nicht genannt werden will, bringt es auf den Punkt: Mit genauen Zahlen über den Frauenanteil könne man sich angreifbar machen. Der Männeranteil scheint noch sehr hoch zu sein.
Und sogar Wirtschaftspsychologen und Marktbeobachter geben sich, angesprochen auf dieses Thema, überraschend zurückhaltend. So sagt es beispielsweise Florian Becker, Experte für Personalpsychologie und an sich mit dem Thema durchaus vertraut, offen heraus, warum er sich nicht zum Thema äußern möchte: „Wir haben dazu zu wenige spezifische belastbare Daten, die freigegeben sind.“
Annegret Möllersheim vom Lübecker Unternehmen Möllersheim Immobilien, spricht ihren Wunsch dennoch direkt auf ihrer Netzseite an: „Wir hätten gerne noch mehr Frauen als Makler bei uns, jedoch bewerben sich überwiegend Herren bei uns – was, wie wir vermuten, an dem falschen Jobbild des Maklers in Deutschland liegt.“ Dabei könnten Frauen oft die Leidenschaft und die Emotion des Immobilienverkaufs und -kaufs leichter transportieren. Denn nur wer auch begeistert von der zu verkaufenden Immobilie sei, könne diese auch erfolgreich verkaufen. „Aktuell haben wir zwei neue Mitarbeiterinnen eingestellt und hoffen noch auf viele weitere Bewerbungen.“
Ein Grund für die Zögerlichkeit bei der Bewerbung von Frauen im Hausvertrieb könnte auch die in den meisten Fällen von den Unternehmen präferierte Selbstständigkeit sein. Viele Häuser setzen auf Freelancer. „Sie können dadurch beweglicher auf Auftragsschwankungen reagieren und haben geringere fixe Personalausgaben“, schrieb Peter Schürrer, Chef der Schürrer & Fleischer Immobilien, jüngst in einem Kommentar in der Immobilien Zeitung (siehe „Angestellte sind bessere Makler„, IZ 8/19). Er plädiert trotz der genannten Vorteile für mehr feste Angestelltenverhältnisse in diesem Bereich. Darin liege auch die Chance, mehr Frauen für Vertriebstätigkeiten zu gewinnen. „Sie sind häufig die erfolgreicheren Immobilienverkäufer und ziehen meistens ein Angestelltenverhältnis mit mehr Sicherheit einer freiberuflichen Tätigkeit vor.“
Doch sind Frauen eigentlich für diesen vermeintlichen Männerjob geeignet, vielleicht sogar besser gerüstet? Die Handelsberaterin Maria Azzarone aus Stuttgart schreibt Frauen einen sehr viel persönlicheren und emotionaleren Charakter zu. Hürden beim Einstieg in die Immobilienvertriebswelt sieht sie nicht. Sie könnten sich besser auf das Gegenüber einlassen. Auch das Einfühlungsvermögen und die Intuition seien viel ausgeprägter. „Empathie ist ein starkes Merkmal von Frauen. Durch aktives Zuhören können sie Kunden besser verstehen und auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen.“ Männer arbeiteten mehr mit rationalen Fakten und detaillierten Produktmerkmalen. „Immobilien sind etwas Emotionales“, findet Azzarone, ein solches Objekt könne man mit Leben füllen. Sätze wie: „Eine wunderschöne Dachwohnung, in der Sie sich zu Hause fühlen“, könnten hier Tore öffnen. Ob Frauen die besseren Immobilienvertrieblerinnen sind, möchte die Handelsfachwirtin aber dann doch nicht pauschal beantworten. „Ein Mix aus männlichen und weiblichen Verkäufern ist sinnvoll.“ Wichtig sei auch der Austausch mit anderen erfolgreichen Berufskollegen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. „Der Dialog untereinander ist wichtig – auch das Knüpfen von Netzwerken.“ Azzarone hat aber auch Schwächen von Damen im Vertrieb ausgemacht: „Frauen haben häufig Selbstzweifel und nehmen alles viel zu persönlich.“ Klappe etwas nicht, werde viel reflektiert und an sich gezweifelt. Hier sei die emotionale Ebene weniger hilfreich.
„Frauen müssen oft einfach selbstbewusster und konsequenter sein“, fordert die Geschäftsführerin des Karlsruher Maklerunternehmens Immowenk, Vanessa Wenk, in einem Interview beim Frankfurter Unternehmensberater Xenagos. „Frauen denken häufig, dass ihnen die entsprechenden Kompetenzen fehlen.“ Männer dagegen könnten mögliche Defizite besser durch markantes Auftreten überspielen. Damen müssten professionell – auch was die Kleidung angeht – auftreten, um in der Männerdomäne Immobilienvertrieb klarzukommen. Aber auch sie sieht in Frauen nicht pauschal die besseren Vertriebler: „Es geht doch letztlich nicht um Männlein oder Weiblein, sondern um Erfolg.“
Wenk schätzt übrigens den Frauenanteil im Immobilienvertrieb in Deutschland auf derzeit etwa 15%. Sollte das so sein, schlummert in Zeiten des Fachkräftemangels noch ein großes Potenzial. Die Informationsveranstaltung von Bien-Zenker könnte also durchaus Schule machen.