Digitales Lernen ist auf dem Vormarsch
Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung an den Immobilienhochschulen einen Schub verpasst: Onlineangebote gewinnen immer mehr an Bedeutung – und auch die Inhalte von Seminaren und Vorlesungen verändern sich.
Statt im Hörsaal finden Vorlesungen und Seminare für die meisten Studenten nur noch im eigenen Wohnzimmer und im Homeoffice statt. Wegen Kontaktbeschränkungen mussten die Hochschulen ihren Campus in Netz verlegen und auf Onlineunterricht umstellen. Doch vielen Seminarteilnehmern falle es schwer, sich über längere Zeit vor dem eigenen PC zu konzentrieren, sagt Michael Roth, Geschäftsführer der Akademie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (AWI).
Onlineformate locken neue Zielgruppen
Die AWI hat darauf mit neuen Formaten reagiert. „Wir haben viele Kurzseminare zu aktuellen Fragestellungen angeboten“, erzählt Roth. Dabei waren die Sessions so kurz gehalten, dass die Organisation als Präsenzveranstaltung gar nicht rentabel gewesen wäre, denn für viele Teilnehmer wäre die Anfahrt nach Stuttgart länger gewesen als der Workshop selbst. „Wir haben festgestellt, dass sich viele Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder angemeldet haben. Schließlich mussten sie sich keinen Tag freischaufeln, sondern konnten die Seminare vom eigenen Büro aus verfolgen“, fasst Roth zusammen. Darum habe die AWI die Inhalte der Seminare auf die neue Zielgruppe angepasst. Neben Erklärungen zu aktuellen Entscheidungen aus der Politik und Regelungen zum Thema Mietstundung habe es zum Beispiel auch Tipps zur Organisation von Homeoffice gegeben.
Auch die Akademie der Immobilienwirtschaft (ADI), die ebenfalls in Stuttgart sitzt, konnte im vergangenen Jahr neue Zielgruppen mit reinen Onlineangeboten erreichen. Seminarleiterin Anjulie Jäger und Studienleiterin Claudia Guida haben beobachtet, dass vermehrt Mitarbeiter von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Selbstzahler Kurse gebucht haben. Der Grund liegt für die beiden auf der Hand: Es entfallen Reisekosten, wodurch die Fortbildungsangebote erschwinglicher werden. Größere Firmen hingegen bevorzugen an der AWI weiterhin umfangreiche betriebliche Weiterbildungen, die speziell auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zugeschnitten sind.
Roth bezweifelt, dass kurze Onlineworkshops eine Aus- oder Fortbildung mit Präsenzveranstaltungen dauerhaft ersetzen können. Trotzdem strukturiert die AWI schon jetzt für die Zeit nach der Pandemie viele Angebote um. So sollen in Zukunft Hybridformate entstehen. Reine Wissensvermittlung soll dann online, Diskussionen und Austausch mit anderen Teilnehmern und Dozenten vor Ort stattfinden. „So wollen wir vor allem denjenigen entgegenkommen, die sich berufsbegleitend fortbilden.“
Dabei haben viele Hochschulen festgestellt, dass die Zahl derer, die neben dem Beruf lernen, seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegen ist. An der EBZ Business School in Bochum lässt sich das an der Zahl der Einschreibungen ablesen: Während das Interesse an Präsenzstudiengängen nur leicht zurückgegangen ist, starteten im Vergleich zum Sommersemester 2019 in diesem Frühjahr dreimal so viele Studenten ein Master-Fernstudium im Fach Real Estate. „Studierende suchen verstärkt nach Möglichkeiten, auch während der Corona-Krise eine akademische Ausbildung anzutreten“, sagt EBZ-Sprecherin Margarethe Danisch. Aber auch Unternehmen bestärken ihre Mitarbeiter, sich durch Fernstudien weiterzuentwickeln, denn „die Personalknappheit nimmt sich in Corona-Zeiten keine Pause.“
Digitalisierung zwingt zu „lebenslangem Lernen“
ADI-Studienleiterin Guida geht davon aus, dass der Trend zum Fernstudium anhalten wird. „Die mit der Pandemie eingetretene rasante Digitalentwicklung zwingt förmlich zu lebenslangem Lernen, um nicht abgehängt zu werden“, sagt sie und bezieht sich dabei vor allem auf weiterführende Masterstudiengänge und Fortbildungen. Dabei hat sich an vielen Hochschulen nicht nur die Art und Weise, wie gelernt wird, verändert. Auch die Lerninhalte sind zunehmend geprägt vom Thema Digitalisierung.
Während in vielen Studiengängen aktuelle Trends und Entwicklungen zu digitalen Techniken und Arbeitsmethoden bisher nur in einzelnen Vorlesungen oder Seminaren behandelt wurden, sollen sie sich für Studenten der EBZ ab Herbst 2022 durch die komplette Ausbildung ziehen. Dann geht der Studiengang Digitalisierung und Immobilienmanagement an den Start. „Umgang mit Datenbanken und Anwendungssystemen sowie Smart Home und Smart Building, digitale Transformation von Geschäftsmodellen und -prozessen in der Immobilienwirtschaft sowie Virtual Reality und intelligentes Bauen gehören dann zu den Studieninhalten“, erklärt Danisch.
Dass diese Inhalte gefragt sind, zeigt die TH Aschaffenburg. Dort startete bereits im Oktober 2020 der erste Jahrgang mit etwa 50 Studenten in das Fach Digitales Immobilienmanagement, das ganz ähnliche Inhalte bietet. „Die Nachfrage nach Studienplätzen im neuen Bachelorstudiengang war sehr hoch für einen erstmalig angebotenen Studiengang“, berichtet die Hochschule. Für den Studiengang wurde extra eine neue Professorin berufen. Sabrina Schork bringt neben einem Diplom in Betriebswirtschaft auch eine Ausbildung zum Creative Leader, Business Coach, in Scrum und als Design Thinking Coach mit. An anderen Hochschulen bilden sich Dozenten ständig fort, um die digitalen Themen in ihren Unterricht aufnehmen zu können. Dabei stehen sie in regelmäßigem Austausch mit Studenten und Unternehmen. Einzelne Seminare werden zum Teil auch von IT-Experten konzipiert und gehalten.
Vorgängerstudiengänge werden an den Hochschulen zwar nicht durch die neuen mit digitalem Schwerpunkt ersetzt. Aber in Aschaffenburg sei jetzt schon klar, dass die Studenten des in Leben gerufenen Studiengangs bei potenziellen Arbeitgebern begehrt sind. Sprecherin Heike Spielberger berichtet von Nachfragen und Interesse von Immobilieninvestoren, -managern, -dienstleistern und Proptechs. Sie erhoffen sich, dass die Studenten nach dem Abschluss fit darin sind, Technologien für Gebäude und immobilienwirtschaftliche Prozesse zu beurteilen und agil arbeiten können.