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Deutsche Bildungsträger brauchen Selbstbewusstsein

Die immobilienwirtschaftliche Ausbildung in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker professionalisiert. Mehr als 130 Bachelor-, Master- oder Zertifikatsstudiengänge gibt es auf dem deutschen Markt. Doch im Verkaufen und Exportieren dieses Fachwissens tun sich die deutschen Bildungsanbieter noch viel zu schwer, stellt Klaus Leuchtmann, Vorstandsvorsitzender des Europäischen Bildungszentrums der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) in Bochum, fest.

Sonja Smalian
20. Oktober 2011
Bild: sma

Immobilien Zeitung: Kaum eine deutsche Bildungseinrichtung verkauft ihre Kurse im Ausland. Ist die immobilienwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung international nicht wettbewerbsfähig?

Leuchtmann: In den letzten zwei Jahrzehnten ist in Deutschland eine qualitativ sehr hochwertige und ausdifferenzierte immobilienwirtschaftliche Bildungslandschaft entstanden. Etwas annähernd Vergleichbares habe ich bisher nirgendwo anders gefunden. Und wenn man Immobilienwirtschaft etwas breiter definiert und die Planer, das Handwerk, die Bauwirtschaft und Baustoffindustrie hinzuzählt, fällt die Bewertung noch eindeutiger aus. Wir verstehen sehr viel von ökologischem Bauen und energetischer Sanierung. Wir sind sehr gut im Management von Gebäuden, Quartieren, ganzen Stadtteilen. Wir haben die sozialen Aspekte von Immobilienwirtschaft begriffen und entwickeln Lösungskonzepte. Auch deshalb sehen unsere Quartiere mit schwierigsten Sozialstrukturen nicht wie Slums aus. Wir sind Weltspitze und haben es noch nicht bemerkt!

IZ: Was bereitet Ihnen also Kopfschmerzen?

Leuchtmann: Bildung ist inzwischen ein weltweit gehandeltes Gut. Ein Gut, das Türen öffnet und Netzwerke schafft. Doch die deutschen Hochschulstandorte spielen international mit ihrem immobilienwirtschaftlichen Know-how keine große Rolle. Ich mache mir Sorgen, dass wir große Chancen verpassen. Stattdessen arbeiten unsere Hochschulen in London entwickelte Qualifikationskataloge ab und stellen sich intransparenten Zertifizierungen angelsächsischer Berufsverbände. In Moskau gibt es mindestens drei amerikanische Anbieter von immobilienwirtschaftlichen MBA-Programmen, keinen deutschen. Wir haben jetzt gerade mal zwei Studenten aus Kasachstan, dabei ist der Bedarf an Studienprogrammen, die auch Wohnimmobilien berücksichtigen, riesengroß, gerade in den osteuropäischen und asiatischen Märkten. Wir bleiben in Summe hinter unseren Möglichkeiten. Wir brauchen uns doch nicht vor den Engländern zu verstecken!

IZ: Wo liegen die Probleme?

Leuchtmann: Wir zahlen hier den Preis für den hohen Differenzierungsgrad unserer Bildungsangebote, der zur Zersplitterung beiträgt. Es gibt eben viele Anbieter; jeder für sich betrachtet ist zu klein, um sich auf die internationale Bühne zu wagen. Und in den Aufbaujahren hat jeder die anderen als Wettbewerber gesehen. Wir haben viel zu wenig Kooperation. Das schwächt uns und macht ein internationales Engagement, das die Bezeichnung wirklich verdient, nahezu unmöglich.

Viele Lehrinhalte werden nur auf Deutsch vermittelt

IZ: Noch werden auch viele Lehrinhalte auf Deutsch vermittelt. Auch das dürfte so manchen ausländischen Interessenten abschrecken.

Leuchtmann: Ja, die Zersplitterung trägt auch dazu bei, dass wir immer noch sehr wenig englischsprachige Programme in Deutschland haben. Wir können nicht erwarten, dass ausländische Studenten erst Deutsch lernen. Hier ist unser Blickwinkel zu eng, zu national. Aber das ist vor allem auch eine Frage der finanziellen Ressourcen.

IZ: Was muss sich also ändern?

Leuchtmann: Wir sollten als allererstes ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Wenn wir das nicht haben, werden wir nie eine Marke für immobilienwirtschaftliches Know-how „Made in Germany“ hinbekommen. Dann müssen wir aus den Schützengräben raus. Wettbewerb ist ja gut und schön, aber gute Lehre und gute Wissenschaft brauchen Austausch, Kooperation. Das gilt auch für internationalen Erfolg. Meine ernst gemeinte Einladung an unsere Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns gemeinsam eine verbindliche Struktur für internationale Programme aufbauen. Erste Ansätze gibt es ja bereits, zum Beispiel die Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa, die spannende Pilotprojekte durchführt. Der Verein bekommt eine schmale Grundfinanzierung durch die Baustoffindustrie, doch leider kaum noch Unterstützung aus dem Bundesbauministerium. Die Initiative könnte gut als gemeinsame Plattform für Hochschulen und Baustoffindustrie genutzt werden.

Zusammenarbeit mit der Baustoffindustrie sinnvoll

IZ: Warum wollen Sie die Baustoffindustrie mit ins Boot holen?

Leuchtmann: Weil eine bessere Zusammenarbeit mit den international aufgestellten Unternehmen der Baustoffindustrie uns wirklich weiterbringen würde. Wer bei uns oder von uns ausgebildet wird, wird auch unsere Produkte und Dienstleistungen zu schätzen wissen. Wenn der eine oder andere Euro aus den Marketingetats der Industrie in Bildungsprojekte fließen würde, wäre er mit Sicherheit gut angelegt.

IZ: Wie groß müsste die Anschubfinanzierung denn sein?

Leuchtmann: Allein im Jahr 2012 wird Fotovoltaik in Deutschland mit rund 5,4 Mrd. Euro gefördert werden. Ein Promille davon über fünf Jahre würde völlig ausreichen, um ein hochwertiges internationales Studienangebot der deutschen Hochschulen aufzubauen, das zudem helfen würde, eine unglaublich höhere Summe CO2 einzusparen. Zweitens: Mindestens unsere Baustoffindustrie und unsere Immobilienwirtschaft werden profitieren. Das sichert Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Das befeuert unsere Innovationsfähigkeit. Davon wird auch das Inland profitieren. Drittens: Internationalität weitet den Horizont; auch wir können noch viel lernen und besser werden.

IZ: Herr Leuchtmann, vielen Dank.

Das Gespräch führte Sonja Smalian.

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