Bei Apoprojekt regiert die Pinnwand
Um Transparenz zwischen verschiedenen Abteilungen zu schaffen, hat Geschäftsführer Stephan Winn bei Apoprojekt die Führungsmethode Lean Management eingeführt. Eine große Zettelwand im sogenannten Big Room hilft den Führungskräften seitdem, den Überblick über Kapazitäten und Projektziele zu behalten.
Methodik darf nicht Sinn und Verstand ausschalten. Sie muss als unterstützendes Werkzeug verstanden und eingesetzt werden“, lautet das Credo von Stephan Winn. Als Geschäftsführer beim Entwickler Apoprojekt will er seinen Mitarbeitern immer wieder vor Augen führen, warum sie etwas tun, nämlich um Mehrwerte für ihre Kunden zu schaffen. Um sicherzustellen, dass in der Hauptverwaltung alle Führungskräfte dieses Ziel im Blick behalten, hat Winn eine Management-Methode eingeführt, die bei anderen nur im operativen Geschäft Anwendung findet: Lean Management.
Auf die Idee, die Führungsmethodik komplett umzukrempeln, kam Winn 2020, als das Unternehmen mitten im Wachstum steckte. Er wollte eine Möglichkeit schaffen, alle Akteure, die an einem Projekt beteiligt sind, ständig auf dem Laufenden über aktuelle Entwicklungen zu halten. Ein externer Berater hatte das Lean Management für das operative Projektgeschäft vorgeschlagen. Dadurch sollten Zwischenstände eines Bauprojekts und nächste Schritte veranschaulicht werden. Und zwar ganz praktisch über Übersichtstafeln. „So konnten wir die Realisierungsprozesse komplexer Revitalisierungen von der Planung bis zur baulichen Ausführung stabilisieren“, sagt Winn. Denn Hauptziel der Methode, die ursprünglich aus der Automotive-Branche stammt, sei die Steigerung von Kosten- und Terminsicherheiten durch verbesserte Kommunikation zwischen allen Projektbeteiligten, die Zugriff auf die Veranschaulichung haben.
„In der Hauptverwaltung können wir in jedes Planungs- und Bauprojekt schauen. Egal, wo wir in Deutschland gerade tätig sind. Wir erkennen terminliche, qualitative und monetäre Risiken und können entsprechende Maßnahmen ableiten. Aber niemand konnte von den Standorten aus nachvollziehen, welche Projekte wir in den Bereichen der Hauptverwaltung gerade bearbeiten. Das haben wir mit Einführung der Management- Methodik verändert. Denn interdisziplinäre Projekte gibt es in einem Unternehmen wie Apoprojekt in allen Bereichen – auch auf der Hauptverwaltungsebene“, sagt Winn.
So wurde 2021 in der Hamburger Zentrale zunächst ein einfaches klassisches Büro umfunktioniert. Dort wurde Platz geschaffen, um mit Zetteln Ideen und Ziele von verschiedenen Mitarbeiter an einer Übersichtswand zu präsentieren. „Das erste größere Projekt, das wir auf Hauptverwaltungsebene mit dieser Methode umgesetzt haben, war der Jahresabschluss 2022 in der kaufmännischen Verwaltung“, sagt Winn. Und tatsächlich konnte die Aufgabe vier Wochen schneller abgeschlossen werden als in den Jahren zuvor. „Da wurde uns allen der Mehrwert klar“, sagt Winn.
Seit Anfang 2023 treffen sich Führungskräfte deshalb alle zwei Wochen im anschließend geschaffenen Big Room in der Unternehmenszentrale. Dort steht eine große Pinnwand bereit, auf der die Teams alle ihre Ziele und Schritte durch bunte Zettel im Blick behalten können. Angepinnt werden sowohl strategische Ziele für die kommenden zwei bis fünf Jahre als auch taktische, die Schritt für Schritt auf die strategischen einzahlen sollen.
„Als wir damit begannen, stand häufig nur die reine Anzahl und inhaltliche Qualität der definierten Ziele im Vordergrund“, berichtet Winn. Bis zu zehn Zettel habe er zu manchen Meetings mitgebracht, doch gerade in der Anfangszeit habe er schnell gemerkt, dass das Übermaß an Kleinstzielen oft blockiert. „Wenn alle anfangen, zehn neue Ideen anzupacken, obwohl eigentlich nur Kapazitäten für eine da sind, dann bringt man am Ende nichts zur Umsetzung“, so Winns Erkenntnis. Stattdessen haben er und seine Mannschaft im ersten Jahr mit dem Big Room vor allem eine Erkenntnis erlangt: Es kommt auf das richtige Priorisieren an.
Unternehmensziele werden für alle sichtbar
Inzwischen gebe es feste Strukturen beim Abarbeiten der angepinnten Zettel, bei ihrer Besprechung und beim Überdenken. So sei ein klarer Rahmen dafür entstanden, wie im Unternehmen agiert wird, was langfristig zu mehr Sicherheit beim Fällen von Entscheidungen führte. Bei Onboardings soll die Visualisierung außerdem helfen, neuen Kollegen die Unternehmensziele klarzumachen.
Weil Abteilungsleiter aus allen Bereichen an den Sitzungen im Big Room teilnehmen – selbst wenn ein Thema gerade gar nicht ihre tägliche Arbeit betrifft –, haben inzwischen alle Manager eine klare Vorstellung davon, welche Kapazitäten die einzelnen Abteilungen haben, und können dadurch einschätzen, wie realistisch ein Zeitplan zum Erreichen des nächsten Meilensteins ist. „Doch genau mit dieser Transparenz mussten einige am Anfang erst einmal klarkommen“, sagt Winn. Dass Fortschritte kleingliedrig besprochen werden, war vor der Einführung der Pinnwand nicht üblich im Unternehmen, ebenso wenig die genaue Besprechung von Fehlern und Möglichkeiten, sie zu korrigieren oder in der Zukunft zu vermeiden. „So hat sich unsere gesamte Fehlerkultur geändert“, beschreibt Winn eine weitere Folge, die sich aus der Arbeitsmethode ergeben hat.
Dass es viele Monate gedauert hat, bis das Team richtig auf die Arbeit mit dem Ideenboard eingespielt war, sieht Winn im Nachhinein als wertvoll an. „Hätten wir einen externen Experten zu Rate gezogen, hätten wir am Anfang wahrscheinlich viele Fehler vermeiden und schneller feste Strukturen aufbauen können. Doch gerade weil diese Anfangsschwierigkeiten von uns selbst ausgemerzt werden mussten, haben wir nicht nur einen gesunden Changeprozess durchlebt, sondern auch einen Weg gefunden, der genau zu uns passt. Die dadurch entstandene Flexibilität wird auch in Zukunft eine erfolgreiche Weiterentwicklung sicherstellen.“