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Zwölf Monate Erfahrung in der Praxis

Fachkräftemangel. Das erste Freiwillige Handwerksjahr in Lübeck hat Jugendliche von einer Ausbildung in einem Bauberuf überzeugt. Sie haben Praxiseinblicke in mehreren Betrieben gesammelt und so nicht nur die Karrierechancen, sondern auch die Anforderungen im Berufsalltag auf der Baustelle kennengelernt.

Janina Stadel
25. September 2025
Berufseinsteiger müssen die Berufe am Bau erst kennenlernen.
Quelle: stock.adobe.com, Urheber: skarie

Rund 19.000 Ausbildungsstellen im Hoch-, Tief- und Ausbau waren kurz vor Start des Ausbildungsjahres laut Bundesagentur für Arbeit im Sommer 2025 bundesweit noch unbesetzt. Zwanzig von ihnen konnten zum 1. September in Lübeck vergeben werden, nachdem passende Kandidaten eine zwölfmonatige Berufsorientierung im Rahmen des ersten Freiwilligen Handwerksjahres abgeschlossen hatten.

Das Programm geht auf eine Initiative der Handelskammer Lübeck in Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holsteinischen Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) zurück und startete im Sommer 2024. Ziel war es, jungen Berufseinsteigern die Karrieremöglichkeiten in unterschiedlichen Handwerksberufen am Bau durch praktische Einblicke in den Berufsalltag aufzuzeigen und ihnen gleichzeitig ein realistisches Bild davon zu vermitteln, wie der Arbeitsalltag in einem Betrieb aussieht. Im Premierenjahr nahmen 74 Jugendliche an dem Projekt teil.

Gleichzeitig sollte das Projekt den Arbeitgebern in der Region – allen voran kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben – die Möglichkeit geben, sich angehenden Bau-Fachkräften vorzustellen. „Das Freiwillige Handwerksjahr ist genau das, was wir uns seit Jahren gewünscht haben“, sagt Habib Herzberg. Er ist Betriebsinhaber des Unternehmens Bau und Fliesen Herzberg und einer von mehr als 200 Arbeitgebern aus der Region, die im Rahmen des Freiwilligen Handwerksjahres interessierte Jugendliche aufgenommen haben. Er sieht in der Praxisphase auch einen Vorteil aus seiner Arbeitgebersicht: „Wir lernen die Jugendlichen kennen“, betont er.

Denn neben einem Überblick über offene Ausbildungsstellen soll das Jahr in der Praxis nicht nur erstes fachliches Wissen am Bau vermitteln, sondern auch zeigen, wie sich die jungen Teilnehmer im Berufsalltag schlagen. Dazu gehören feste Einsatzzeiten und auch Vor-Ort-Besuche auf Baustellen und bei Kundengesprächen.

Teilnehmer durchlaufen vier Stationen

Dass sich die Aufgaben und Schwerpunkte je nach Arbeitgeber unterscheiden können, erfahren die Jugendlichen, indem sie alle drei Monate den Betrieb wechseln. So können sie Arbeitsabläufe und geforderte Fähigkeiten in den einzelnen Handwerksbetrieben untereinander vergleichen und diese Punkte in ihre Entscheidung für einen Ausbildungsplatz oder ein duales Studium miteinbeziehen. Dafür werden sie während des Projektjahrs mit 450 Euro brutto monatlich als Entschädigungszahlung entlohnt.

 

Finanziert wird das Projekt von der SHIBB, die bereits Mittel für zwei weitere Freiwillige Handwerksjahre bereitgestellt hat. Weil im Premierendurchlauf bereits knapp 15% der Teilnehmer im direkten Anschluss einen Ausbildungsvertrag in einem der von ihnen besuchten Unternehmen unterschrieben haben, sind die Initiatoren zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. „Das Freiwillige Handwerksjahr ist ein innovativer und erfolgreicher Weg, um mehr Jugendliche zur Aufnahme einer dualen Berufsausbildung im Handwerk zu bewegen“, zieht Jörn Kröger, Direktor des SHIBB, ein Fazit und betont: „Damit wird ein Beitrag zur Sicherung des dringend benötigten Fachkräftenachwuchses geleistet.“

Nadine Grün, Leiterin der Abteilung Nachwuchskräftegewinnung bei der Handwerkskammer Lübeck, führt den Erfolg des Projekts vor allem darauf zurück, dass die Berufsanwärter den Arbeitsalltag über mehrere Monate hinweg miterleben, „denn sobald Jugendliche die Handwerkspraxis hautnah kennenlernen, treffen sie auch eine gezielte Entscheidung für eine Ausbildung“. Sie weiß, dass sich das Programm auch über die Grenzen Lübecks hinaus herumgesprochen hat. Die Einführung ähnlicher Modelle werde inzwischen auch schon in weiteren Bundesländern diskutiert, berichtet die Abteilungsleiterin.

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