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"Ich bin für die Frauenquote"

Seit einigen Wochen wird auch in Deutschland über die Einführung einer Frauenquote in den Spitzengremien von Unternehmen diskutiert. Denn in den Führungszirkeln der Wirtschaft sind Frauen immer noch sehr selten vertreten. Warum die Wirtschaftselite in Deutschland immer noch männlich ist, erläutert Michael Hartmann, Professor für Soziologie an der TU Darmstadt.

Sonja Smalian
24. Februar 2011
Bild: Sonja Smalian
Immobilien Zeitung: Herr Prof. Hartmann, Sie erforschen seit Jahrzehnten die Elitenbildung in Europa. Was kennzeichnet die Gruppe der Spitzenkräfte?

Michael Hartmann: Zur Elite gehört, wer Macht hat. Und mächtig ist, wer gesellschaftliche Entwicklungen durch seine Entscheidungen beeinflussen kann. Die Wissenschaft unterscheidet vier Kern-Eliten: Wirtschaft, Politik, Justiz und Verwaltung.

IZ: Werfen wir einen Blick auf die Wirtschaft. Nach einer aktuellen Untersuchung der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte liegt der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter Unternehmen bei 3% und in den Aufsichtsräten bei 10%. Die wirtschaftlichen Führungsgremien sind immer noch klar von Männern dominiert.

Hartmann: Ja, in der deutschen Wirtschaftselite sind Frauen immer noch eine Rarität. In der Politik, der Verwaltung und der Justiz sieht das hingegen etwas anders aus. Dort besetzen sie inzwischen rund ein Drittel der Positionen.

IZ: Frauen zeigen in der Schule und im Studium häufig bessere Leistungen als Männer. Warum schaffen sie trotzdem nicht den Sprung in die Zirkel der Wirtschaftselite?

Hartmann: Bei der Vergabe von Jobs in den Chefetagen geht es nicht um wirklich handfeste Kriterien. Letztendlich wird viel aus dem Bauch heraus entschieden. Das Bauchgefühl der Entscheidungsträger ist jedoch durch den Umgang mit Männern geprägt. Sitzt ein männlicher Bewerber breitbeinig auf dem Sofa, so sieht der Chef in ihm vielleicht den „Macher-Typ“. Doch was sieht er, wenn eine Frau so dasitzt? Da fehlt ihm die Erfahrung. Die Einstellung dieser Frau könnte also prinzipiell ein Risiko bergen. Das vermeidet er, indem er dem männlichen Bewerber den Vorzug gibt.

IZ: Der richtige Habitus ersetzt also belastbare Leistungskriterien?

Hartmann: Ja, es geht um informelle Merkmale, z.B. wie jemand spricht oder sich bewegt. Ähnlichkeiten mit demjenigen, der die Einstellungsentscheidung trifft, spielen die entscheidende Rolle in solchen männerzentrierten Zirkeln. Eine Bewerberin muss diesem Männerblick standhalten. Oft gelingt das nur, wenn die Kandidatin einen männlichen Mentor im Unternehmen hat.

IZ: Braucht Deutschland also doch eine Frauenquote?

Hartmann: Ja, ich bin schon seit langer Zeit für eine Frauenquote. Wenn man schnell Erfolge erzielen möchte, d.h. innerhalb der nächsten fünf, sechs Jahre, geht es nicht ohne. Die Quote ist effektiver als die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die in den vergangenen zwanzig Jahren kaum zu Veränderungen in der Gremienzusammensetzung geführt haben.

IZ: Herr Hartmann, vielen Dank für das Gespräch.
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