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Wer die künftigen Mitarbeiter sind

Wie ticken die Arbeitskräfte von morgen? Bildungsforscher Prof. Klaus Hurrelmann hat die Gruppe der 12- bis 25-Jährigen untersucht und plädiert für eine typgerechte Ansprache bei der Rekrutierung. Spätestens in fünf Jahren werde der Einstellungsprozess zudem sehr viel teurer und mühseliger, prophezeite er den Personalverantwortlichen auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Personalführung in Wiesbaden.

Sonja Smalian
16. Juni 2011

Immobilien Zeitung: Professor Hurrelmann, Sie erforschen die Arbeitskräfte von morgen. Was charakterisiert die Generation der heute 12- bis 25-Jährigen?

Klaus Hurrelmann: Wir unterscheiden vier Grundtypen. Zur Gruppe der selbstbewussten Macher zählen etwa 30% der Jugendlichen. Sie gehören zur Leistungselite, verhalten sich sehr egotaktisch und sind an materiellem Reichtum interessiert. Weitere 30% ticken ähnlich, sind auch sehr leistungsstark, dabei aber flexibler und orientieren sich stärker an humanistischen Idealen. In dieser Gruppe finden sich überwiegend Frauen. Leistungsschwächer ist die Gruppe der Steckengebliebenen, der etwa 20% der Jugendlichen angehören. In dieser Gruppe gibt es jedoch noch Bildungsreserven. Anders sieht es hingegen bei den rund 20% der sehr leistungsschwachen Abgehängten aus, die außerordentlich schwierig sind. Hier finden sich vor allem junge Männer.

Ideal wäre ein breites Screening der Absolventen

IZ: Der Fachkräftemangel und der demografische Wandel haben die Unternehmen in Alarmbereitschaft versetzt. Sie rüsten auf im Kampf um die Talente. Wie müssen Unternehmen ihren Rekrutierungsprozess auf die künftige Arbeitnehmergeneration einstellen?

Hurrelmann: Bei der Rekrutierung des Nachwuchses sollten Personalverantwortliche genau hinschauen, welche Mentalitätsausprägung vor ihnen steht. Nur so können sie die jungen Leute da abholen, wo sie stehen. In der Praxis sollten deswegen häufiger Leistungstests und Analysen der spezifischen Kompetenzen der Bewerber eingesetzt werden.

IZ: Das kostet aber viel Zeit und Geld.

Hurrelmann: Ja, allerdings sind diese Instrumente bereits vorhanden, sie müssten nur öfter genutzt werden. Ideal wäre aus Unternehmenssicht ein breites Screening von Absolventen im Hinblick auf ihre Fähigkeiten.

IZ: Besonders interessant dürften für Unternehmen nur die ersten beiden, die leistungsorientierten Gruppen sein.

Hurrelmann: Ja, das stimmt. Doch die Zeit der Verwöhntheit, in denen Unternehmen ausschließlich auf die beiden ersten Gruppen zurückgreifen können, ist vorbei. Die Steckengebliebenen befinden sich im Wartestand. Auf sie können Unternehmen künftig nicht verzichten und müssen ihnen ihre Hand entgegenstrecken. Die Bauindustrie muss jetzt bereits ihren Nachwuchs aus den schwächeren Gruppen rekrutieren

IZ: … und entsprechend nachschulen.

Hurrelmann: Genau. Da wissen wir noch nicht, ob die Unternehmen diesen Aufwand langfristig durchhalten können.

Rekrutierungen in Osteuropa als Alternative zu Nachschulungen

IZ: Woher sollen die Fachkräfte sonst herkommen?

Hurrelmann: Es wäre denkbar, dass zum Beispiel leistungsorientierte Osteuropäer gezielt angeworben werden. Es ist schon jetzt absehbar, dass in fünf Jahren Personalrekrutierung für die meisten Branchen ein mühseliges und teures Geschäft sein wird.

IZ: Es gibt aber auch die Gruppe von jungen Berufseinsteigern, die extrem aufstiegsorientiert ist und bereits im Vorstellungsgespräch die Weiterbildungsangebote des Unternehmens auslotet. Wie müssen Unternehmen diese Gruppe abholen?

Hurrelmann: Durch einen ganz direkten Führungs- und Coaching-Prozess, der dem Berufseinsteiger kontinuierlich Rückmeldung über seine Fortschritte und Defizite gibt. Denn Teile der jungen Generation sind geprägt von einer sehr hohen Leistungsmotivation und einer sehr hohen Bildungsaspiration. Das hat zur Folge, dass sie ihre Kräfte leicht überschätzen. Mitunter reichen ihre Fähigkeiten für ihre selbstgesteckten Ziele doch nicht aus. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie eine direkte, sehr persönliche Rollenbeziehung zu dem Nachwuchs aufbauen und diesen eng begleiten.

IZ: Das bedeutet also auch bei den leistungsstarken Bewerbern einen erhöhten Aufwand auf Seiten der Unternehmen als bisher.

Hurrelmann: Ja.

IZ: Der Bologna-Prozess mit der Einführung von stärker verschulten Bachelor- und Masterstudiengängen bietet ja genau diese kontinuierliche Rückmeldung. Das System müsste für die nachfolgende Arbeitnehmergeneration damit genau richtig sein. Ist dem so?

Hurrelmann: Ja. Ich finde, die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge sind in ihrer Struktur dem alten Studiensystem haushoch überlegen. Leider gab es eine recht lieblose, unvorbereitete und schlechte Einführung des neuen Systems, sodass wir jetzt einen großen Unterschied zu den angelsächsischen Ursprungsländern haben.

IZ: Inwiefern?

Hurrelmann: Bachelor- und Masterstudenten sollten alle drei Wochen Rückmeldung über ihre Lernfortschritte erhalten. Doch das ist für alle Beteiligten sehr aufwendig, offensichtlich zu aufwendig. Deswegen steht inzwischen in vielen Hochschulen wieder eine punktuelle Schlussprüfung am Semesterende auf dem Lehrplan. Doch damit wird die Ursprungsidee der Bologna-Reform völlig verwaschen.

IZ: Wenn Sie als Bildungsforscher einen Wunsch frei hätten – was würden Sie sich wünschen?

Hurrelmann: Ich würde mir wünschen, dass Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen wirklich mit den jungen Menschen arbeiten, dass sie ihnen Rückmeldungen über ihre Stärken und Schwächen, aber auch über ihre Lernfortschritte liefern und ihnen eine realistische Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit mit auf den Weg geben.

IZ: Herr Hurrelmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sonja Smalian.

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