"Unser Netzwerk haben wir selbst in der Hand"
Sichtbarkeit. Mindestens eine Stunde pro Woche sollen sich Studenten schon vor dem Berufseinstieg nehmen, um Kontakte zu knüpfen. Diesen Ratschlag hat Tijen Onaran zum IZ Karriereforum mitgebracht. Im Interview erklärt die Unternehmerin und Speakerin, warum sich diese Mühe im Beruf auszahlt.

Immobilien Zeitung: Frau Onaran, welche Verbindungen hatten Sie bisher zur Immobilienwirtschaft?
Tijen Onaran: Diese Verbindungen habe ich sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher Ebene. Persönlich besitze ich zwei Immobilien in meiner Heimatstadt Karlsruhe. Ich habe mich schon früh auf Investorenebene mit dem Thema Immobilien auseinandergesetzt. Aber auch beruflich treffe ich immer wieder auf Manager, die in der Immobilienwirtschaft tätig sind. Vor ein paar Jahren zum Beispiel im Rahmen eines Vortrags, zu dem mich der Zentrale Immobilien Ausschuss als Speakerin eingeladen hatte.
IZ: Welchen Eindruck haben Sie von der Immobilienwirtschaft?
Onaran: Ich glaube, die Branche ist mitten in einem Umbruch. Sie verändert sich. Zum einen auf der Investmentseite, denn in den letzten zwei Jahren wurde weniger in Immobilien investiert. Zum anderen gibt es aber auch Veränderungen in Bezug auf das Auftreten der Akteure. Gerade junge Kräfte wollen sich kulturell neu aufstellen. Das wird langfristig zu einer Transformation führen, die sich auch auf die Gesamtkultur in der Immobilienwirtschaft und in Bezug auf die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Sparten auswirken wird.
IZ: Welche Rolle spielt das Netzwerken dabei? Und wie können Nachwuchskräfte ihre ersten eigenen Kontakte aufbauen?
Onaran: Ein gutes Netzwerk ist sehr wichtig. Rahmenbedingungen, die uns die Politik oder ein Arbeitgeber vorgeben, können wir nicht beeinflussen. Unser Netzwerk haben wir aber selbst in der Hand. Ich rate dazu, schon während des Studiums damit anzufangen. Zum Beispiel über Linkedin. Das kann man von Zuhause aus machen und auch, wenn man introvertiert ist. Einmal pro Woche sollte man sich einen Zeitblocker für die Profilpflege dort einrichten. Der nächste Schritt ist dann, selbst eine Veranstaltung zu besuchen, dann dort auch einmal Nachfragen zu stellen. Als Nächstes kann man im Nachgang eines Events noch einmal Nachrichten mit anderen Teilnehmern austauschen. Zudem sollten Berufseinsteiger ihren Kollegen immer von ihren aktuellen Projekten erzählen. So werden sie im Unternehmen sichtbar, was zu Empfehlungen führen kann.
IZ: Und wie sollten Nachwuchskräfte ihre Netzwerke innerhalb der Branche konkret aufstellen?
Onaran: Branchenübergreifendes Netzwerken wird im Laufe der Karriere wichtig. Und auch schon für Junioren macht es Sinn, in der ganzen Wirtschaft zu netzwerken. Starten sollte man branchenintern, in Hochschulgruppen oder in Nachwuchsgruppen von Verbänden. So lernt man das System Netzwerken kennen – mit all seinen Spielregeln und der Tonalität. Doch irgendwann sollte man seine Filterblase verlassen. Sonst läuft man Gefahr, nur noch Selbstgespräche zu führen.
IZ: Welche Netzwerke sind für einen Immobilienprofi sinnvoll?
Onaran: Ab einem gewissen Zeitpunkt gilt die Devise: Je diverser mein Netzwerk, desto besser. Jeder findet Veranstaltungen, die ihn fachlich interessieren, und kann dort in den Austausch treten. Wer zum Beispiel beruflich mit Logistikimmobilien zu tun hat, kann die Augen nach Treffen von Logistikern offen halten und so nicht zuletzt mit seinen Endnutzern und möglichen Kunden oder Auftraggebern in Kontakt kommen.
IZ: Wie Gespräche auf dem Karriereforum gezeigt haben, kann sich eine Vielzahl der Studierenden in der Immobilienwirtschaft zum Berufseinstieg vorstellen, auch selbst einmal unternehmerisch tätig zu werden. Doch eine Festanstellung bringt erst einmal fachliche Routine und Sicherheit. Was empfehlen Sie für die ersten Berufsjahre?
Onaran: Das eine schließt das andere nicht aus. Man kann ein eigenes Unternehmen schon früh in der Karriere auch nebenher aufbauen. Etwa neben einer Teilzeitstelle. Man darf dann aber nicht vergessen, dass die Work-Life-Balance unter der Doppelbelastung auf jeden Fall leidet. Ich selbst habe mir damals einen Zeithorizont von einem Jahr gesetzt, um mein eigenes Business in Gang zu bringen. So ein festes Zeitfenster treibt die Motivation voran.
IZ: Wie wichtig sind Selbstständige und Gründer für die deutsche Wirtschaft?
Onaran: Ich glaube, sie können die Antwort auf jede Wirtschaftskrise sein. Wer gründet, entwickelt neue Ideen und kurbelt sie an. Das hat uns in der Vergangenheit zu einem traditionsreichen und starken Mittelstand gebracht. Doch Deutschland ist auch ein Sicherheitsland. Das Risiko einer Selbstständigkeit hemmt viele, egal ob Berufseinsteiger oder erfahrener Profi. Besonders Letztere wollen nicht riskieren, etwas zu verlieren, was sie sich schon aufgebaut haben. Nicht zuletzt sind die bürokratischen Hürden in der Selbstständigkeit auch sehr hoch. Hier bräuchten wir Unterstützung durch die Politik, ein echtes Wirtschafts-Turbo-Paket, um Gründern mit guten Ideen mehr Sicherheit mit auf den Weg zu geben.
IZ: Aber auch dann muss die nötige Leistungsbereitschaft da sein. Wie kann man sich auf einen solchen Schritt vorbereiten?
Onaran: Am besten schon ganz früh. Zum Beispiel, indem man sich schon während des Studiums auch mit Fachbegriffen und Phänomenen aus der Finanzwelt beschäftigt. Aber auch als Angestellter kann man mitunter unternehmerisch tätig werden. Wir bräuchten viel mehr Intrapreneure und sollten mehr über Leistung statt über Nicht-Leistung sprechen, damit der Hunger auf Erfolg und Aufstieg nicht verloren geht. Denn wer ein angenehmes Leben führen will, muss auch etwas dafür tun. Das war schon immer so – und zwar in jeder Branche.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janina Stadel.
In der breiten Öffentlichkeit wurde Tijen Onaran aus Karlsruhe als Jurorin der TV-Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ bekannt. Hauptberuflich ist sie Unternehmerin und Gründerin des Netzwerks Global Digital Women für Frauen in der Digitalbranche und berät regelmäßig Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen zum Thema Diversität. Zudem bereitet sie aktuell ihr viertes Fachbuch als Autorin vor, das im Herbst erscheinen soll.
Janina Stadel