"Ukrainerinnen sind richtige Karrierefrauen"
Nach 20 Jahren in der Finanzbranche hat sich Xenia Krause-Dünow vor vier Jahren mit der Personalberatung Fits for Future selbstständig gemacht. Sie wollte sich den Themen widmen, mit denen sie im Beruf immer wieder konfrontiert wurde: Personalvermittlung und Personalentwicklung. Den Einsatz von Fachkräften aus der Ukraine in der deutschen Immobilienwirtschaft sieht sie als Teillösung für den Fachkräftemangel.
Immobilien Zeitung: Frau Krause-Dünow, wie gut kennen Sie Osteuropa und welche Erfahrungen haben sie mit der Region gemacht?
Xenia Krause-Dünow: Ich habe selbst 18 Jahre lang in Osteuropa gelebt und weiß deshalb, dass es dort viele Spezialisten – auch für die Immobilienbranche – gibt, die gern in Deutschland leben und arbeiten wollen. Diese Spezialisten sind hervorragend ausgebildet. Deswegen habe ich vor vier Jahren Fits for Future nicht nur in Hamburg, sondern auch in Sankt-Petersburg und Kiew gegründet. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die so notwendigen Fachkräfte nach Deutschland zu bringen.
IZ: Nach welchen Kandidaten halten Sie in Osteuropa Ausschau?
Krause-Dünow: Ich arbeite ausschließlich mit hochqualifizierten Spezialisten und Akademikern aus den Bereichen Informationstechnologie, Medizin und Ingenieurwesen. Insbesondere technische Berufe und IT-Spezialisten benötigt die Immobilienwirtschaft, um sich zukunftsweisend auszurichten. Genau diese Menschen vermittle ich.
IZ: Ist die Sprachbarriere eine große Hürde bei Frauen und Männern, die aus der Ukraine geflüchtet sind und nun in Deutschland einen Job suchen?
Krause-Dünow: Zwar spreche ich im wahrsten Sinne des Wortes ihre Sprache, doch wer sich bei mir bewirbt, muss Deutsch mindestens auf Niveau B1 beherrschen. Viele Ukrainer, die schon im Februar gekommen sind, nehmen seit rund einem halben Jahr an Sprachkursen teil, oft fünf bis sechs Stunden am Tag. Sie haben deshalb inzwischen schon ein gutes Niveau erreicht. Wer als Ingenieur oder Bauleiter arbeiten will, braucht sicher noch bessere Sprachkenntnisse als B1-B2-Niveau. Daran arbeiten wir gerade zusammen mit einem großen Bildungsträger. Viele hochqualifizierte Fachkräfte aus Osteuropa sprechen aber auch sehr gutes Englisch.
IZ: Welche weiteren Voraussetzungen müssen stimmen, um in Deutschland arbeiten zu können?
Krause-Dünow: Zugereiste aus der Ukraine haben ein Bleiberecht für die nächsten ein bis drei Jahre. Mit der Festeinstellung verlängert sich dieses Bleiberecht entsprechend der Gültigkeit des Arbeitsvertrags. Ein Arbeitsvisum ist nicht notwendig. Also unterscheidet sich der administrative Aufwand für den Arbeitgeber im Grunde nicht von der Einstellung eines deutschen Mitarbeiters. Bei der Anmeldung, Wohnungssuche, Krankenversicherung oder der Sozialversicherungsnummer helfen wir als Personalberater. Auch bei der Diplomanerkennung begleiten wir die Bewerber, wenn der Arbeitgeber es wünscht. Die Abschlüsse von IT-Spezialisten werden in der Regel schnell anerkannt, bei Ingenieuren gibt es manchmal Nachfragen. Doch die meisten Hochschulen in den großen Metropolen der Ukraine lehren schon seit einigen Jahren nach dem europäischen Credit-Point-System. Diese Abschlüsse werden in Deutschland sofort anerkannt, bei anderen geht es oft nur um einzelne Fächer, die noch einmal geprüft werden. Dass ganze Schulabschlüsse nachgeholt werden müssen, wie es vor 26 Jahren bei mir persönlich der Fall war, das gibt es heute zum Glück nicht mehr.
IZ: Wer genau sind die Kräfte, die aus der Ukraine zugewandert sind? Sind es mehr Frauen als Männer?
Krause-Dünow: Es herrscht zwar das Bild, dass nur Frauen mit Kindern hergekommen sind – und sie bilden sicher die Mehrheit –, doch es sind auch junge Männer dabei, die sich einfach nicht kampfbereit sahen. Zudem muss man bedenken, dass Frauen in der Ukraine ganz andere Vorstellungen von ihrem Beruf haben als viele Deutsche. Ukrainerinnen sind richtige Karrierefrauen. Vor allem diejenigen, die in großen Metropolregionen leben, sind es gewöhnt, viel zu arbeiten – nicht zuletzt, um sich das Leben dort leisten zu können. Außerdem sind in der Ukraine mehr Frauen in technischen Berufen tätig als bei uns. In den sogenannten Mint-Fächern herrscht an den Universitäten oft eine 50:50-Quote. Das ist sicher auch ein Stück weit historisch bedingt. Schon zu den Zeiten der Sowjetunion ließen sich viele Frauen zu Architektinnen oder Ingenieurinnen ausbilden. Das hat sich bis heute fortgesetzt.
IZ: Wie hoch ist die Bereitschaft der Ukrainer in Deutschland in die Immobilienwirtschaft einzusteigen?
Krause-Dünow: Bei den Kandidaten, die ich bisher kennenlernen durfte, war die Bereitschaft, schon möglichst früh nach ihrer Ankunft in Deutschland in den Beruf einzusteigen und eigenes Geld zu verdienen, sehr hoch. Vor dem Krieg wollten viele nicht nach Deutschland, wenn sie in einer Metropolregion in Osteuropa arbeiteten. Somit kann ich mit fester Überzeugung sagen, dass die deutsche Immobilienwirtschaft davon profitiert, diese Spezialisten jetzt für sich gewinnen zu können.
IZ: Von welchem frischen Input könnte die Branche so konkret profitieren?
Krause-Dünow: In den letzten Jahren hat die Digitalisierung in der Ukraine große Schritte gemacht – größere als in Deutschland. Während sich die deutsche Wirtschaft lange auf ihren Erfolgen ausgeruht hat, haben die Ukrainer einiges vorangetrieben. Ein Unternehmen in der Start-up-Phase hat dort eine besser ausgestattete Webseite als bei uns ein Mittelständler. Auch der Umgang mit Recruiting-Tools ist dort viel eingespielter. Darüber hinaus bringen unsere Kandidaten oft neue Ideen für Prozessoptimierungen im Unternehmensalltag mit. Und das sind nur ein paar wenige Beispiele für das Know-how, welches diese Talente zu uns bringen können.
IZ: Werden die Experten nach erfolgreicher Vermittlung auch langfristig bleiben?
Krause-Dünow: Gerade vor kurzem habe ich eine Kandidatin vermittelt, die mit ihren Kindern nach Deutschland gekommen ist. Sie rechnet damit, dass es in ihrer Heimat für die nächsten sechs bis acht Jahre nicht sicher für ihre Familie sein wird. Wenn sie so lange hierbleibt, ist das länger als die meisten Deutschen in einer Position bleiben. Den Trend, im Job oft zu springen, gibt es natürlich auch in Osteuropa, jedoch nicht so ausgeprägt wie bei der jungen Generation in Deutschland. Viele Ukrainer, die ich im Vorstellungsgespräch kennengelernt und vermittelt habe, haben sich als sehr loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber gezeigt.
IZ: Wie einfach ist für Sie die Vermittlung von ukrainischen Kandidaten in die Branche?
Krause-Dünow: Es ist leider überhaupt nicht einfach. Es herrschen in Deutschland noch immer Vorurteile über „den alten Ostblock“. Viele glauben, dass Hochschulabschlüsse gekauft wären und Frauen nicht arbeiten wollen. Wir müssen Unternehmen davon überzeugen, diese Vorurteile zur Seite zu schieben. Ich erinnere dann häufig daran, dass es in Deutschland eine sechsmonatige Probezeit gibt, die ja genau dafür geschaffen wurde, um auszuloten, ob jemand wirklich ins Unternehmen und ins Team passt. Viele Kandidaten sind bereit, zunächst ein Praktikum zu machen oder eine Probeaufgabe zu erledigen. Um die kulturellen Hürden zu umgehen, bieten wir Teamentwicklungsseminare an. Im wenigen Ausnahmefällen gab es auch schon eine kostenlose Nachbesetzung.
IZ: Welchen Rat haben Sie für Personaler auf der Suche nach Fachkräften aus Osteuropa?
Krause-Dünow: Mein Appell ist es, die deutschen Büroflure bunter zu machen. Und das beziehe ich nicht nur auf den Business-Dresscode. Ich vertrete die Auffassung, dass diverser aufgestellte Unternehmen erfolgreicher sind. Ich bin überzeugt: Wenn in ein Team ein Mensch mit anderem Kulturcode, anderen Gewohnheiten und anderem Mindset reinkommt, dann ist das kein Nachteil, sondern eine Bereicherung für beide Seiten. Zudem wird niemand mehr mit der Aussage „Fachkräfte aus dem Ausland brauchen wir nicht“ weit kommen. Wir brauchen Zuwanderung, denn für einige sehr interessante Stellenausschreibungen und wichtige Positionen im Unternehmen gibt es einfach keine Kandidaten auf dem deutschen Markt. Die Stellen bleiben lange unbesetzt, die Suche ist komplex und teuer für das Unternehmen. Lassen Sie uns also die Vorurteile zur Seite schieben und einer Welt ohne Grenzen entgegenarbeiten.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.