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Schlechte Führung kostet Unternehmen mehr als die Krise

Wenn Vorgesetzte ihre Mitarbeiter schlecht führen, kostet das die Unternehmen viel Geld. Ist aus dem täglichen Umgang im Büro bereits ein chronischer Konflikt geworden, hilft oftmals nur die Neuorganisation der Abteilung. Ein teurer und schmerzhafter Prozess, der das Unternehmen teuer zu stehen kommt und durch „gesunde Führung“ vermieden würde, sagt Arbeitspsychologe Prof. Dr. Oliver Sträter von der Universität Kassel.

Sonja Smalian
04. November 2010

Immobilien Zeitung: Prof. Sträter, Sie erforschen, wie sich schlechtes Führungsverhalten auf die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter auswirkt. Wie groß ist das Problem in Deutschland?

Oliver Sträter: Sehr groß. In Unternehmen mit normaler, also durchschnittlicher Führung, liegt die Arbeitsproduktivität nach unseren Untersuchungen etwa um 30% unter der möglichen Produktivität. Herrscht ein schlechter Führungsstil vor, betragen die Reibungsverluste sogar bis zu 70%. Im Vergleich dazu sind die Verluste, die Unternehmen durch die Finanzkrise entstanden sind, ,peanuts‘.

IZ: Was machen solche Führungskräfte falsch?

Sträter: Sie fördern ihre Mitarbeiter nicht richtig. Heutzutage wird in den wenigsten Organisationen Dienst nach Vorschrift verlangt. Vielmehr wird erwartet, dass der Mitarbeiter das Unternehmen eigenständig vertritt und unternehmerisch handelt. Den Mitarbeiter leistungsfähiger zu machen, um solche Aufgaben bewältigen zu können, wird damit zu einer wesentlichen Führungsaufgabe. Wer die Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter oder des Teams durch sein Verhalten senkt, führt folglich schlecht.

IZ: Wie reagieren Mitarbeiter auf einen schlechten Führungsstil?

Sträter: Zunächst provoziert so ein Verhalten eine Trotzreaktion und der Mitarbeiter erklärt sich zu bestimmten Aufgaben nicht mehr bereit. Auf der zweiten Stufe beobachten wir stärkere Rückzugsbestrebungen und den Verweis darauf, dass bestimmte Arbeiten nicht zur Arbeitsplatzbeschreibung gehören. Dann folgt die innere Kündigung und in einer letzten Eskalationsstufe die physische Kündigung und der Arbeitsplatzwechsel.

„Ungesunde Führung“ ist für Fehlzeiten verantwortlich

IZ: Das Verlassen der unangenehmen Situation, der Unternehmenswechsel, ist nicht immer möglich. Gerade in den vergangenen zwei Krisenjahren haben viele Arbeitnehmer an ihren Jobs geklebt. Welche Folgen hat das für das Unternehmen, wenn die Unzufriedenen ihren Platz nicht räumen können?

Sträter: Ist ein Wechsel nicht möglich, steigt für gewöhnlich der Krankenstand. Allein im Jahr 2009 gingen 10% aller Arbeitsunfähigkeitstage auf das Konto von psychischen Erkrankungen, wie der Gesundheitsreport des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen zeigt. Das ist ein neuer Höchststand. Mindestens die Hälfte dieser Krankheitstage sind direkt auf schlechte Führung zurückzuführen, die wir aus diesem Grund auch als ungesunde Führung bezeichnen.

IZ: Abgesehen von den Kosten durch Krankheit, welche weiteren Folgen zieht das Führungsproblem nach sich?

Sträter: Wenn die Mitarbeiter nicht hinter ihrer Führungskraft stehen, kann die Organisation nicht mehr vorausschauend und aktiv agieren. Denn die Führungsebene braucht die Rückmeldung vom Kunden und vom Markt über ihre Mitarbeiter. Ein inaktiver Feedbackprozess führt deswegen oft zu sinkendem Innovationspotenzial und damit zu schlechterem Agieren am Markt.

IZ: An welchen Stellschrauben kann gedreht werden, damit das nicht passiert?

Sträter: Kern- und Angelpunkt ist, wie die Führungskraft mit anderen Meinungen umgeht. Zwei typische Fehler beobachten wir immer wieder: Zum einen werden Ideen von Mitarbeitern oft einfach abgebügelt, nach dem Motto „Ach, das haben wir schon vor zehn Jahren so gemacht“. Das nächste Mal wird der Mitarbeiter seine Idee sicherlich nicht mehr dem Chef vorstellen. Zum anderen wird oft die Art, wie eine Aufgabe erledigt wird, vorschnell und stark kritisiert. Mit einem Anraunzer legt der Chef das Ergebnis des Tages jedoch schon fest.

IZ: Wie hätte sich der Chef also verhalten sollen?

Sträter: Unterstützend und sehr kommunikativ. Die Frage muss immer sein, wie kann der Vorgesetzte seinen Mitarbeiter entwickeln und was braucht er, um besser zu werden. Eigentlich müsste es das Ziel der Führungskraft sein, dass der eigene Mitarbeiter besser wird als er selbst, aber das schaffen viele vom Ego her nicht.

IZ: Gibt es weitere Faktoren für gute Führung?

Sträter: Wir unterscheiden fünf Indikatoren. Zum einen sollte die Führungskraft durch das Unternehmen gehen, und sich selbst ein Bild machen wie es aussieht. Fehlt etwas? Ist der Gesamteindruck eher schlampig oder aufgeräumt? Ein weiterer Indikator ist Offenheit. Trauen sich die Mitarbeiter, mit ihren Anliegen zu ihrem Vorgesetzten zu gehen? Wie steht es um die Personalentwicklung? Dabei geht es nicht um die Anzahl der Weiterbildungstage, sondern um eine individuelle Förderung des Mitarbeiters. Auch die Gleichbehandlung der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens ist wichtig. Gibt es Anlass für Neid und Missgunst? Und als letztes, wie transparent werden Entscheidungen gefällt?

IZ: Gibt es bestimmte Branchen oder Unternehmenstypen, für die gesunde Führung kein Problem darstellt?

Sträter: In Start-up-Unternehmen zeigen die Mitarbeiter gerade in der Aufbauphase oft überdurchschnittliches Engagement. Doch auch dort lässt sich mit zunehmender Komplexität der Organisation häufig ein Knick feststellen.

IZ: Das heißt, große Organisationen können gar nicht die Voraussetzung für gesundes Führen schaffen?

Sträter: Doch, die European Foundation of Quality Management berücksichtigt gesunde Führung in ihrem Managementkonzept. Der Ansatz ist auch für große Unternehmen umsetzbar.

Führungskräfte-Trainings haben oft nur wenig Effekt

IZ: Viele Bildungseinrichtungen bieten Weiterbildungsseminare für Manager an. Ist gute Führung trainierbar?

Sträter: Der Effekt von Führungskräfte-Seminaren ist oft relativ gering, denn die Bedürfnisse der Lenker, ihre Verlustängste, Rollenerwartungen und ihre eigenen Karrierepläne werden meist nicht berücksichtigt. Zudem wird nur trainiert, wie Chefs mit ihren Teammitglieder umgehen sollten. Das Warum wird oft nicht vermittelt: Der Aufbau unserer Gehirnstrukturen macht ein bestimmtes Führungsverhalten zwingend erforderlich. Auch kommen solche Seminare oft zu spät. Sie müssen bereits in der Ausbildung der Führungskräfte stattfinden. Da sind uns die Amerikaner und auch die Engländer ungefähr ein Jahrzehnt voraus. An der Universität Kassel werden arbeits- und organisationspsychologische Seminare in die Ingenieursausbildung integriert, aber damit stehen wir in Deutschland ziemlich alleine da.

IZ: Können Unternehmen ihre Konflikte mit geschulten Teamleitern selber lösen?

Sträter: Wenn sich die Angestellten bislang nur auf eine Wartehaltung zurückgezogen habe, dann kann das eine Organisation eventuell noch selber intern lösen.

IZ: Und wenn Teammitglieder bereits offen über ihren Chef nörgeln?

Sträter: Dann ist eine geschickte Umorganisation der Abteilung oder des Teams hilfreich, die einen Neuanfang für alle bedeutet. Führt ein Vorgesetzter sehr schlecht, dann muss er ausgetauscht werden. Das ist für Organisationen jedoch ein sehr schmerzhafter Prozess, weil in dieser Zeit das Team desorientiert und folglich nicht leistungsfähig ist.

IZ: Das klingt aufwendig.

Sträter: Das ist es auch. Aber es ist nicht so teuer, wie die Folgen weiterer ungesunder Führung das Unternehmen auf lange Sicht kosten. Ein fortgeschrittener Konflikt ist nach meiner Erfahrung fast nicht mehr zu moderieren, auch nicht durch externe Kräfte. Es ist zudem extrem schwierig, mit jemandem wieder vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, der einen in der Vergangenheit übel angeschnauzt hat. Solche Erfahrungen lassen sich nicht löschen. Deswegen darf es ein Chef also besser erst gar nicht erst so weit kommen lassen.

IZ: Prof. Sträter, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sonja Smalian.

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