Powerpoint ist die Ausrede des Unvorbereiteten
Verlegen nestelt der junge Mann am Schlips. Seine Worte kommen erst zögernd, dann sprudeln sie aus seinem Mund. Mit starrem Blick auf seine elektronischen Folien hastet er durch ein opulentes Zahlenwerk, liest „Botschaften“ wie „Der Kunde ist König“ von der Wand, vergleicht Äpfel mit Birnen, verkauft Binsenweisheiten als neu und informativ, kommt nicht zum Schluss und zieht kein Fazit. Danach wissen seine Zuhörer: „Der Mann kann lesen.“ Mehr nicht. Überzeugen, mitnehmen und begeistern geht anders. Denn ein Bauvorhaben, eine Vertriebskampagne oder ein Marketingkonzept so vorzutragen, dass die Botschaft ankommt, ist hohe Kunst.
Ganz anders zum Beispiel Willi Brandt. Der große schwere Mann, früher Öffentlichkeitsarbeiter der nach Österreich verkauften bundeseigenen Vivico, wirkt entspannt, souverän, hat reden gelernt und sagt: „Eine Zahlenaussage pro Präsentation, locker bleiben, nicht vorlesen und Körpersprache bewusst einsetzen.“
„Doch das ist Handwerk“, sagt der heutige Eigentümer der Frankfurter Agentur Markenguthaben. Und kommt erst im zweiten Schritt. Davor gilt es, Grips einzuschalten und zu überlegen: Was will ich eigentlich sagen? Was will ich mit der Präsentation erreichen? Wie lauten meine Kernbotschaften? Wo steht mein Unternehmen? Was will ich erreichen?
Danach muss der Redner mit seinen Helfern die Botschaften in Worte packen. Unternehmen in angespannten Situationen sollten ihre Schwierigkeiten zum Beispiel nicht verschweigen, aber auch nicht zum Hauptthema machen. Sie könnten sagen: „Wir investieren x Mio. Euro in das Bauvorhaben y. Y ist ein tolles Projekt mit ganz hervorragenden Zukunftsaussichten. Wie beim Segeln“, sagt Brandt, „etwas dagegenhalten, aber nicht so viel, dass der Kahn kentert.“
Ein Vortrag muss eine gute Geschichte erzählen
Ist bei einer Quartiersentwicklung, wie am Berliner Hauptbahnhof, ein Gebäude zum Beispiel misslungen, gibt der gute Redner das zwar kurz zu, weist jedoch sofort auf all die anderen Gebäude mit besserer Architektur hin. „Dabei darf man ruhig etwas überzeichnen.“
Doch auch das Handwerk einer Präsentation will gelernt sein. Ein Vortrag muss logisch aufgebaut sein und sich am besten mit einer Hand voll übergeordneter Kernbotschaften vom Großen ins Kleine entwickeln. So kann der Redner auch einmal Details unterhalb einer Kernbotschaft überspringen, wenn die Zeit davonläuft. „Wir besitzen ein Portfolio. Das besteht aus Büros, Hotels und Einkaufszentren. Einkaufszentren haben wir zehn im Ausland, zwanzig im Inland und eins in Wolfenbüttel. Unser Haus in Wolfenbüttel …“ Und er muss eine gute Geschichte erzählen. Das sagt auch Lutz Grimm, Geschäftsführer der Berliner Agentur für Kommunikationsdesign TPA. „Eine Präsentation sollte vor allem eine Geschichte erzählen, die mit Charts, Ausdrucken und Dummys unterstützt wird.“
Bei der Präsentation von Zahlenmaterial gilt: am besten nur eine Zahlenaussage pro Folie. Legende ist der Personalchef, der durch Universitäten tingelte, um für Nachwuchs im Unternehmen zu sorgen. Er zeigte den jungen Leuten zwei Tore mit jeweils einer Zahl: Durch die eine Tür gingen 380 junge Leute in die Firma hinein, durch die andere nur drei wieder hinaus. Die Botschaft kam an. Besser als 1.000 Worte. „Informationen gibt es im Überfluss“, sagt Brandt.
Mehr als fünf Zahlen kann sich niemand merken
Das Geheimnis ist die Reduktion. Mehr als fünf Zahlen kann sich niemand merken. Hinzu kommt: Zahlen wollen erläutert werden. „Wir haben zwanzig Hotels im Bestand.“ Aha. Na und? Wer das sagen möchte, muss im unmittelbaren Anschluss erklären: Wie bringen die Herbergen das Unternehmen voran? Was bedeutet der Besitz von 20 Hotels? Dem Redner ist die Bedeutung klar, dem Zuhörer nicht.
Ein Vortragsredner muss persönlich gut vorbereitet sein. Profi Brandt lernt seinen Einstieg vorher auswendig und übt die ersten Sätze laut vor sich hin. Er kennt Details, ohne sie alle sofort an die Wand zu werfen oder aufzusagen. Wer von 5.000 Immobilien spricht und auf Nachfrage nicht weiß, ob es sich um 5.000 Gebäude oder Gebäudeensembles handelt, sei blamiert.
„Powerpoint ist eine der besten Ausreden, sich nicht auf einen Vortrag vorzubereiten“, sagt der Experte weiter, „eigentlich muss ich genauso gut weitermachen können, wenn der Strom ausfällt.“ „Wer sich zum Sklaven seiner Präsentation macht, wird selber zum Dummie“, assistiert Grimm. Und die Berliner Kommunikationsagentin Dorothee Stöbe hält Powerpoint-Präsentationen ebenfalls nicht für die erste Wahl. „Interaktive Präsentationen lassen sich mit onlinegestützten Programmen wie Keynote oder Prezi viel dynamischer gestalten.“ In kleiner Runde sei aber auch ein einfacher, guter Vortrag manchmal mehr. Im Anschluss lässt die Fachfrau ihren Zuhörern ein „Booklet“ als Visitenkarte da. „Wichtig ist, dass es Spaß macht, das zu lesen, es gut aufbereitet ist und alle Fakten/Kosten beinhaltet, die in der Präsentation nur angesprochen wurden.“ Der „Gipfel“ ist erreicht, wenn der Redner nicht im Rhythmus seiner Folie bleibt und keiner etwas merkt. Nicht er selbst, nicht seine Zuhörer. Wer denkt, dieses Szenario hätten wir uns ausgedacht, der irrt. Wer regelmäßig Gast von Präsentationen ist, weiß, wie abhängig Redner von ihren elektronischen Helfern sind und wie oft überforderte Jünglinge verzweifelt auf Laptops herumhacken, während dem Menschen auf der Bühne zur Überbrückung der Zeit nichts einfällt. Nicht mal ein Witz.
Seriosität muss nicht langweilig sein
Apropos Witz: Auch seriöse Präsentationen von Bauvorhaben oder Finanzierungskonzepten müssen nicht zwingend langweilig sein. Willi Brandt hat dabei vergleichsweise leichtes Spiel. „Mein Name ist Willi Brandt. Ich heiße wirklich so. Und so können Sie nachher behaupten, heute eine Rede von Willy Brandt gehört zu haben.“
Egal, ob originell und witzig – damit ist das Eis gebrochen. Die Leute sind wach. Und das ist wichtig. Die Hirnforschung zeigt, dass als langweilig bewertete Informationen auf der Festplatte im Kopf ruckzuck wieder überschrieben werden. Um den „Haftungswert“ von Inhalten zu erhöhen, gibt es ein weiteres Instrument. Die Körperhaltung: Nicht nur nicht am Schlips nesteln, sondern ebenfalls nicht starr das Pult umklammern und sich zwischendurch bewegen und bei wichtigen Kernaussagen innehalten. „Wir investieren im kommenden Jahr 5 Mio. Euro in den Neubau bezahlbarer Wohnungen.“
Genauso wichtig: langsam sprechen, ohne zu leiern. „Meine Damen und Herren“, Pause, Pause, Pause, „wir haben 30 Hotels im Portfolio“, Pause, Pause, Pause, „wissen Sie, was das für uns bedeutet?“ Lesen Sie sich, liebe Leser, diese Passage einmal laut vor. Die Wirkung ist enorm. Und halten Sie Ihren Vortrag als Generalprobe einer zweiten Person, „aber einer, die sich auch traut, Ihnen die ehrliche Meinung zu sagen“, schmunzelt der Mann, der noch niemals Bundeskanzler war.
Zwei Dinge entscheiden über Top oder Flop: Bei sich bleiben
Gegen das allgegenwärtige Lampenfieber hilft, neben einer guten Vorbereitung, die für das Kribbeln zuständigen Emotionen im Zaum zu halten. Brandt selbst löst eine größere Rechenaufgabe im Kopf, 328 geteilt durch 12, oder malt geistig, mit geschlossenen Augen, eine riesige Acht. „Zahlen lenken das Gehirn auf die Verstandesebene.“
Weiterer Tipp: Persönliche Assistenten und Zuarbeiter, die Hektik verbreiten, Zettelchen zustecken – rausschmeißen. Und statt das letzte Detail aufzusaugen und vor Aufregung unter Umständen gleich wieder zu vergessen: vor der Tür ein Eis essen.
Doch all das Klappern mit all dem Handwerkszeug nützt gar nichts, wenn der Redner nicht zwei Dinge beherzigt. Das Eine: bei sich bleiben. Wer ein großes Haus auf einer schönen grünen Wiese plant, trifft bei Investoren, Finanziers, Mietern, Käufern, den Anwohner drum herum, Naturschützern und dem Bürgermeister zwangsläufig auf unterschiedliche Interessen. Er kann in seinen Vorträgen vor Kritikern durch gewählte Ausdrücke – statt Hochhaus, igitt, Gebäudeensemble mit Hochpunkt – lenkend eingreifen und subtil Widerstände minimieren. Jedem recht machen kann er es nicht. „Das war mit Freibier für alle früher einfacher“, lacht Brandt.
… und Eigenbild, Fremdbild und Wirklichkeit abstimmen
Heute dagegen schreien die für Corporate Governance zuständigen Leute: Nein! Das Bier ist Bestechung. Andere schimpfen: Alkohol promoten, bloß nicht! und fragen die Dritten, ob der Gerstensaft auch ökologisch gebraut sei. Solch kleiner Schwank, selbst wenn er nicht soooo neu ist, hilft im Verlauf der Präsentation die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Showmaster nicht nur beim Fernsehen gehen dafür zur Weiterbildung.
Der zweite Punkt: Eigenbild, Fremdbild und Wirklichkeit aufeinander abstimmen. Einem, dem das vor bald zehn Jahren nicht gelang, hängt sein verhängnisvoller Fehler noch heute nach. Hilmar Kopper, damals Vorstandssprecher der Deutschen Bank, benutzte den Ausdruck „Peanuts“ im Zuge der Insolvenz des Immobilienunternehmers Jürgen Schneider für offene Handwerkerrechnungen im Wert von 50 Mio. DM. Diese Zahl setzte Kopper in Relation zu den gesamten Forderungen in Höhe von 5 Mrd. DM. Im Hinblick auf Eigenbild und Wirklichkeit waren die 5 Mio. DM, 1% der Gesamtsumme, also wirklich klein wie eine Erdnuss. Als Fremdwirkung auf die um ihre Existenz bangenden Handwerker und die Öffentlichkeit war die Äußerung fatal. Daran änderte auch nichts, dass die Deutsche Bank Rechnungen schließlich aus eigener Tasche zahlte. Peanuts wurde 1994 zum Unwort des Jahres erklärt.