"Immobilienwirtschaft bedeutet Arbeit mit Menschen für Menschen"
Professionalisierung. Nach 29 Jahren an der Dualen Hochschule Sachsen hat sich Kerry Brauer bei einem Alumnitreffen von ihren Weggefährten verabschiedet. Ihren Posten als Direktorin hat sie zum Semesterwechsel abgegeben und blickt nach den Jahren an der Hochschule auf die Entwicklung und Professionalisierung von Studiengängen in der Immobilienwirtschaft zurück. Aus ihrer Sicht hängen diese vor allem mit den veränderten Anforderungen an Immobilien zusammen.
Immobilien Zeitung: Frau Brauer, wie haben Sie persönlich Ihren Weg in die Immobilienwirtschaft gefunden?
Kerry Brauer: Durch Zufall. Ich habe in Leipzig Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach meiner Promotion und Habilitation habe ich die Uni 1992 verlassen. Weil Geld und Währung mein Forschungsgebiet waren, bin ich bei einer Bank für Immobilienfinanzierungen eingestiegen. Doch ich habe nach einiger Zeit gemerkt, dass ich keine Bankerin bin. So bin ich zu einem Projektentwickler gewechselt, bis mir klar wurde, dass mein Herz doch für den Hochschulbereich schlägt, also „back to the roots“.
IZ: Welche Stationen folgten dann, die Ihre Karriere prägten?
Brauer: Ab 1996 war ich wieder an der Hochschule. Für mich war es vor allem die Zeit vorher an der Uni, die mich prägte. Ich habe analytisches Denken und wissenschaftliches Arbeiten gelernt. Mit dieser Befähigung kann man sich überall einarbeiten. Die Jahre in der Praxis, vor allem in der Projektentwicklung zu einer Zeit, in der dieses Feld in Ostdeutschland boomte, haben meine Begeisterung für das Thema Immobilien geweckt. Bis heute schätze ich sehr, dass die Branche so viele Möglichkeiten für ganz unterschiedliche Menschen bereithält. Vom Wissenschaftler bis zum Vertriebler.
Neue Anforderungen an die Branchenakteure
IZ: Welche Entwicklungen wirkten sich seitdem auf die Anforderungen an Immobilienprofis aus allen Tätigkeitsfeldern besonders aus?
Brauer: Vor allem die fachlichen Anforderungen an die Branchenakteure haben sich verändert. In erster Linie bedeutet Immobilienwirtschaft Arbeit mit Menschen für Menschen. Denn letztendlich wird eine Immobilie immer genutzt. Wer Gebäude schafft, braucht deshalb den Austausch mit dem Nutzer und muss seine Anforderungen an eine Immobilie kennen und verstehen, nur so wird ein Projekt erfolgreich. Ungenutzte Immobilien hingegen sehe ich als Verschwendung von Volksvermögen. Mein Konzept war es immer, sich am Lebenszyklus einer Immobilie zu orientieren. Dieser hat sich in den letzten 30 Jahren nicht verändert, sehr wohl aber die Anforderungen an das Management. Etwa in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit, aber auch mit Blick auf stadtplanerische Themen. Die wurden immer wichtiger, genauso wie Transparenz für alle Beteiligten an einem Projekt. Und auch das Thema Digitalisierung wird uns in den kommenden Jahren weiterverfolgen. Hier ist es wichtig, zwischen dem technisch Möglichen und wirtschaftlich und nachhaltig Sinnvollem auszuloten.
IZ: Sie waren immer ganz nah dran an den Entwicklungen von Studiengängen. Wie haben diese sich in den letzten 30 Jahren verändert?
Brauer: Die Professionalisierung der Ausbildungs- und Studiengänge ging in den neunziger Jahren erst richtig los. Das Studium basiert in Deutschland auf wirtschaftswissenschaftlichen Methoden und rechtlichen Grundlagen, beinhaltet aber auch technische Inhalte und vermittelt kommunikative Fähigkeiten, die konkret auf die Immobilie beziehungsweise das Immobilienportfolio angewendet werden. Wir wollen Studierenden ein breites Fundament an Wissen vermitteln, das schlussendlich auf die Themen der Immobilienbranche angewendet wird. Es ist immer ein Spagat zwischen der Heranbildung von Generalisten und Spezialisten. Gelöst werden kann das mit der Herausbildung methodischer Befähigungen, bei denen die Studierenden in die Lage versetzt werden, selbst Wissen zu generieren und anzuwenden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, innerhalb des Studiums Vertiefungsrichtungen anzubieten, um spezielle Inhalte unserer facettenreichen Branche anbieten zu können. Gleichzeitig müssen die einzelnen Module im Studium immer stärker miteinander verknüpft werden.
IZ: Wie hat sich das Ausbildungsprofil dadurch verändert?
Brauer: Da sind natürlich die zwei gesellschaftlichen Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die Nachfrage nach Kenntnissen aus dem Gebiet Smart Business ist bei unseren Praxispartnern gestiegen. Wie in jeder Branche stellt der Einzug von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in den Berufsalltag die Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die Erwartungshaltung zu digitalen Themen im Studium ist von Arbeitgeberseite aus groß. Sie erwarten zunehmend technisches Verständnis von den Absolventen, um ihre Teams mit Blick auf dieses Know-how durchmischen zu können. Das Thema Nachhaltigkeit ist mittlerweile zur Selbstverständlichkeit im Studium geworden. Und außerdem wünschen sich Arbeitgeber mehr Durchhaltevermögen von Absolventen. Sie wollen, dass sie im Berufsleben an einer Sache dranbleiben und ihre Ideen und Ziele langfristig verfolgen.
IZ: Wie kann eine Hochschule das leisten?
Brauer: Es geht immer um die Vermittlung von theoretischen Grundlagen und anwendungsspezifischem Wissen. Als Hochschule müssen wir dafür sorgen, dass Studierende motiviert und neugierig darauf sind, was die facettenreiche Branche zu bieten hat. Für mich ist immer das Wichtigste, die Studierenden für ihr Studienfach zu begeistern. Und natürlich besteht unsere Aufgabe als Hochschule darin, unsere Module permanent anzupassen, weiterzuentwickeln und der Praxis ein paar Schritte voraus zu sein, aber auch darin, Studierende dafür zu sensibilisieren, wo Wissen über das Studium hinaus noch weiter vertieft werden sollte.
Theorie und Praxis müssen Hand in Hand gehen
IZ: Welche Rolle spielt die Verbindung zwischen Theorie und Praxis in der Hochschulausbildung?
Brauer: Wir bieten schon immer duale Studiengänge an. Ein Studienvertrag mit einem Unternehmen ist neben der Hochschulreife Voraussetzung für die Zulassung und der vierteljährliche Wechsel zwischen Theorie und Praxis ist die DNA unseres Studiums. Die in der Theorie vermittelten Inhalte können und sollen die Studierenden in den praktischen Studienphasen anwenden und vertiefen. Wir haben nicht nur für die theoretischen, sondern auch für die praktischen Studienphasen Modulbeschreibungen und diese sind aufeinander abgestimmt.
IZ: Wie erleben Sie den Kontakt zwischen Hochschule, Studierenden und Arbeitgebern?
Brauer: Eng, positiv, vertrauensvoll, anregend. Aufgrund der Heterogenität der Themenfelder und der steigenden Anforderungen an die Akteure in der Branche ist der ständige Austausch unerlässlich. Uns ist die Zusammenarbeit mit den Praxispartnern enorm wichtig. Diese haben Mitgliederstatus an unserer Hochschule und wirken in unseren Hochschulgremien mit. Außerdem besteht immer ein enger Austausch bei der Weiterentwicklung unserer Studiengänge. Aber wir wollen auch mit unseren Alumni langfristig in Kontakt bleiben. Viele von ihnen sind inzwischen selbst Arbeitgeber und unsere Praxispartner. Dadurch kennen sie das Studium aus eigener Erfahrung und können die Belastung gut einschätzen. Manche wirken auch als Dozenten direkt an der Hochschule mit. Dass viele in Leitungspositionen gelandet sind, macht mich natürlich stolz.
Die Expo Real hat sich professionalisiert
IZ: Nicht nur die Themen und das Studium in der Immobilienwirtschaft haben sich verändert. Auch große Events wie die Expo Real wurden in den vergangenen Jahren erst zu dem, was sie heute sind. Welche Entwicklungen konnten Sie dabei beobachten?
Brauer: Ich erinnere mich noch an die erste Auflage der Expo Real. Als Hochschule war man damals gern gesehener Aussteller. Die Messe war noch klein und unbekannt, sodass die ganzen Plätze erst einmal befüllt werden mussten. Das hat sich leider geändert, sodass Hochschulen sich die Teilnahme zum Teil gar nicht mehr leisten können, wenn sie keine Unterstützung von Partnern wie der Gif bekommen. Wie weit sich die Messe professionalisiert hat, erkennt man aber auch daran, dass das Spektrum des Fachprogramms enorm vielfältig ist und die Vorträge inzwischen auf Englisch gehalten werden, um auch ein internationales Publikum anzusprechen. Und noch etwas ist auffällig: Das Verhältnis zwischen den männlichen und den weiblichen Besuchern hat sich gewandelt. Frauen in Leitungspositionen in der Branche werden mehr und das sieht man auch auf der Messe.
IZ: Zu guter Letzt: Welchen Rat geben Sie Ihren Studierenden und den zukünftigen Brancheneinsteigern noch mit auf ihren weiteren Weg?
Brauer: Über den Tellerrand zu blicken. Nicht nur immobilienwirtschaftliche, sondern volkswirtschaftliche, wirtschaftspolitische, soziologische und psychologische Themen berühren unsere Branche. Wer heute in die Immobilienwirtschaft einsteigt, muss sich im Klaren darüber sein, dass sich gesellschaftliche Entwicklungstrends immer auf die Aufgaben und Anforderungen an das Immobilienmanagement auswirken werden. Immobilienentwicklungen müssen von der Zukunft aus und nicht von der Vergangenheit aus gedacht werden. Wie werden sich die Formen des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens verändern? Worin bestehen optimale Lösungen beim Neubau und der Modernisierung von Immobilien unter Berücksichtigung der drei Säulen der Nachhaltigkeit – ökologisch, sozial und ökonomisch? Nur wer sich mit diesen Fragen auseinandersetzt, kann in der Praxis anschließend die richtigen Entscheidungen treffen.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte