"Ich will die Vision meiner Generation mit einbringen"
Nachfolge. Mit Mitte 20 ist Celine Winter in die Firma Ihres Vaters eingestiegen. Eigentlich wollte sie sich selbstständig machen. Jetzt pendelt sie für das Family-Office W5 Group zwischen den USA, Deutschland und der Schweiz und kennt auch die strengen Seiten ihres Vaters.
Immobilien Zeitung: Sie sind 2022 in das Unternehmen Ihres Vaters eingestiegen. War das schon immer so geplant?
Celine Winter: Nein, geplant war das nicht. Ich habe während Corona in den USA studiert und meinen Master zum Thema Nachhaltigkeit gemacht. Damals gab es diesen Studiengang im deutschsprachigen Raum nämlich noch nicht. Aber mein Vater war schon vor zehn Jahren in die USA ausgewandert, weil seine Firma, die W5 Group, ihre Investitionen in den US-amerikanischen Markt verlagert hat. Eigentlich wollte ich mich nach dem Studium als ESG-Consultant selbstständig machen. Die Firma meines Vaters war mein erster Kunde und ich habe mich sehr in die Arbeit reingehängt. Schließlich hat er mir irgendwann einen Arbeitsvertrag angeboten, damit ich fest bleibe und meine Arbeit fortsetzen kann.
IZ: Sie haben sich also schon vor dem Einstieg in die Firma für Immobilien interessiert?
Winter: Seit ich ein kleines Mädchen war, saß ich bei meinem Vater im Büro. Ich habe Hausaufgaben gemacht und viele Gespräche mitbekommen. Auch meine Mama war lange Zeit im Bereich Immobilien tätig. Das Thema wurde mir also in die Wiege gelegt und ich bin damit aufgewachsen.
IZ: Hat sich Ihre Sicht auf die Branche seit Ihrem endgültigen Berufseinstieg verändert?
Winter: Absolut. Früher dachte ich, wenn man eine Idee hat, dann setzt man sie einfach um – oder lässt die Firma sie für einen umsetzen. Inzwischen weiß ich, dass das nicht immer so einfach ist.
IZ: Haben Sie ein Beispiel dafür?
Winter: Wir hatten bei einem Objekt die Vision von Coliving. Ähnlich wie in einer WG sollten junge Leute zusammenkommen und gemeinsam unter einem Dach leben. Jeder mit eigenem Schlaf- und Badezimmer, aber eben auch mit gemeinsam genutzten Räumen. In den USA ist Shared Living jedoch ein relativ neues Konzept. Wir mussten die Vermietung daher so gestalten, dass der Mieter zunächst überhaupt versteht, was wir anbieten – das stellte ganz andere Anforderungen an unser Marketing als zuvor.
IZ: Welche Rolle genau haben Sie jetzt im Unternehmen?
Winter: Als Next-Gen-Principal arbeite ich eng mit meinem Vater zusammen. Ich kreiere Konzepte für Projekte wie Studentenwohnen und Shared Living. Dabei liegt mein Fokus darauf, nachhaltige ESG-Strategien zu integrieren. Dafür habe ich die Marke i5 aufgebaut und weiterentwickelt. Ein starkes Netzwerk spielt für mich auch eine große Rolle – ich betreue Investoren und organisiere internationale Events, um neue Impulse zu setzen und das Geschäft weiter auszubauen.
IZ: Wie ist es, den Vater als Chef zu haben? Kann man Berufliches und Privates da immer trennen?
Winter: Das ganz zu trennen, ist schwierig. Das merke ich vor allem, wenn wir gemeinsam im Urlaub sind. Man liest etwas mit Branchenbezug oder bekommt eine Mail rein – und muss sich direkt austauschen. Aber ich merke auch, dass mein Vater in der Firma strenger ist. Dort ist er ganz klar der Chef, während er zu Hause wieder der Papa ist.
IZ: Hatten Sie deshalb je Bedenken, in die Firma einzusteigen?
Winter: Natürlich. Sehr große sogar. Ich habe mit vielen Menschen über dieses Thema gesprochen, vor allem mit Menschen, die meinen Vater aus dem beruflichen Umfeld kannten. Doch letzten Endes gehören solche Erfahrungen für mich zum Berufsleben einfach dazu – egal wo ich arbeite.
IZ: Nun sind Sie beide ja im wahrsten Sinne des Wortes aus verschiedenen Generationen. Merkt man das im Berufsalltag?
Winter: Ein großer Unterschied ist ganz klar die Expertise. Mein Vater bringt mit über 40 Jahren Berufserfahrung einen enormen Wissensschatz mit. Da kann ich noch viel von ihm lernen. Gleichzeitig setze ich in einigen Bereichen neue Schwerpunkte, insbesondere durch innovative Strategien und Trendansätze. Eine gute Unternehmenskultur liegt mir sehr am Herzen. Ich bin Mitarbeitern und Kollegen gegenüber etwas emotionaler. Auch nehme ich mir gerne die Zeit, mit Teammitgliedern zum Mittagsessen zu gehen, und schätze ein familiäres Arbeitsklima.
IZ: Und wie kommt diese Herangehensweise bei den Mitarbeitern an?
Winter: Sehr gut. Ich hatte am Anfang einige Bedenken, wie es sein wird, wenn ich die Leitung einzelner Sektoren übernehme und Mitarbeitern, die älter sind als ich, Anweisungen geben soll. Doch durch respektvollen Umgang auf Augenhöhe fühle ich mich nicht als die Tochter vom Chef wahrgenommen, sondern für meine Expertise geschätzt und dafür, dass ich die Visionen meiner Generation einbringen will.
IZ: Sie pendeln beruflich viel zwischen Deutschland, der Schweiz und den USA. Wie prägen die Eindrücke aus unterschiedlichen Ländern und Städten Ihre Sicht auf das Thema Wohnen?
Winter: Ich schätze es sehr, dass Visionen in den USA oft schnell und unkompliziert umgesetzt werden können. Gleichzeitig bringen wir die hohe deutsche Bauqualität und unser Engagement für ESG-Standards mit. Das schafft nachhaltigen Mehrwert, auch wenn es gelegentlich Überzeugungsarbeit bei den Partnern braucht. Unser Fokus bleibt jedoch darauf, Renditen, Qualität und Nachhaltigkeit erfolgreich zu verbinden.
IZ: Und wie wirken sich die unterschiedlichen Kulturen und Arbeitsansätze auf die Zusammenarbeit im Team aus?
Winter: Unsere Mitarbeiter sitzen größtenteils in den USA, genauer gesagt in Miami, weil wir einfach dort sein müssen, wo unsere aktiven Projekte sind. Wenn ich in Europa unterwegs bin, muss ich mich darauf verlassen können, dass alles reibungslos weiterläuft, auch wenn ich mal zwei Wochen weg bin. Eine Herausforderung war definitiv, mich erst einmal an das amerikanische Arbeitsrecht zu gewöhnen. Als eine Mitarbeiterin wegen eines Umzugs kündigte, war sie nach dem Hire-and-Fire-Prinzip innerhalb von zehn Tagen weg, ohne dass ich einen langfristigen Ersatz organisieren konnte. So etwas wäre in Deutschland natürlich undenkbar.
IZ: Wo sehen Sie sich und die W5 Group in ein paar Jahren? Wollen Sie die Firma einmal komplett als Chefin übernehmen?
Winter: Absolut – sonst hätte ich jetzt nicht die Position, die ich habe. Und sonst würde ich mich auch nicht so sehr in meinen Job einbringen. In den nächsten zwei bis drei Jahren möchte ich erst einmal meinen eigenen Track-Record aufbauen. Und die jetzige Strategie auf Familiy-Office-Ebene schätze ich im Moment auch sehr. Doch langfristig würde ich schon gerne wachsen. Zum einen als Unternehmen und zum anderen, um mit noch mehr Menschen aus der Branche zusammenzukommen und zusammenarbeiten zu können. Zudem würde ich mich auch freuen, wenn meine beiden Geschwister einmal Lust hätten einzusteigen. Aber sie sind noch sehr jung und niemand schreibt ihnen vor, welchen beruflichen Weg sie einmal einschlagen sollen.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Winter.
Das Interview führte Janina Stadel.