Die Jobs liegen nicht auf der Straße
Arbeitsmarkt. Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft halten sich mit Neueinstellungen zurück. Wer einen Karriereschritt plant, muss sein Netzwerk taktisch nutzen, um von Vakanzen überhaupt zu erfahren.
Als „herausfordernd“ bezeichnet Robin Lais die Jobsuche für absolute Berufseinsteiger in der Bau- und Immobilienwirtschaft. „Der Einstieg durch klassische Bewerbungen ist schwieriger als noch vor einigen Jahren.“ Lais hat 2023 das Nachwuchsnetzwerk Rics Matrics in Deutschland aufgebaut und weiß aus dem informellen Austausch zwischen den Mitgliedern, dass schon die Vorbereitung einer Bewerbung für viele zeitaufwendig und schwierig geworden ist. Denn allein die Suche nach Einstiegsmöglichkeiten hat sich für Branchenneulinge in den letzten drei Jahren erschwert. Wer sich ins Berufsleben stürzt, muss sich nämlich über ganz unterschiedliche Kanäle über potenzielle Karrierechancen informieren.
Das Thema Stellensuche ist im Netzwerk zwar kein offizieller Tagesordnungspunkt, doch die Nachwuchskräfte, die sich den Matrics anschließen, wissen, dass die persönlichen Kontakte, die sie dort mit Gleichgesinnten und auf Veranstaltungen mit Branchenakteuren oder gar Arbeitgebern knüpfen können, Türöffner sind. Sie ermöglichen es ihnen, von Jobs zu erfahren, die sie in Stellenanzeigen oder in den Karriereportalen der großen Unternehmen nie finden würden.
Die Strategie, über Umwege und gezieltes Kennenlernen von Branchenakteuren bei interessanten Firmen einen Fuß in die Tür zu bekommen, nutzen die Rics Matrics auch auf der Immobilienmesse Expo Real. Sie treffen sich etwa zu einem Netzwerkfrühstück am Stand der Immobilienverwaltung Yardi – und zwar schon einen Tag, bevor die offizielle Karrieremesse Career Day ihre Pforten öffnet. Zu der werden am Messemittwoch in diesem Jahr rund 1.000 Besucher erwartet. So lauten die Hochrechnungen der Messe München mit Blick auf die Besucherzahlen aus den vergangenen Jahren und die vorbestellten Tickets zu vergünstigten Studentenkonditionen. Auf der Ausstellerseite haben sich für 2025 insgesamt 36 Unternehmen angemeldet, die sich als Arbeitgeber präsentieren wollen – 2024 waren es noch 43, in den Jahren davor noch mehr.
Gezielte Einladungen zum Kennenlernen
„Ganz generell beobachten wir, dass die Unternehmen derzeit zurückhaltend beim Personalaufbau sind“, sagt Sabine Wagner, Sprecherin der Messe München. Nicht zuletzt deshalb sei es schwierig geworden, das Konferenzprogramm zu erstellen, das den Career Day begleiten soll. „Tatsächlich ist es in diesem Jahr nicht ganz einfach, Experten zu finden“, gesteht Wagner. Denn statt auf die große Bühne beim jährlichen Branchentreffen setzen die Arbeitgeber auf der Suche nach klugen Köpfen immer mehr auf persönliche Treffen und gezielte Einladungen von Gruppen an ihren Ständen, so wie beim Frühstück der Rics Matrics.
Für die Stellenanwärter bedeuten diese individuellen Veranstaltungen, dass sie neben den HR-Verantwortlichen am Karrierestand auch auf Mitarbeiter direkt aus den Fachbereichen treffen können. Diese wiederum bekommen einen ersten Eindruck von den möglichen zukünftigen Bewerbern. „Positionen werden oft über persönliche Kontakte und Empfehlungen besetzt, bevor sie überhaupt ausgeschrieben werden“, weiß auch Lais.
Das spiegelt sich auch in der Online-Jobbörse der Expo Real wider. Sie füllt sich 2025 in ähnlich langsamem Tempo wie das Konferenzprogramm. Zwar werde ein Großteil der Ausschreibungen laut Wagner erst wenige Tage vor der Messe veröffentlicht, um möglichst aktuell zu sein. Doch während in den vergangenen Jahren schon ab Anfang September die Angebote nach und nach auf der Webseite der Messe abrufbar waren, finden sich zwei Wochen vor dem Messestartschuss in diesem Oktober erst knapp über 40 Stellen von rund 20 Unternehmen in der Liste. Einige beziehen sich nicht einmal auf konkrete Vakanzen, sondern zeigen nur an, dass Initiativbewerbungen oder die Aufnahme in einen Talentepool, zum Beispiel bei CBRE, möglich sind. Dabei sollen diese Stellenausschreibungen am Karrieretag die erste Anlaufstelle für Besucher sein und sie an die Ausstellerstände locken, um dort ein Gespräch über konkrete Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten zu beginnen.
Nachfrage nach Nachwuchskräften lässt nach
Die Personalberaterin und Geschäftsführerin von Artes Recruitment, Bushra Nadeem, sieht in den zähen Vorbereitungen der Karrieremesse ein Zeichen dafür, dass in den Unternehmen wenig Bedarf an Nachwuchskräften besteht. Zwar haben die Einstellungen branchenweit in den vergangenen Monaten wieder zugenommen, doch diese beziehen sich aufgrund der Marktphase auf Fachkräfte mit einigen Jahren Berufserfahrung und weniger auf Einstiegs- oder Juniorpositionen. Sie und ihr Team sehen aber auch noch einen weiteren Grund hinter dem nachlassenden Werben um Nachwuchskräfte in den großen Immobilienunternehmen. „Da in den vergangenen Jahren wenig bis kaum eingestellt worden ist, wurden die entsprechenden Budgets in den Unternehmen heruntergefahren“, sagt Nadeem. Hinzu komme die weiter herrschende wirtschaftliche Unsicherheit in der Branche, die noch immer viele Arbeitgeber verunsichere und sie damit von Budgetumverteilungen abhalte.
Auf der Seite möglicher Bewerber spielen die Wochen kurz vor und nach der Expo Real hingegen eine wichtige Rolle bei der Recherche nach Wechselmöglichkeiten. Die Zugriffszahlen von IZ Jobs, dem Karriereportal der Immobilien Zeitung, zeigen, dass die Leser ab September öfter Stellenanzeigen aufrufen als in der zweiten Sommerhälfte oder rund um den Jahreswechsel. Für Personalberaterin Nadeem ist das ein Zeichen dafür, dass sich einige Messebesucher schon vor der Anreise gezielt nach Vakanzen umsehen, um während der Messetage mit möglichen zukünftigen Arbeitgebern in Kontakt zu kommen. „Im persönlichen Gespräch kann man seine Haltung, Motivation und Begeisterungsfähigkeit übermitteln, die in einem Videocall oder Telefonat gar nicht beim Empfänger ankommen – sofern man überhaupt einen Termin bekommt“, beschreibt sie die Vorteile von persönlichem Kennenlernen in der besonderen Messeatmosphäre.
„Man kann hierdurch als Bewerber im Gespräch mit HR-Verantwortlichen oder Geschäftsführern tatsächlich an Stellen kommen, die nicht ausgeschrieben sind“, nennt sie einen weiteren Vorteil. Wenn die Stimmung gut ist, öffne der Messemodus sogar den ein oder anderen Entscheider dafür, neue Positionen im Unternehmen anzustoßen. „Ein Beispiel: Eine Person, die Kompetenz, Motivation und Tatkraft ausstrahlt, stellt sich der Geschäftsführung vor. Die hat möglicherweise Visionen und Pläne im Kopf, von denen die HR-Abteilung noch gar nichts weiß. So kann ein Gespräch mit der Geschäftsführung zur richtigen Zeit der Schlüssel zu einer spannenden Position sein“, beschreibt Nadeem.
Die Zahl der veröffentlichten Stellenanzeigen mit klaren Positionsbeschreibungen hat in den letzten Jahren aber auch abseits der Messehochphase stetig abgenommen. Bei IZ Jobs zeigt sich der Schnitt vor etwa drei Jahren. 2022 wurden dort noch mehr als 1.900 branchenspezifische Stellenausschreibungen veröffentlicht. Ein Jahr später sank die Zahl auf knapp über 1.400. Im Jahr 2024 waren es nur noch 1.131 Gesuche. Der Rückgang der Ausschreibungszahlen bezieht sich sowohl auf diejenigen Sparten, bei denen ein geringeres Auftragsvolumen und somit auch weniger Personalbedarf und Budget keine Überraschung sind, wie in der Transaktionsberatung oder der Projektentwicklung, als auch auf die, die wie das Property-Management über einen Fachkräftemangel klagen. So wurden in der ersten Jahreshälfte 2025 über das Portal nur vier Stellen für Immobilienmakler oder Consultants ausgeschrieben, das war 2023 noch der Durchschnitt für zwei Monate. Im Feld Property-Management gingen in den acht Wochen vor der Expo Real 2023 noch 32 Stellen online, ein Jahr später waren es 24 und zwischen August und Mitte September 2025 nur noch 13.
Dabei läuft die Suche bei den Bewerbern durchaus weiter. „Die Marktphase, in der sich Arbeitnehmer nicht oder kaum proaktiv nach neuen Positionen umgesehen haben, weil überall Stellen abgebaut wurden und die Konjunktur keinen Anlass für einen Aufschwung gegeben hat, ist vorbei“, kennt Nadeem auch die Bewerberseite. Sie merkt, dass es zunehmend die Kandidaten selbst sind, die sich auf die Suche nach neuen Arbeitgebern oder Entwicklungsmöglichkeiten begeben.
Laut dem Xing-Bewerbungsreport haben sich Immobilienprofis, die im vergangen Jahr eine neue Stelle angetreten haben, im Schnitt zuvor über 30 Stellen intensiv informiert oder sich gar auf diese beworben. So kamen laut der Studie im Durchschnitt 23 Bewerber auf eine offene Position, aus denen die Arbeitgeber auswählen konnten. Auch Kandidatenpools, wie sie Personalberatungen wie Artes Recruitment, Cobalt oder Recruiting Match Real Estate mit dem Schwerpunkt Bauberufe anbieten, wachsen. Dort präsentieren sich die Bewerber den Arbeitgebern, statt umgekehrt passiv auf Stellenausschreibungen zu warten.
Durch die aktive Suche der Kandidaten verändert sich auch die Arbeit von Headhuntern wie Nadeem. Sie und ihre Kollegen wollen die Expo Real nicht nur dazu nutzen, mit Arbeitgebern in Kontakt zu kommen, sondern auch, um mögliche Kandidaten kennenzulernen. So können sie nicht nur überprüfen, ob diese zu nicht ausgeschriebenen Stellen ihrer Auftraggeber passen, sondern umgekehrt auch Arbeitgebern Kandidaten präsentieren, die sich ohne die persönlichen Gespräche erst gar nicht bei einem Unternehmen beworben hätten – weil sie entweder noch kein Bild von der Firma als Arbeitgeber hatten oder auf die Vakanz gar nicht aufmerksam wurden.
Nachfrage nach Nachwuchskräften lässt nach