"Die Gen Z wird in der Arbeitswelt verwöhnt"
Lebenswelten. Als Generationenforscher untersucht Rüdiger Maas die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Arbeitnehmern unterschiedlichen Alters. Für ihn ist klar, dass der Fachkräftemangel zum Berufseinstieg die Arbeitshaltung der Gen Z prägen wird.
Immobilien Zeitung: Die Boomer, die Millennials und die Genz Z sind in aller Munde. Als Generationen werden sie oft nach ihren Geburtsjahrgängen eingeteilt. Ist dieses Vorgehen sinnvoll?
Rüdiger Maas: Generell gilt, egal wie eine Einteilung vorgenommen wird: keine Eigenschaft kann immer für alle gelten. Und es gibt auch nicht alle 15 Jahre eine Automatik. Deshalb kann eine Einteilung der Generationen nicht nach den Jahrgängen allein geschehen. Es sind vielmehr äußere Einflüsse und Lebensumstände, die Generationen prägen und die eine Gemeinsamkeit bilden können.
IZ: Von welcher Generation sprechen wir bei den jetzigen Berufseinsteigern und was haben sie gemeinsam?
Maas: Von der Generation Z. Sie ist geprägt vom Umgang mit Social Media. 99,7% aller 18-Jährigen haben ein Smartphone und benutzen es täglich. Laut einer Studie folgen 95% von ihnen täglich Influencern und sehen sie stellenweise als Vorbilder oder Ratgeber an. Zudem haben sich auch Erziehung und Ausbildung verändert.
IZ: Inwiefern?
Maas: In Sachen Erziehung sehen wir, dass Eltern in den letzten Jahren immer stolzer auf ihre Kinder sind und der Anspruch dessen, auf was man stolz ist, ein immer geringeres Niveau einnimmt. Parallel dazu nehmen sie ihren Kindern heutzutage viele Aufgaben und Entscheidungen ab. Was die Ausbildung angeht, haben ein verkürztes Abitur, der Wegfall der Wehrpflicht und die Umstellung der Studiengänge auf das Bachelor-Master-System dazu geführt, dass Nachwuchskräfte in jüngerem Alter in den Beruf einsteigen als ihre Vorgänger.
IZ: Macht das den Vergleich mit älteren Generationen in der Arbeitswelt so problematisch?
Maas: Die Gen Z steigt unter völlig anderen Umständen in den Beruf ein als zum Beispiel die Boomer. Vor allem den Fachkräftemangel gab es zu ihrer Zeit noch nicht. Und auch noch nicht bei den Generationen der Millennials und der Gen Y in den Jahren zuvor. Wie ihre Eltern hatten sie noch die Vorstellung, lange im gleichen Job zu sein, und haben sich deshalb mehrheitlich zu Beginn ihrer Karriere ausprobiert, was ihnen auch den Spitznamen „Generation Praktikum“ einbrachte.
IZ: Welche Auswirkungen haben der Fachkräftemangel und der damit einhergehende War for Talents auf die Arbeitshaltung der Gen Z?
Maas: Der Berufseinstieg ist bei vielen davon geprägt, dass Arbeitgeber nach guten Leuten suchen und nicht umgekehrt. Dadurch entsteht wenig Commitment bei den jungen Berufseinsteigern. Sie identifizieren sich weniger stark mit ihrem Arbeitgeber oder ihrer Stelle, weil sie nicht hart dafür kämpfen oder sich gegen andere Bewerber durchsetzen mussten.
IZ: Wie ändert sich dadurch die Wahrnehmung von Führungskräften?
Maas: Die Älteren nehmen weniger eine Vorbildrolle ein, als es in früheren Generationen der Fall war. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie den Jüngeren – auch im Arbeitsalltag – viel mehr Bewunderung entgegenbringen. Sie wollen von den Nachwuchskräften etwas lernen, statt nur selbst in dieser Rolle zu sein. Doch wenn die junge Generation bewundert wird, ohne wirklich Leistung zu erbringen, läuft der Vorgesetzte Gefahr, nur noch als Dienstleister gesehen zu werden und nicht als Autorität.
IZ: Was bedeutet das für die langfristige Bindung an ein Unternehmen?
Mass: Das bedeutet, ein Arbeitnehmer kündigt, wenn er das Gefühl hat, in einem anderen Unternehmen könnte es noch bequemer für ihn werden. Dass die Generation Z so schwer an einen Arbeitgeber zu binden ist, liegt also auch daran, dass Arbeitgeber sie zu sehr verwöhnen, weil sie ihnen von Anfang an viel bieten wollen, um sie zu sich zu locken, und ihnen nicht nur den Einstieg, sondern auch einen Wechsel einfach machen.
IZ: Sind langfristige Karrierepläne und -ziele mit dieser Einstellung überhaupt noch möglich?
Maas: Oft haben Berufseinsteiger nur die nächsten ein bis zwei Jahre im Blick. Sie wollen keine Chance verpassen und bleiben offen für Neues. Für sich selbst wollen sie dabei immer das Maximum herausholen.
IZ: Gibt es auch etwas, wovor die Gen Z Angst hat?
Maas: Die junge Generation hat beim Einstieg in den Job so viele Möglichkeiten wie noch keine zuvor. Das klingt erst einmal sehr positiv, doch es führt zu einem Überforderungsgefühl und zu einer Angst, nicht immer die beste Option zu wählen. In groß angelegten Umfragen haben wir auch gesehen, dass das Thema Wohlstandsverlust eine große Rolle bei der Generation Z spielt. Sie haben Angst vor finanziellem Abstieg, oder eine Chance zu verpassen, die die eigene Situation verbessern würde.
IZ: Was treibt die Generation Z im Job an?
Maas: Junge Menschen interessieren sich weniger für Digitalisierung, als viele Ältere denken. Das liegt daran, dass sie mit digitalen Medien aufgewachsen sind und der Umgang mit ihnen für sie selbstverständlich ist. Stattdessen fasziniert sie wieder das Analoge. Sie wollen etwas anfassen können und klare Ergebnisse in ihrer Arbeit sehen. Aber auch Konkurrenzsituationen motivieren sie. Wenn Hürden geschafft werden, die andere nicht schaffen, geben Nachwuchskräfte es so schnell nicht wieder her. Das zeigt, dass man die Gen Z nicht immer nur mit Samthandschuhen anfassen muss, um ihren Kampfgeist zu wecken. Und den haben die heutigen Nachwuchskräfte genauso wie alle Generationen zuvor auch.
IZ: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Janina Stadel.