Die Bewerter-Junioren arbeiten deutschlandweit zusammen
Netzwerkarbeit. Rund 50 junge Immobilienbewerter haben sich zum Netzwerken beim Juniorentreffen des Bundesverbands der Immobilien-Investment- Sachverständigen in Hagen getroffen. Zwar recherchieren sie für ihre Gutachten im Alltag meist über digitale Tools, doch für einen besseren Überblick über den Markt bevorzugen vor allem junge Gutachter den persönlichen Austausch mit Berufskollegen.
Die Verantwortung für uns Junioren ist hoch“, weiß Patrick Krawiec. Der 29-Jährige ist seit 2020 Gutachter bei Ackermann Immobilienbewertung und weiß wie viele seiner Kollegen, dass er seinen Berufseinstieg während einer Marktphase hatte, die besondere Herausforderungen mit sich brachte. „Bei Hochkonjunktur gibt es viele Transaktionen. Demnach auch viele Gutachten, die man bei der Erstellung eines eigenen zum Vergleich heranziehen kann. Im Moment sind das weniger, dennoch darf die Qualität unserer Bewertungen nicht nachlassen“, erklärt Henry Oesterschulze, der nur kurze Zeit später im gleichen Unternehmen angefangen hat.
Deshalb haben die beiden über den Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen (BIIS) das diesjährige Juniorentreffen in ihrer Heimatstadt Hagen organisiert. Rund 50 junge Berufskollegen aus ganz Deutschland sind der Einladung gefolgt. „Treffen zwischen Immobilienbewertern sind keine Seltenheit, doch wir wollten unbedigt eine Netzwerkmöglichkeit schaffen, die überregional ist“, betont Krawiec.
Zwei Tage lang tauschten sich die Bewerter über ihre aktuellen Projekte und Aufträge aus, „und es tut gut, das einmal im persönlichen Gespräch und nicht nur am Telefon zu machen“, betont Teilnehmer Armin Warnecke vom Hamburger Sachverständigenbüro v. Rönne Grünwald Partner (vRGP). „Wenn 15 bis 20 Büros sich austauschen, bekommt man einen guten Überblick über den Markt.“ Er selbst hat die Gelegenheit schon häufiger genutzt und weiß, dass Mitarbeiter von Bewerterbüros untereinander offen miteinander reden. „Man sieht sich in dieser Sparte zwar als Mitbewerber, aber nie nur als Konkurrent“, sagt er und betont, dass unterschiedliche Büros zum Teil in der Praxis sogar zusammenarbeiten müssen, nämlich wenn bei einer Immobilienbewertung ein Zweit- oder gar Drittgutachter hinzugezogen wird.
Zu wissen, wie andere Büros mit unterschiedlichen Immobiliennutzungsarten umgehen oder welche Erfahrungen sie in bestimmten Regionen oder gar bei der Arbeit mit Objekten im Ausland gemacht haben, sei deshalb wichtig. Dennoch findet der Großteil der Recherchen über digitale Tools statt. „Es gibt kaum noch ein Bewerterbüro, in dem rein analog gearbeitet wird“, sagt Verena Riehm, Gutachterin bei Lehn und Partner. Vor allem auf Datenbanken greifen die Bewerter seit vielen Jahren zurück. Eine solche, mit Einblicken in frühere Gutachten, stellt auch der Verband zur Verfügung. Sie bildet neben den Treffen einen weiteren Baustein des Austauschs zwischen den Mitgliedsunternehmen.
Der Großteil der Recherche läuft digital
Besonders lohnend ist der Austausch für die Gutachter, wenn Kollegen mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufeinander treffen und so zum Beispiel Einblicke in Nutzungsarten oder Standorte geben, die bislang nicht Teil der eigenen täglichen Praxis waren. Davon profitieren nicht nur die Junioren, sondern auch erfahrene Bewerter, findet Riehm, die schon seit acht Jahren für das Münchner Büro tätig ist. Weil die meisten ihrer direkten Kollegen sogar schon deutlich länger im Unternehmen sind, empfindet sie die Mitarbeiterfluktuation innerhalb der Sparte als „vergleichsweise gering“ und vermutet, dass der Ruf des Jobs als sicherer Arbeitsplatz darauf zurückzuführen ist. Oesterschulze erklärt das Phänomen dadurch, dass ein gewisser Grundstock an Gutachtenaufträgen auch unabhängig von der Gesamtmarktlage stets vorhanden sei, und nennt als alltägliche Beispiele Fälle von Scheidungen oder Nachlässen, in denen der Wert von privatem Wohneigentum festgestellt werden muss.
Noch mehr als die Sicherheit schätze er aber die Abwechslung, die der Beruf schon in den ersten Jahren für ihn mit sich brachte. „Man kann auf der einen Seite im Homeoffice arbeiten, kommt auf der anderen Seite aber auch mal raus. Mitunter für eine Objektbesichtigung sogar ins Ausland“, sagt er. Zudem sei es für viele Brancheneinsteiger spannend, Immobilien nicht nur von der rein kaufmännischen Seite zu betrachten, sondern auch Kenntnisse zu Themen wie Baurecht zu erlangen. Am Standort Hagen weiß er aber, dass der Beruf eine Nische ist. Das macht er daran fest, dass es nur wenige Neueinstellungen in den ihm bekannten Büros gibt.
So ist auch der Frankfurter Gutachter Dennis Geyer nur zufällig an seinen Job bei Braun & Westenberger gekommen. Er hat das Aufgabengebiet über eine Werkstudentenstelle für sich entdeckt und ist „hängengeblieben“, wie er sagt. Weil er noch immer im Austausch mit seiner früheren Hochschule steht, wisse er aber, dass immer mehr Studenten schon vor ihrem Abschluss das Feld für sich interessant finden.
Nicht zuletzt seien nach einem Brancheneinstieg über die Bewertung auch Wechsel in andere Sparten möglich. Das weiß auch Warnecke: „Man bildet sich fachlich und methodisch auf vielseitige Weise weiter. Damit ist man auch auf Auftraggeberseite gefragt, etwa bei Banken oder Projektentwicklungsgesellschaften.“ Dennoch hofft er, dass es bei wenigen Wechseln bleibt und Nachwuchskräfte langfristig in der Sparte gehalten werden können.
Ein Grundstein dafür soll bei den Netzwerktreffen durch den persönlichen Bezug zu den Kollegen gelegt werden. In Hagen zeigte sich, dass auch der Wunsch nach mehr jungen Bewertern in der Sparte groß ist, „und viele wünschen sich mehr weibliche Kollegen für diversere Teams“, sagt Kira Pütz, Geschäftsführerin des Kölner Unternehmens Imtargis.
Zudem stünden die Nachwuchskräfte derzeit noch vor ganz aktuellen Branchenherausforderungen, mit denen auch die langjährigen Experten noch keine oder nur wenig Erfahrung haben. „Zum einen gibt es noch immer ständig neue ESG-Anforderungen, über die wir uns regelmäßig auf dem Laufenden halten müssen“, sagt Geyer, und zum anderen setzten sich auch die Bewerter aktuell mit den Thema KI auseinander. „Noch ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz nicht gängig bei den Gutachtern. Die Ansprüche der Büros an ihre Ausarbeitungen sind hoch, das kann bisher kein Tool leisten. Doch es wird in den kommenden Jahren auch für uns darum gehen, zu sehen, wie man KI sinnvoll einsetzen kann, um einzelne Arbeits- oder Rechercheschritte zu vereinfachen“, prognostiziert Oesterschulze. Auch dafür wolle er sich weiterhin mit möglichst vielen Kollegen austauschen.