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Den Blick schulen für die Verantwortung

Sonja Smalian
01. Juli 2009

Die bloße Gier und ein kurzfristiger Horizont sind für die gegenwärtige Krise mitverantwortlich. Deswegen ist es umso wichtiger, den Nachwuchs frühzeitig verantwortungsvolles und weitsichtiges Handeln zu lehren. Immer mehr Hochschulen nehmen sich dieser Aufgabe an und bieten Kurse in Unternehmens- bzw. Wirtschaftsethik an.

Die Studenten auf die verschiedenen Versuchungen, die im Arbeitsleben auf sie zukommen könnten, vorzubereiten, ist auch das Ansinnen von Susanne Ertle-Straub, Professorin an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Dort steht seit zwei Jahren die Vorlesung Wirtschaftsethik im Studiengang Immobilienwirtschaft und -management auf der Lehrplan. „Das ist ganz bewusst ein Pflichtfach“, sagt Ertle-Straub. Mittlerweile müssen sich die Studenten bereits im Bachelorstudium mit diesen Themen auseinandersetzen.

Das ist nicht überall so. Dem Thema Corporate Responsibility widmen sich aber mehr als 60% der Universitäten und knapp 50% der Fachhochschulen, also 118 bzw. 196 Einrichtungen mit wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichen, wie eine aktuelle Studie des Centrums für Corporate Citizenship Deutschland zeigt – und da ist Holzminden noch nicht einmal mit aufgeführt. Bei der inhaltlichen Ausrichtung des Faches gibt es jedoch deutliche Unterschiede, wie die Studie offenbart. Allein die Begrifflichkeiten sind mannigfaltig und reichen von Corporate (Social) Responsibility über Corporate Citizenship und Nachhaltigkeit bis zu Unternehmens- und Wirtschaftsethik. Und so steht manches Mal der ökologisch nachhaltige Produktionsprozess, das gesellschaftliche Engagement oder – vor dem Hintergrund der Korruptionsskandale – die Bedeutung von Corporate Governance im Vordergrund. Am 26. und 27. Juni werden Hochschullehrer und Praktiker auf dem 2. Ethics Education Workshop an der LMU München diskutieren, welche Aufgaben und Ziele mit Ethik-Vorlesungen verfolgt werden sollen.

Ertle-Straub legt in ihrer Lehrveranstaltung den Fokus klar auf die Immobilienwirtschaft. Anhand von Realsituationen will sie den Studenten beibringen, die jeweiligen Interessenlagen zu hinterfragen. Dazu zähle z.B. auch, sich bei Bewertungen nicht beeinflussen zu lassen. Aber es geht auch um Fragen, wie: „Ist es unethisch, keine Gewinne zu machen?“ Im kommenden Semester wird sie mit ihren Studenten eine Exkursion nach Dubai machen und sich dort auch mit den ethischen Prinzipien der Scharia beschäftigen. Von den Studenten erhält sie positive Rückmeldungen. Diese erachteten das Fach als „wichtig“ und als „Bereicherung“, sagt Ertle-Straub, denn nicht zuletzt durch die Fachvorträge von Praktikern erhalten die Studenten einen anderen Blick auf das künftige Arbeitsleben. Die Unternehmen hingegen interessierten sich eher für die immobilienwirtschaftlichen Fachinhalte als für die Frage nach der Moral.

Nicht so der ehemalige Difa-Vorstand Jürgen Ehrlich: Spät, aber nicht zu spät würden die Hochschulen jetzt das Thema Ethik für sich entdecken. Auch wenn Ethik seiner Ansicht nach eine Lebenseinstellung sein muss, kann ein Lernfach hilfreich sein. „Die Hochschulen können helfen, beim Nachwuchs das Bewusstsein für unethisches Verhalten zu sensibilisieren“, so Ehrlich. Deutschland habe mit dem Bild des „ehrbaren Kaufmanns“ eine lange Tradition ethischer Grundsätze und Verhaltensrichtlinien. Es scheint so, dass das Fehlverhalten in dieser Zeit enorm zugenommen hat. „Festgestellt werden muss, dass die Versuchungen die Menschheit von Anbeginn begleiten. Die vielen Satzungen, Verhaltenskodizes, Standesregeln, Pflichtenhefte und Ethik-Regeln sind gut und notwendig. Wir dürfen bei diesem Bemühen nicht schwächeln.“ Er gebe aber zu bedenken, ob es eventuell wirkungsvoller, zumindest hilfreich wäre, die zehn Gebote (insbesondere 7, „Du sollst nicht stehlen“, 8, „Du sollst kein falsches Zeugnis geben“ und 10, „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut“) von Kindheit an zu beachten. Das würde die Sensibilität für das Unrechtsbewusstsein schärfen. (sma)

TIPP

Die aktuelle Studie „Corporate Responsibility in der akademischen Lehre – Systematische Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen für ein Curriculum“ gibt es als kostenlosen Download unter www.cccdeutschland.org (Menü: Publikationen). Das seit fünf Jahren betehende studentische Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik sneep bietet viele Informationen, Linklisten und Veranstaltungshinweise zum Thema (www.sneep.info) und unterhält verschiedene regionale Arbeitsgruppen.

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