"Wir bekommen weiter Baugenehmigungen"
Das Corona-Virus und seine Bekämpfung sind eine echte Prüfung für Unternehmenslenker. Sie können praktisch nur noch von einem Tag zum anderen denken – und müssen dennoch täglich weitreichende Entscheidungen treffen. So auch Sabine Helterhoff, Deutschlandchefin des Bauträgers Bonava, und Ralf-Jörg Kadenbach, Vorstandsvorsitzender des Projektentwicklers Europa-Center.
„Bei uns ist eine ganze Menge los“, berichtet Helterhoff. Von den rund 800 Angestellten arbeiten jetzt etwa zwei Drittel mobil bzw. von zu Hause. Manche komplett, andere zur Hälfte usw. Für manche fängt der Arbeitstag jetzt schon um 5 Uhr an, für andere endet er erst um 21 Uhr. Schichtbetrieb abseits der Baustelle. Väter und Mütter müssen ihren Nachwuchs zwischendurch ja auch noch bespaßen, verköstigen und unterrichten.
„Unsere Baustellen laufen weiter“
Das Ziel ist klar: „Wir möchten gern unser Geschäft weiterführen“, sagt Helterhoff. „Im Moment geht’s für uns darum, unsere Planung aufrechtzuerhalten, Projekte zu planen und vorzubereiten“, schildert Helterhoff – und dabei doch immer auf jede mögliche Zukunft schnell reagieren zu können. Denn „morgen kann alles schon wieder anders sein“.
Reißende Lieferketten? Nachunternehmer, denen die ausländischen Bautrupps abhanden kommen? Im Großen und Ganzen Fehlanzeige, versichert Helterhoff. „Unsere Baustellen laufen weiter.“
Auf Baustellen den Corona-Abstand einhalten? „Das kann man schon so organisieren.“ Den Weg zur Baustelle legen die Bauarbeiter auf Geheiß ihres Arbeitgebers jetzt aber nicht mehr zu viert im Auto zurück. Und sich gemeinsam umziehen oder die Pausen zusammen zu verbringen gehören auch erst mal der Vergangenheit an.
Was Helterhoff auch noch positiv stimmt: „Wir bekommen auch weiter Baugenehmigungen.“ Bauanträge schreiben und stellen, auch das geht, das Architektenheer von Bonava Deutschland ist weiter gut beschäftigt. Und Projekte können starten und mit Abstrichen weitergetrieben werden: Alles, wo man bei B-Planverfahren „die Öffentlichkeit einschalten muss, geht natürlich momentan nicht mehr“.
„Es wird weiter beurkundet“
Und der Vertrieb? „Es wird weiter beurkundet, und Kunden übernehmen weiter ihre Immobilien“, so Helterhoff. Der Kontakt zu den Kunden sei „gut vorhanden, aber anders als sonst“. An den Besuchen auf der Website merkt Bonava allerdings schon, „dass die Menschen jetzt andere Probleme haben – aber einen Rieseneinbruch erleben wir nicht“.
Zum Thema Recruiting sagt die Deutschlandchefin des schwedischen Wohnungsbaukonzerns: Bonava suche in Deutschland händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern. Suchprozesse seien nicht gestoppt – im Moment jedenfalls: „Wenn wir Auswirkungen sehen, müssen wir natürlich darüber nachdenken, welche Folgen das auf unsere Recruitingprozesse hat.“
Europa-Center sieht keine Gefährdung des Geschäftsmodells
Auch der Vorstandschef von Europa-Center sieht keinen Grund, jetzt schon auf die Stopptaste zu drücken: „Wir stellen wie geplant ein. Da wir langfristig wachsen wollen, und keine Gefährdung unseres Geschäftsmodells sehen, werden wir unsere Neueinstellungen nicht zurückstellen“, sagt Kadenbach. Aktuell laufen Besetzungsprozesse über Videokonferenzen. Aber: „Die finalen Entscheidungen treffen wir nur nach persönlichen Gesprächen“, stellt Kadenbach klar.
Aktuell hat Europa-Center sieben Stellen ausgeschrieben. „Wir brauchen für die Fortführung unserer Projektentwicklungen vor allem dringend Architekten“, präzisiert Kadenbach.
Den Zeitplan für das aktuelle Bürogroßprojekt in Frankfurt sieht der Vorstandsvorsitzende von Europa-Center zurzeit nicht in Gefahr. „Unsere Baustelle für das künftige Europa-Center Gateway Gardens in der Nähe des Frankfurter Flughafens läuft – Stand heute – ohne Verzögerungen oder Einschränkungen weiter“, sagte Kadenbach der Immobilien Zeitung am 24. März. In der Frankfurter Nachbarstadt Eschborn hat das Hamburger Unternehmen außerdem zwei Grundstücke gekauft; das B-Planverfahren läuft. Und in Hamburg-Finkenwerder wird die Baugenehmigung für das Büroprojekt Europa-Center AirDock Richtung Sommer 2020 erwartet.
Homeoffice ist „über Nacht gelebte Praxis“
Europa-Center beschäftigt knapp 100 Menschen, vor allem am Hauptsitz im hohen Norden. An den Standorten sind Objektleiter, Haustechniker usw. vor Ort im Einsatz. Die Mitarbeiter arbeiten aktuell, soweit möglich, im Homeoffice. „Das läuft gut“, konstatiert Kadenbach. Dabei war Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten vorher „eher eine Ausnahme – und ist jetzt über Nacht gelebte Praxis bei uns geworden“. Auch für Bonava ist der Wechsel zur Heimarbeit keine Selbstverständlichkeit: Im vergangenen Herbst erst startete das Unternehmen hierzulande eine Testphase – „die ist jetzt in den offenen Betrieb übergegangen“, schmunzelt Helterhoff.