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"Stellen werden zunehmend nur dann besetzt, wenn alles passt"

Die Immobilienbranche hat schon vor dem Ausbruch des Coronavirus eine gewisse Zurückhaltung in puncto Einstellungsbereitschaft erkennen lassen. Nun könnte sich der eine oder andere Rekrutierungsprozess zusätzlich verlangsamen, schätzt Inga Beyler, Managing Partner der Personalberatung Bernd Heuer Karriere.

Anke Pipke, Harald Thomeczek
19. März 2020
Urheber: Thomas Berberich Photography
Immobilien Zeitung: Frau Beyler, die ganze Welt, so will es scheinen, hält ob des Coronavirus den Atem an. Haben schon die ersten deutschen Immobilienunternehmen ihre Rekrutierungspläne auf Eis gelegt? Manch einer unkt ja schon, dass das Coronavirus der schwarze Schwan ist, auf den die Immobilienbranche – nicht nur in Deutschland – schon so lange wartet.

Inga Beyler: Wir spüren seit einigen Tagen, dass aufgrund von Reiserestriktionen einige Meetings nicht mehr stattfinden können und stattdessen per Skype oder Videokonferenzen abgehalten werden. Ich bezweifele aber, dass Einstellungsentscheidungen rein über Videotelefonie gefällt werden. Das wird sicherlich einige Rekrutierungsprozesse verlangsamen. Für eine seriöse Aussage – längerfristige Auswirkungen oder gar den schwarzen Schwan betreffend – ist es noch zu früh.

IZ: Wären Sie trotz Coronavirus nach Cannes zur Mipim geflogen?

Beyler: Ja, wäre ich. Wobei ich mich im Verlauf der Mipim-Woche sicher auch nicht mehr wohl gefühlt hätte. Ich habe weniger Angst, mich selbst anzustecken, als potenzielle Risikopatienten zu gefährden – oder für 14 Tage in Quarantäne zu landen. Aber lassen Sie uns positiv bleiben: Ich heirate Ende Juli in der Toskana und bin zuversichtlich, dass wir bis zum Sommer einen guten Umgang mit dem Virus gefunden haben.

IZ: Wie war es denn vor Corona um die Einstellungsbereitschaft deutscher Immobilienarbeitgeber bestellt? Hat der gefühlt nie enden wollende Boom in der Immobilienwirtschaft den Personalbedarf in immer neue Höhen getrieben – oder hat sich der eine oder andere Arbeitgeber langsam für ein Ende des Aufschwungs in Stellung gebracht, etwa durch eine zunehmende Vorsicht und eine gewachsene Anspruchshaltung bei Neueinstellungen?

Beyler: Man kann schon sagen, dass die Anspruchshaltung der Unternehmen in letzter Zeit gewachsen ist. Stellen werden zunehmend nur dann besetzt, wenn alles passt. Das gilt für Führungs- und Fachkräfte gleichermaßen. Wenn Sie so wollen, könnte man darin eine gewisse Zurückhaltung mit Blick auf ein mögliches Ende des Aufschwungs erkennen.

IZ: Grundsätzlich spiegeln sich in der Berufswelt der Immobilienbranche etliche Phänomene des Marktes wider. Vier davon sind besonders markant. Nummer eins: Investoren sind risikobereiter geworden. Welche Auswirkungen hat das auf den Jobmarkt?

Beyler: Einige der etablierten Investoren weichen seit einiger Zeit von einer reinen Core-Investmentstrategie ab und bewegen sich verstärkt in Richtung Value-add, weil sie in dieser Immobilienklasse noch höhere Renditen erzielen können. Das bringt natürlich einen anderen Personalbedarf mit sich. Die wertsteigernde Verwaltung von Value-add-Immobilien bedarf eines ganz anderen Typs Asset-Manager als bei reinen Core-Objekten.

Für Value-add werden andere Köpfe gebraucht

IZ: Was muss so ein Wertsteigerungsspezialist denn alles mitbringen?

Beyler: Der Value-add-Asset-Manager muss vor allem viel Erfahrung und Kreativität im Umgang mit komplizierten Objekten abseits der Shiny Top Cities mitbringen und sollte Umnutzungspotenziale erkennen können. Nur so hält er wirksame Hebel zur Wertsteigerung in der Hand – die er dann natürlich auch noch betätigen können sollte.

IZ: Das legt den Schluss nahe, dass ein Asset-Manager für Value-add-Objekte ob der vielfältigeren Herausforderungen größere Karrierechancen auch im vermeintlich pflegeleichteren Core-Segment hätte. Ist das so?

Beyler: Nein, das stimmt so nicht. Jede Assetklasse hat ihre eigenen Herausforderungen. Nur weil ein Asset-Manager Value-add kann, heißt das nicht, dass er auch mit den Anforderungen, die Core-Immobilien mit sich bringen, spielend fertig wird.

IZ: Kommen wir zum zweiten wichtigen Phänomen der Veränderung in der Immobilienwirtschaft: dem digitalen Wandel. Wandeln sich die Jobs mit – und wenn ja, wie?

Beyler: Die Digitalisierung fordert ein Umdenken in unseren Jobprofilen. Wird heute noch verstärkt isoliert gearbeitet – der Entwickler entwickelt, der Planer plant, der Generalunternehmer baut und der Betreiber betreibt -, werden wir künftig viel integrierter arbeiten müssen. Systeme wie BIM verlangen bereits jetzt einen integralen Ansatz, in dem jeder Projektbeteiligte in einem gemeinsamen System arbeiten muss. Das entspricht aktuell noch nicht unbedingt dem Naturell unserer Branche.

IZ: Werden auch Berufsbilder verschwinden? Wo werden Maschinen in naher oder ferner Zukunft ähnliche Aussagen treffen können wie heute ein menschlicher Experte?

Beyler: Sicher wird es Veränderungen in den Berufsbildern geben. Zum Beispiel wird sich die Tätigkeit von Anwälten in den nächsten Jahren verändern. Schon heute gibt es Softwareangebote, die in kürzester Zeit und sehr zuverlässig Urteile und Gesetzestexte durcharbeiten und daraufhin eine Handlungsempfehlung abgeben. Das macht einen Teil der Arbeit eines Anwalts obsolet. Ähnlich verhält es sich im Berufszweig des Bewerters. Es wird zunächst ein riesiger Aufwand sein, die Daten von Gebäuden und Lagen zu erfassen – ähnlich wie es bei Google Maps der Fall war. Heute würde aber niemand mehr den Mehrwert von Google Maps anzweifeln.

IZ: Was empfehlen Sie Arbeitnehmern, wie sie auf Entwicklungen wie die von ihnen skizzierten Veränderungen reagieren könnten?

Beyler: Wir sind noch in einer frühen Phase der Digitalisierung. Manche Unternehmen haben zwar schon reagiert, indem sie z.B. Führungspositionen mit digitalem Bezug – Chief Digital Officer, Head of Digitalisation oder Ähnliches – geschaffen haben. So manche anderen Unternehmen sind aber noch zögerlich oder probieren sich erst noch aus. Was ich damit sagen will: Da die Immobilienbranche sich erst seit einigen Jahren mit Digitalisierung und KI konfrontiert sieht, sind selbst ausgewiesene Experten ebenfalls erst mit einigen Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet ausgestattet. Es ist also für jeden Einzelnen von uns in Anführungszeichen noch relativ einfach, in dieser Welt zum Experten zu avancieren.

IZ: Unternehmen wären zudem gut beraten, auch ältere Mitarbeiter dabei zu fördern, digitaler zu denken. Denn der demografische Wandel, Faktor Nummer drei, lässt bekanntlich weniger junge Fachkräfte nachkommen.

Beyler: Und nicht zu vergessen: Es sind nicht nur weniger Mitarbeiter, sondern auch solche mit einem ganz anderen Mindset. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie das die Struktur von Unternehmen und unserer Wirtschaft verändern wird.

IZ: Was rollt da auf die Unternehmen zu?

Beyler: Junge Absolventen sprechen im Kontakt mit uns gerne über Themen wie Work-Life-Balance und Homeoffice. In letzter Zeit werde ich sogar öfter gefragt, ob das Unternehmen einen Wellbeing-Manager hat, also jemanden, der sich allein um das Wohlbefinden der Mitarbeiter kümmert. Das irritiert vor allem die ältere Generation an Chefs, die es noch gewohnt sind, im Büro stets präsent zu sein und auch Überstunden zu leisten, ohne gleich einen Freizeitausgleich zu verlangen.

IZ: Klingt, als wäre es nicht immer einfach, eine Brücke zwischen den Generationen zu bauen.

Beyler: Meiner Meinung nach überspannen manche Berufsanfänger den Bogen, wenn sie eine ausgeprägte Work-Life-Balance fordern, ihre Wünsche zum Einstiegsgehalt beziffern oder auf einen rasanten Karriereweg pochen. Die junge Generation hat ein Stück Leidensfähigkeit verloren. Es scheint, als hätten viele nicht mehr die Geduld, ihr Metier von der Pike auf zu lernen und dafür ein gewöhnliches Einstiegsgehalt in Kauf zu nehmen.

„Manche Berufsanfänger überspannen den Bogen“

IZ: Bringt Faktor vier, der akute Fachkräftemangel, die Entscheider dazu, Forderungen wie diesen am Ende doch nachzugeben?

Beyler: Das ist tatsächlich ein großes Dilemma für die Unternehmen. Deutlich höhere Gehälter, Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten für Neuzugänge sind oft schwer umzusetzen, wenn sie nicht ins übliche Firmengefüge passen. Nicht selten sind das die Dealbreaker. Wir versuchen dann, zwischen beiden Parteien zu vermitteln.

IZ: Mit Erfolg?

Beyler: Meistens schon. Wenn beide Parteien die Bereitschaft mitbringen, die andere Seite verstehen zu wollen, und sich ein Stück aufeinander zubewegen. Wir als Berater versuchen, den Cultureclash etwas abzufedern.

IZ: Wenn die Vorstellungen der Jungen nicht ins Firmengefüge passen: Warum machen die Chefs dann nicht das Gefüge passend, statt Jobverhandlungen platzen zu lassen?

Beyler: So einfach ist das nicht. Es war sicher gut, dass eine sehr selbstbewusste Generation Y gewisse Dinge sehr lautstark eingefordert hat. Beispielsweise waren Teilzeitlösungen für Führungskräfte noch vor einigen Jahren undenkbar. Und auch die Flexibilisierung des Arbeitsorts ist ein Schritt in die richtige Richtung, den viele Firmen inzwischen getan haben. Dennoch beobachten wir leider häufig, dass der Forderungskatalog der Jungen unverhältnismäßig lang ist und einige Kandidaten so nicht mehr zu integrieren sind. Das ist ein Desaster für beide Seiten und wird uns als Branche langfristig vor große Herausforderungen stellen.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellten Anke Pipke und Harald Thomeczek.

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