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Stefan Zimmermann - Sprinter oder Marathonmann?

Stefan Zimmermann, Jahrgang 78, weiß, was er will: nach ganz oben, und zwar auf schnellstem Weg. Mit seinem Fernstudium der Wirtschaft hat er sich nicht lange aufgehalten und 2006 mit Acrest sein eigenes Unternehmen gegründet. Jetzt beschäftigt er mehr als 130 Mitarbeiter, die Gebäude im Wert von 4,4 Mrd. Euro managen. Er hat sich Projekte ans Bein gebunden, die nicht nur Sprinter-, sondern Marathonqualitäten erfordern.

Melanie Agne
11. September 2014
Bild: ma

Sich mit Stefan Zimmermann zu verabreden, ist nicht ganz einfach. Wir könnten ihn am frühen Morgen in Frankfurt treffen, vor dem ersten Termin, schlägt seine Assistentin vor. Er komme am Vorabend aus London und habe eine Stunde Zeit. Eine Stunde? Zu wenig für ein Porträt, finden wir und kontaktieren ihn direkt. Er bietet ein neues Zeitfenster an. „Ich kann schnell sprechen“, sagt Zimmermann und man ahnt, in welchem Tempo dieser Mann durchs Leben geht.

Schließlich treffen wir ihn in Wiesbaden. Er sitzt in einem fensterlosen Raum des Centermanagements im Einkaufszentrum Lilien-Carré, für dessen Umbau Acrest seit zwei Jahren zuständig ist. Breitbeinig wie auf einer Bierkiste hockt der Zweimetermann vor seinem Laptop. Über dem weiß bekragten Nadelstreifenhemd mit Manschettenknöpfen trägt er weiße Hosenträger, unter der Anzughose leuchten quietschbunte teure Socken. Das Jackett mit Einstecktuch hat er abgeworfen. Wieder kommt er aus London. Fast alle seine Aufträge akquiriert er dort. „Selbst wenn die Deutsche Bank einen Auftrag zu vergeben hat, tut sie das aus London heraus“, sagt Zimmermann und gibt zu, nur einen deutschen Kunden zu haben, nämlich einen Privatmann aus München.

Schon als Acrest im Juli 2012 das Centermanagement übernommen hatte, fragte sich mancher: Was will der mit dem Ding? Doch für Zimmermann war es ein wichtiger Auftrag, um sich neben den Großaufträgen von Cerberus weitere Standbeine aufzubauen.

Zimmermann kann in der Tat schnell sprechen. An diesem schwülen Vormittag auch auf Englisch. Hinter den verschlossenen Türen eines Acrest-Konferenzraums im 13. Stock des Berliner Europa-Centers präsentiert er die Umbaupläne seines Unternehmens für das Wiesbadener Problem-Center vor angelsächsischen Investoren.

Der 36-Jährige beschäftigt mehr als 130 Menschen, die Immobilien im Wert von 4,4 Mrd. Euro betreuen. Das Portfolio besteht aus Geschäftshäusern wie rund 80 Woolworth-Standorten genauso wie aus 42 Metro-Cash-&-Carry-Großmärkten oder notleidenden bis dahinsiechenden Einkaufszentren wie dem Atrium Bamberg. Neben dem Management befasst sich Acrest auch mit der Entwicklung etwa des Opel-Forums in Rüsselsheim oder der Staufengalerie in Göppingen, die Acrest zusammen mit der Familie Schenavsky entwickelt. Der Firmenname steht für „a crest“, was so viel bedeutet wie „ein Gipfel“.

Nun ist es so weit, dass zwei Jahre harte Entwicklerarbeit des Wiesbadener Lilien-Carrés präsentiert werden sollen. Zimmermann steht am Beamer und tut, was er am besten kann: verkaufen. Er trägt eine zerschlissene Dieseljeans ohne Gürtel und ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel er bis über die Ellenbogen hochgekrempelt hat. Die Investorenvertreter auf der anderen Seite sind in schicken Chinos, engen Hemden und Krawatte erschienen, die Verhandlungsführer im dunklen Zwirn mit Schlips.

Eine hybride Mall mit großem Foodcourt will Acrest aus dem eigenwilligen elliptischen Bau des Wiesbadener Centers machen, das 2007 eröffnet und nur drei Jahre später insolvent wurde. Künftig soll das Einkaufszentrum schwerpunktmäßig der Nahversorgung dienen und durch einen 1.600 m2 großen Foodcourt in den Mittags- und Abendstunden zu einer interessanten Location werden.

„Ist das Parkhaus nicht zu groß?“, fragt der Kaufinteressent, der gleich abcheckt, ob man auf einem Teil der Fläche nicht noch einen Discounter unterbringen könnte. „Nein, nein“, sagt Zimmermann. „Als das Center gebaut wurde, sind direkt alle Parkplätze mit errichtet worden. Auch die, die erst bei der Realisierung der Entwicklungsreserve notwendig geworden wären“, führt er aus und fügt hinzu: „Außerdem kann man den ganzen Tag für nur vier Euro parken, das gibt es sonst nirgends in der Stadt.“ Der Investor schaut kritisch, als wisse er genau, dass die Deutschen nicht bereit sind, beim Einkauf von Lebensmitteln auch nur einen Cent fürs Parken auszugeben.

„Was ist mit der Erweiterungsfläche da hinten, könnte da nicht ein Aldi hin?“, fragt plötzlich einer der Briten, der sich im bisherigen Gespräch bislang zurückgehalten hatte. „Nein“, bremst Zimmermann ab, „dazwischen ist die Laderampe, man kann diese Fläche nicht vernünftig anbinden.“ Der Brite regt an, der Supermarktbetreiber könne doch einen Teil seiner Fläche für einen Discounter aus dem eigenen Hause abtreten. „Nein“, pariert Zimmermann, „die eigene Discount-Schiene wollen die nicht als Nachbarn, Aldi oder Lidl bringen mehr Frequenz.“ Mehr als 22 Mio. Euro soll der Umbau des Centers im laufenden Betrieb kosten. Die Investoren bleiben zurückhaltend, zeigen sich nicht zur Gänze überzeugt.

Zimmermann hat fast vier Stunden geredet, Fragen beantwortet und keine Ermüdungserscheinungen gezeigt. Einmal unterbricht er kurz, nachdem ihm eine Mitarbeiterin eine Nachricht überbringt. Er bittet um eine kurze Pause, die Familie seines Geschäftspartners sei zu Besuch. „Familie ist wichtig“, sagt Zimmermann noch im Hinausgehen. Die Investoren nutzen die kurze Pause, um sich auszutauschen. Kurz darauf ist Zimmermann zurück und redet weiter. Er ist offenbar im Training. Schon dreimal hat Zimmermann das Center in dieser Woche Interessenten präsentiert. Er beweist einen langen Atem – eher unüblich für jemanden, der sonst eher sprintet.

Nach Abitur und Wehrdienst ging er 1998 zur Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft GWG. Seine Mutter war dort Justitiarin, sodass er von Azubi-Anfangsaufgaben weitestgehend verschont blieb und eine verkürzte Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft machen konnte. Als er ausgelernt hatte, wollte er nicht in die Hausverwaltung und befasste sich bei der GWG mit dem Aufbau einer Controlling-Abteilung, die damals noch nicht bestanden habe. Parallel begann er ein Fernstudium der Wirtschaftswissenschaften.

Im Jahr 2000 zog seine damalige Freundin von Cottbus nach Potsdam zum Jura-Studium und Zimmermann beschloss, ihr zu folgen. Doch die Arbeitslosigkeit bekam ihm nicht. Die ersten vier Wochen in Potsdam, in denen er keinen Job hatte, beschreibt er heute als die schlimmste Zeit seines Lebens.

Nach drei Jahren bei Tishman Speyer in Berlin, wo er sich vom Junior Assistant zum Senior Controller hocharbeitete, landete er schließlich bei Tenkhoff Properties. Dort entwickelte er mit anfangs vier Mann drei Shoppingcenter. „Das Schlossstraßen Center und das Kröpeliner Tor Center haben wir damals parallel durch die Entwicklung getrieben“, erinnert sich Zimmermann. Die meisten Wochenenden fielen der Arbeit zum Opfer. Doch er war fasziniert von seinem Mentor Joachim Tenkhoff, für ihn einer „der Top 3 der talentiertesten Akquisiteure“. Besonders imponierte Zimmermann, dass Tenkhoff imstande war, schnell loszulassen und ihm von Beginn an viel Verantwortung zu übertragen. „Er hat mich bald schon Generalunternehmerverträge selbst verhandeln lassen.“ Zimmermann war gerade 25.

Das Fernstudium hing er an den Nagel, es sollte jetzt schneller gehen. 2006 gründete er mit 28 Jahren in Berlin ein Unternehmen namens HBDS, was für Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart stand. Seit 2008 firmiert es unter Acrest Property Group. Sein erstes Mandat war die externe Leitung des Bereichs Retail-Akquisitionen und Development der apellasbauwert Property Group und der Bauwert Property Group, was er bis 2009 ausführte.

Zudem wollte Zimmermann schon kurz nach der Gründung durchstarten und mit einem Joint-Venture-Partner 109 Woolworth-Immobilien übernehmen. „Wir haben damals ein paar Leute gehired und gepitched“, erinnert sich Zimmermann. Er unterlag jedoch US-Finanzinvestor Cerberus, der Acrest wiederum zwei Jahre später mit dem Asset-Management des Portfolios beauftragte. Lange war Cerberus Acrests größter Auftraggeber. Mancher Marktbeobachter glaubte gar, Acrest sei der Asset-Management-Arm von Cerberus. Mittlerweile sorgen die Amerikaner nur noch für weniger als 50% der Aufträge, die Acrest erhält.

Acrest wuchs schnell, das Unternehmen brauchte klarere Strukturen – eine langwierige Aufgabe, die Zimmermann nicht lag. 2010 holte er Matthias Schmitz als Managing Partner mit ins Boot. Schmitz und Zimmermann waren sich 2004 über den Weg gelaufen, als Zimmermann für Tenkhoff einen Mietvertrag mit Fitness First aushandelte. Schmitz war damals für die Expansion der Studiokette zuständig. Dieses Zusammentreffen bezeichnet Zimmermann heute als „sehr, sehr großes Glück. Matthias ist charmant, eloquent, extrem gebildet und in vielen Punkten talentierter als ich.“ Vor allen Dingen das Talent, einer Firma feste Strukturen zu geben, habe sehr zum Aufbau des Unternehmens beigetragen. „Es gibt unglaublich wenige Doppelspitzen, die so gut funktionieren“, ist Zimmermann überzeugt. Dabei sind die Aufgaben klar verteilt.

Zimmermann ist ein begnadeter Verkäufer. Diesen Part übernimmt er mit Verve. Er grillt für seine Gäste genauso wie er sich auf Abendveranstaltungen von Kongressen die Schürze umbindet und selbst kreierte Drinks namens „Retailer“ serviert. Sein Geschäftspartner Matthias Schmitz ist für den mutmaßlich härteren Part zuständig: nämlich Zimmermanns Versprechen einzulösen. Und das klappt nicht immer wie geplant.

„Acrest liefert einfach nicht“, sagt einer, der auf den Entwickler nicht gut zu sprechen ist. „Die kriegen es nicht gebacken“, ist ein anderer Vorwurf, der auf die Baustelle in Rüsselsheim abzielt. Dort ist Acrest seit vier Jahren an der Entwicklung des Opel-Forums tätig. Zimmermann selbst ist sogar schon länger damit befasst, weil er den vorherigen Entwickler apellasbauwert beraten hat. Ein Einkaufszentrum mit 21.000 m2 Verkaufsfläche und Platz für 100 Läden auf zwei Ebenen ist geplant. Doch Vollzug wird nicht gemeldet.

„Wir sind damals zu früh an die Öffentlichkeit gegangen“, sagt Zimmermann heute. Die Eröffnung der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Nach einem Urteil des Hessischen Oberverwaltungsgerichts muss jetzt wegen der neuen Flugrouten das B-Plan-Verfahren komplett neu aufgesetzt werden, da Wohnbebauung aus bestimmten Zonen auszuschließen ist“, erläutert Zimmermann und man ist geneigt, ihm zu glauben, dass es sich bei der Verzögerung von zwölf bis 18 Monaten um eine Art höhere Gewalt handelt. Doch seine Gegner sagen: „An diesem Projekt werden sie zeigen müssen, dass sie es drauf haben und liefern können.“ Doch dies wird immer ungewisser: „Am Freitag hat mich überraschend der Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim angerufen und mir gesagt, dass er das Projekt nicht mehr weiter unterstützen kann“, sagt Zimmermann, nachdem die Lokalzeitung Main-Spitze am vergangenen Wochenende gemeldet hatte, das Opel-Forum stehe vor dem Aus. Die endgültige Entscheidung werden die Stadtverordneten am 16. Oktober treffen. Bis dahin braucht Zimmermann viel Geduld und Spucke.

Ausdauer ist auch beim Lilien-Carré in Wiesbaden gefragt. Bislang hat noch niemand angebissen, obwohl sich Zimmermann nach den Investorengesprächen im Juli zuversichtlich gab, den Käufer bis September im Sack zu haben. Nun sagt er, nächste Woche sei es so weit. Zimmermann ist ein hurtiger Schreiter, zuweilen offenbar einen Schritt zu schnell für seine Mitstreiter. (Anm. der Redaktion: Der Verkauf ist mittlerweile erfolgt.)

Bei der Akquisition, sagt er, halte er immer viele Angeln in den Teich. Ein Bild, das ihm seit Kindertagen vertraut ist. Zimmermanns Vater betrieb in der DDR sieben Angelgeschäfte. Dort verkaufte Zimmermann schon als Schüler lieber Angelbedarf, als zur Schule zu gehen. Das Angeln erdet ihn noch heute. Kürzlich war er mit seinen zwei und vier Jahre alten Jungs, Frau und Eltern zum Campen am Schwanensee. Dort, wo er schon als Dreijähriger die Rute übers Wasser gehalten hat.

Montags und freitags, wenn er in Berlin ist, sagt er, bringt er seine Jungs in die Kita und abends auch ins Bett. Er erzählt ihnen erfundene Gutenachtgeschichten. Damit die Jungs nicht auf die Fortsetzung seiner Geschichte verzichten müssen, wenn er unter der Woche auf Reisen ist, schickt er ihnen Voicemails mit der aktuellen Fortsetzung. Und dabei spricht Zimmermann einmal am Tag ausnahmsweise gaaanz langsam.

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