"Die Professionalität lässt zu wünschen übrig"
Was zeichnet erfolgreiches Immobilien-Portfoliomanagement aus? Dieser Frage ist Claus Lehner, Vorstand der Münchener GBW-Gruppe, in seiner Dissertation nachgegangen. Ein Interview über mangelnde Professionalität im Portfoliomanagement und die acht wichtigsten Werthebel.
Claus Lehner: Die Professionalität lässt immer noch zu wünschen übrig, weil zu viel auf die Einzelobjektebene geschaut wird, die Portfolios aber nicht als Ganzes gesehen werden.
Lehner: In Anlehnung an die klassische Portfoliotheorie von Harry Markowitz heben sich größtenteils spezifische Objektrisiken gegenseitig auf, je mehr schwach korrelierte Anlagen sich in einem Portfolio befinden. In einem Bestand mit 100 Objekten ist die Wahrscheinlichkeit, ein bestimmtes Renditeziel zu erreichen, höher als in einem mit zwei – natürlich dürfen das dann nicht 100 gleichartige Objekte sein, also zum Beispiel 100 Discount-Märkte auf der grünen Wiese.
Lehner: Es wird diversifiziert, aber nicht von allen. Außerdem sind viele Portfolios historisch entstanden. Schauen Sie sich einige offene Fonds an, die haben einen sehr hohen Büro-, Deutschland- und speziell Rhein-Main-Anteil.
Lehner: Es gilt: Diversifikation ja, aber um Himmels willen nicht um jeden Preis. Für ein einziges Auslandsobjekt wäre der Aufwand viel zu groß. Und ein geschlossener Fonds kann nicht fünf verschiedene Nutzungsarten managen. Aber er kann bei den Standorten, den Objektgrößen, den Nutzern und den Mietlaufzeiten diversifizieren.
Lehner: Wir haben keinen transparenten Markt, es gibt hohe Transaktionskosten und Vorlaufzeiten. Wenn ich heute eine Investitionsentscheidung treffe, dauert es bis zu einem halben Jahr, bis ich das Objekt im Portfolio habe, und genauso lange, bis es wieder draußen ist. Andererseits hat man bei Aktien nur die Entscheidung: kaufen oder verkaufen. Bei Immobilien kann man das Objekt auch optimieren, obwohl das oft vernachlässigt wird.
Lehner: Wenn man große Milliardenbestände managt, sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren, und das sind aus meiner Sicht diese acht Werthebel: die portfoliostrategischen Leitlinien, das Finden des optimalen An- und Verkaufszeitpunkts sowie das Aufspüren von Wertvernichtern, Projektentwicklungs- und Finanzierungsstrategien, die Optimierung der Vermietung und der Geschäftsprozesse, strategisches Instandhaltungsmanagement und die Betriebskostenreduzierung.
Lehner: Die größte Vernachlässigung sehe ich bei der Prozessoptimierung. Das Thema ist in der Immobilienbranche noch gar nicht angekommen. Wenn eine Mieterin anruft, weil ihr Dachfenster undicht ist, kann man da einen Prozess mit 16 Teilschritten draus machen. Man kann aber auch über Call-Center mit direkter Handwerkerkopplung den Aufwand im Unternehmen für diesen Standardprozess signifikant reduzieren. Techniker und Hausmeister werden dadurch entlastet. Auch das Back-Office kann dabei schlanker werden. Da, wo es um die Kernkompetenzen oder den direkten Kunden-/Mieterkontakt geht, sollte man allerdings von einem Outsourcing von Teilleistungen absehen.
Das Interview führte Peter Maurer.