Personaler und Bewerber auf der Suche nach dem Perfect Match
In Sachen Partnersuche haben Matching-Tools wie Tinder schon vor einer Dekade ihren Siegeszug angetreten. Heute bedienen sich zunehmend auch Arbeitgeber und Jobaspiranten solcher Programme, um in kurzer Zeit ein passendes Gegenstück zu finden. Eine neue Plattform nimmt nun gezielt die Immobilienwirtschaft ins Visier. Doch das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen.
Wer ein Herz zu verschenken hat, der ist auf dem Portal Recruiting-Match richtig. Es dürfen sogar gleich mehrere Herzen verteilt und ganze Favoritenlisten angelegt werden. Das ist unverfänglich, denn hier geht es nicht um ein exklusives romantisches Dinner im Kerzenschein, sondern darum, passende Kandidaten für freie Stellen in der Immobilienwirtschaft zu finden. Eine mitunter mühsame Aufgabe, denn der Arbeitsmarkt scheint leer gefegt. Angesichts des angespannten Arbeitsmarkts gilt erst recht: Je einfacher Talente und Arbeitgeber zueinander finden, desto besser. Und: Kandidaten wollen zuweilen nicht mehr selbst suchen, sondern gefunden werden. Recruiting-Apps wie Truffls orientieren sich zum Bilden von Matches daher am niedrigschwelligen Dating-App-Prinzip.
Als „Job-Tinder“ möchte Matthias Höppner seine Plattform Recruiting-Match nicht verstanden wissen. Der Geschäftsführer der auf die Immobilienwirtschaft spezialisierten Personalberatung Rectocon hat die digitale Matching-Plattform im Oktober 2022 ins Leben gerufen. „Bei Tinder geht es oft doch vor allem um visuelle Eindrücke und unverbindliche Bindungen“, sagt er. „Und darauf sind wir keineswegs aus.“ Stattdessen will man Arbeitgeber der Branche und Kandidaten auf Basis konkreter Daten zusammenbringen – und das langfristig, wie Höppner betont: „Bei uns werden ausschließlich Festverträge angeboten, keine Zeitarbeit oder Interimspositionen.“
Die Plattform versteht er als Teil des Inhouse-Recruiting-Prozesses, sie soll HR-Verantwortliche in der Immobilienbranche entlasten. Denn die haben angesichts des Fachkräftemangels zu kämpfen: „Wenn nach einer Stellenausschreibung keine passenden Bewerbungen eingehen, müssen die Recruiter viel Zeit investieren oder einen Headhunter ins Rennen schicken“, sagt der Personalberater. Das kostet Zeit und Geld. Das neue Tool könne als Ergänzung zu anderen Kanälen wie LinkedIn und Co. den Prozess beschleunigen: Gegenüber herkömmlichen Methoden ließe sich mitunter schneller ein passendes Match finden.
Kandidatenprofile mit Vita und Wünschen
Und das funktioniert so: Wer auf der Suche nach einer Stelle in der Branche ist, kann auf der Plattform ein kostenloses Kandidatenprofil erstellen. Darin enthalten sind die wichtigsten Eckdaten zur Vita und den eigenen Wünschen: Beruf, Erfahrung, Region, zeitliche Verfügbarkeit und mindestens ein Satz zur Selbstbeschreibung. Fehlen relevante Infos, holen die Plattformbetreiber diese persönlich ein, bevor das Profil freigeschaltet wird. Arbeitgeber können sich ebenfalls kostenlos registrieren und über Suchbegriffe die Datenbank durchforsten.
Ist ein Immobilienunternehmen zum Beispiel auf der Suche nach einem „Bauleiter Gewerbe“ in Hamburg, so können die Fachabteilungen oder Recruiter erst einmal schauen, ob ein passender Kandidat dabei ist und interessante Profile – wie beim Online-Dating – mit besagtem Herzsymbol versehen. So lassen sich Wunschkandidaten für aktuelle und künftige Projekte listen. Dann geht es in Runde zwei, das Kennenlernen per Videocall. Dabei fragen die Plattformbetreiber beim Kandidaten ab, ob sein Gesuch noch aktuell ist und seinerseits Interesse besteht. Kommt es nach dem persönlichen Gespräch zum „Perfect Match“ mitsamt Vertragsabschluss, muss der Arbeitgeber für die Vermittlung zahlen.
Das alles ist aber Zukunftsmusik. Denn bislang liegt die Matchingrate bei null, die Plattform steckt in den Kinderschuhen. Gerade mal rund 400 Jobsuchende sind angemeldet, die meisten aus technischen Berufen. „Die sind gerade gefragter als zuarbeitende Berufe – wie beispielsweise Makler oder kaufmännische Assistenten“, weiß der Personalberater. Trotzdem ist das ein mehr als dürftiger Pool, um deutschlandweit vielerlei Spezialisten zu finden. Die Macher werben nun eifrig um Talente auf Jobsuche, bis Ende 2023 hofft Höppner, rund 2.500 Profile anbieten zu können. Die Arbeitgeber seien erpicht darauf, sagt er. Bedenken gäbe es bislang keine im Hinblick auf die Methodik. Nur eine regelmäßige Aktualisierung des Datenbestands wünschen sie sich: Wenn Recruiter sich dort mit Karteileichen beschäftigen, kostet sie das zusätzliche Zeit, statt deren Arbeit zu erleichtern. Zumindest quartalsweise will Höppner die komplette Datenbank bereinigen und auf den neuesten Stand bringen.
In der Branche ist das Tool laut dem Rectocon-Chef einzigartig. Dabei sieht er den Sektor eigentlich als prädestiniert für das Matching-Prinzip: „In der Immobilienwirtschaft gibt es oft sehr spezifische Vorstellungen, wer gesucht wird. Das ist hilfreich.“ Die Architektenleistungen sind etwa in die HOAI-Planungsabschnitte 1-9 eingeteilt, auf Technikseite gibt es TGA-Standards. Auch anhand der Assetklassen, um die es gehen soll, lässt sich oft eine prägnante Berufsbeschreibung festmachen. Während die Datenbank auf inhaltlicher Ebene einen guten Überblick liefert, besteht Nachholbedarf, wenn es um die persönliche Passung von Kandidat und Arbeitgeber geht. „Hier ist ein branchenerfahrener Headhunter, der das Unternehmen gut kennt, natürlich im Vorteil“, sagt Höppner. Wenn ein Arbeitgeber sehr viel Wert auf den „Cultural Fit“ lege, könne es sinnvoller sein, gezielt selbst oder via Headhunting zu suchen. Hier stößt das Tool nämlich zurzeit noch an Grenzen.
Im kommenden Jahr will die Personalberatung die Funktionen der Plattform verfeinern. Künftig soll das Finden und Favorisieren keine Einbahnstraße mehr sein, aus der Datenbasis ein wirklicher Matchingpoint werden. Das heißt: Auch die Kandidaten sollen dann Herzchen verteilen dürfen, was zurzeit noch nicht möglich ist. Eine App, mit der man wie bei Tinder via Fingerwisch nach links oder rechts in passende und unpassende Angebote unterteilen kann, ist für Recruiting-Match derweil noch nicht geplant. „Aber man weiß ja nie“, sagt Höppner.
Die Autorin: Anne Hünninghaus ist Journalistin bei der Wirtschaftsredaktion Wortwert.