Münchner Entwickler gibt den Freitag frei
München. Flexibilität bei der Arbeitszeit wird seit Corona immer heftiger diskutiert. Während Homeoffice mittlerweile als gängiges Modell etabliert ist, gehen einige Unternehmen noch weiter. In München führt ein Projektentwickler nun die Viertagewoche ein.
Nein, zu wenig Arbeit habe die Schwaiger-Gruppe nicht, schmunzelt Geschäftsführer Michael Schwaiger. Ganz im Gegenteil. Derzeit habe man mit den zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei vier Projekten gleichzeitig zu tun. Das Münchner Unternehmen hat sich auf die nachhaltige Revitalisierung von Büroimmobilien spezialisiert.
Dennoch schickt Schwaiger seine Angestellten regelmäßig am Donnerstagabend in ein verlängertes Wochenende. Anfang 2022 hat die Schwaiger Group die Arbeitszeitverkürzung von fünf auf vier Tage für alle Beschäftigten eingeführt. Zunächst zwei Monate lang als Versuch, seit über einem halben Jahr gilt die Regelung dauerhaft – bei vollem Lohnausgleich. „Wir haben erkannt, dass wir in Corona-Zeiten den Mitarbeitern keinen Gefallen tun, wenn wir sie ins Homeoffice auslagern. Die meisten wollten wieder zurück ins Büro“, beschreibt Schwaiger seine Erfahrungen mit den neuen Arbeitsmodellen, die seit dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland verbreitet Einzug gehalten haben. „Trotzdem wollte ich meinen Angestellten aus Dankbarkeit etwas zurückgeben, weil sie hier keinen Nine-to-five-Job machen“, so Schwaiger weiter. Statt eines flexiblen Tages haben seitdem alle am Freitag frei, wenn keine unaufschiebbaren Termine anstehen.
Weniger Stress, mehr Produktivität
Für viele Angestellte sei das zunächst ein „unglaublicher“ Schritt gewesen, ergab eine Befragung nach den ersten sechs Monaten. Mittlerweile hätten sich die Befürchtungen, ob die Arbeit in vier Tagen geschafft werden könne, gelegt. Stattdessen überwiege die Freude über das verlängerte Wochenende, die bessere Work-Life-Balance und das Plus an Lebensqualität, zitiert Schwaiger aus den Antworten seiner Mitarbeiter. Trotz verkürzter Woche fühlten sich eine Mehrzahl der Angestellten sogar weniger gestresst, der Rest sieht keinen Unterschied zu vorher.
Schwaiger kommt damit offenbar einem Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland entgegen. Nach einer aktuellen Umfrage von Yougov für die Berufe-Studie des Versicherers HDI diesen September können sich drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland die Viertagewoche vorstellen, wenn sie dafür keine Einbußen beim Gehalt hinnehmen müssen. Eine Forsa-Umfrage für RTL und NTV kommt zu dem gleichen Ergebnis.
In der Immobilienbranche herrscht dagegen noch Skepsis, wie eine Anfrage der Immobilien Zeitung bei einigen bayerischen Unternehmen zeigt. Viele wollen sich zu dem Modell lieber gar nicht äußern. Ralf Büschl, Geschäftsführer der Münchner Büschl-Gruppe, einer der größten Projektentwickler der Stadt, hat Bedenken. Zwar habe sich die Arbeitswelt verändert und auch in seinem Unternehmen gebe es seit langem flexible Arbeitszeitmodelle. „Eine generelle Viertagewoche erscheint mir dann jedoch doch eher fantasievoll als realistisch“, so Büschl. Gerade jetzt, wo sich „das Wohlfühlklima unserer Immobilienwirtschaft“ weiter abkühlen werde, müssten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer anstrengen, um die Herausforderungen zu meistern. „Mit weniger arbeiten, wird das wohl nicht klappen“, glaubt Büschl.
Klappt doch, widerspricht Schwaiger. „Seit ihrer Einführung ist die Viertagewoche zu einem wesentlichen Baustein unserer Unternehmenskultur geworden“, sagt er. Trotz Reduktion von fünf auf vier Tage und trotz gleichen Gehalts hätten sich weder die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden noch die des Unternehmens verringert. „Im Gegenteil“, freut er sich, „ich finde, dass die Produktivität zugenommen hat.“ Im Büro werde konzentrierter gearbeitet, weil jeder wisse, dass der Freitag nicht mehr da ist. Zudem zahle sich aus, dass er in der Vergangenheit in Digitalisierung investiert habe. „Das hilft uns extrem, das jetzt umzusetzen“, sagt Schwaiger.
Erfolgreiche 4-Tage-Tests in Großbritannien
Die Einschätzung belegt eine Studie aus Großbritannien. Dort nehmen seit Juni dieses Jahres 73 Unternehmen mit 3.300 Beschäftigten an einem sechsmonatigen Feldversuch zur Viertagewoche teil. Die Zwischenergebnisse, die kürzlich präsentiert wurden, zeigen eine positive Tendenz. So meldeten fast 90% der Unternehmen zurück, dass die Arbeitszeitverkürzung im täglichen Geschäft gut funktioniere. Knapp die Hälfte der Firmen gibt an, die Produktivität sei ungefähr gleich geblieben. Die andere Hälfte beobachtet sogar eine leichte (34%) oder erhebliche Verbesserung (15%) der Produktivität. Mehr als 80% der teilnehmenden Unternehmen überlegen demnach, das Arbeitszeitmodell auch nach der Testphase beizubehalten.
Während auch Unternehmen in anderen europäischen Ländern die Viertagewoche testen und die belgische Regierung sogar schon über einen gesetzlichen Anspruch nachdenkt, sind Unternehmen hierzulande noch zurückhaltend. Allerdings bieten vor allem kleinere Handwerksbetriebe auf der Suche nach neuen Mitarbeitern immer mal wieder eine kurze Woche an, um für Fachkräfte attraktiver zu sein. Die Suche nach neuen Mitarbeitern stand bei Schwaiger nicht im Vordergrund, sagt der Firmenchef. Wenn sein Unternehmen dadurch attraktiver werde, sei das gut. Es sei aber nicht die entscheidende Motivation gewesen. Er hofft vielmehr auf eine höhere Zufriedenheit und damit auf eine höhere Bindung der Mitarbeiter an sein Unternehmen. „Ein gutes Gehalt, ein tolles Firmenfahrzeug und geldwerte Incentives sind schön, aber eben nicht alles“, resümiert Schwaiger.