Frauen sollten sich mehr trauen
Frauen, die in die Immobilienbranche gehen wollen, haben deutlich geringere Gehaltserwartungen als Männer. Die Geschlechterdifferenz bei der Bezahlung ist schon früh ausgeprägt: Auch als Praktikantinnen verdienen Immobilienfrauen deutlich schlechter als ihre männlichen Pendants. Dabei machen die Unternehmen angeblich keinen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein. Erklärungen für das frappierende Delta gibt es.
Die Unterschiede springen einen förmlich an: Nach ihrem Studienabschluss rechnen männliche Studenten aus dem Immobilienbereich im Schnitt mit einem Bruttojahresgehalt von 52.300 Euro, ihre weiblichen Pendants nur mit 47.200 Euro. Zwei, drei Jahre später geht die Schere noch weiter auseinander: Dann wollen die Herren 64.200 Euro verdienen, die Damen 55.600 Euro. Das zeigt die Arbeitsmarktumfrage 2019 der Immobilien Zeitung (siehe Grafik „Männliche Studenten stapeln höher als weibliche“).
Allerdings sind die genannten Zahlen zunächst nur Wunschgehälter. Das weiß auch Moritz Stang, der an der Irebs (Universität Regensburg) seinen Master in Immobilienwirtschaft macht: Die unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen ließen sich dadurch erklären, „dass Männer in der Regel höhere Erwartungen haben und sich dadurch auch oftmals selbst überschätzen. Die Gehaltsvorstellungen der Frauen sollten daher realistischer sein und gleichermaßen für Männer und Frauen gültig sein.“
Noch frappierender als die Unterschiede bei den Gehaltsvorstellungen ist die Lücke, die – zumindest rein statistisch – bei der tatsächlichen Bezahlung von Praktikanten und Praktikantinnen klafft. Pflichtpraktika, die vom Mindestlohn ausgenommen sind, werden zwar bei weiblichen Studenten genauso oft vergütet wie bei männlichen Studenten (je zu rund 80%). Doch während Letztere im Schnitt 8,91 Euro pro Stunde bekommen, liegt der Stundenlohn ihrer Kommilitoninnen nur bei 6,95 Euro. Auch bei freiwilligen Praktika, die ab einer Dauer von mehr als drei Monaten nicht vom Mindestlohn ausgenommen sind, geben sich Studentinnen den nackten Zahlen zufolge durchschnittlich mit einem deutlich geringeren Lohn (8,55 Euro) zufrieden als die Herren der Schöpfung (10,17 Euro).
„Männer sind sich ihrer Stärken, Fähigkeiten und letztendlich auch ihres Wertes auf dem Arbeitsmarkt stärker bewusst als Frauen“, stellt Stefanie Greve fest, Geschäftsführerin von engagingtalents, einer Personalberatung für die Immobilien- und Baubranche. Bei Männern sei es gesellschaftlich immer noch eher akzeptiert, als „fordernd“ und „dominant“ aufzutreten. „Diese Attribute sind selbst im heutigen Frauenbild noch immer nicht vollends verankert. Frauen trauen sich daher nicht, ihre Forderungen nach einem höheren Gehalt anzubringen.“
Die Unternehmen beteuern, keine geschlechterbedingten Unterschiede bei der Bezahlung zu machen. Sie erkennen jedoch sehr wohl gewisse Differenzen: „Von den reinen Gehaltserwartungen darauf zu schließen, dass Frauen tiefer stapeln, ist zu kurz gedacht“, sagt Sandra Scholz, im Vorstand der Fondsgesellschaft Commerz Real unter anderem für Personalthemen zuständig. „Frauen schauen vielmehr auf das Gesamtpaket an Benefits, welches ein Unternehmen bietet.“ Da Frauen den Fokus neben der Karriere viel stärker auch auf die Familienplanung legten, seien ihnen Themen wie Work-Life-Balance – mit anderen Worten: Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und damit z.B. auch die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten und -orten wichtiger. „Und dies bis ins hohe Alter, nicht nur, bis die Kinder buchstäblich aus dem Haus sind.“
Birgit Munsberg, Personalverantwortliche bei der Domicil-Gruppe, hat noch einen anderen Erklärungsansatz parat: „Männer gehen öfter in Bereiche, in denen besser bezahlt wird, klassischerweise ins Investment. Frauen arbeiten hingegen eher im Marketing, im Rechnungswesen, im Property-Management oder im Research. Diese Bereiche werden geringer entlohnt als Investment- oder Asset-Manager.“ Tatsächlich streben mehr Männer als Frauen in die besonders lukrativen Bereiche Investment und Fondsmanagement, wie die Studentenumfrage der Immobilien Zeitung zeigt. Frauen zieht es dagegen öfter in die nicht ganz so gut dotierte Projektentwicklung.