"Es wird keiner merken, dass ich unsterblich bin"
München. Andreas Lehner, Ex-Vorstandchef der Deutschen Wohnen, wird ab 1. Oktober neuer Chef der kommunalen Münchner Wohnungsgesellschaft Gewofag und ab dem 1. Januar Sprecher der Geschäftsführung der aus Gewofag und GWG fusionierten Münchner Wohnen. Im Interview gibt er Einblicke in seine Motivation und seine Ziele.
Immobilien Zeitung: Mit Verlaub, Sie sind mit 68 Jahren in einem Alter, in dem viele an den Ruhestand denken. Trotzdem haben Sie bei der Gewofag unterschrieben. Warum?
Andreas Lehner: Ich lese gerne Bücher von Matt Haig, zum Beispiel den Roman „How to Stop Time“. Er handelt von einem Mann, der zu einer sehr seltenen Gruppe von Menschen gehört, die nicht altern. Das offensichtliche Problem dabei ist, keine Beziehung eingehen zu können. Jetzt bin ich mit der Stadt München respektive der Münchner Wohnen eine Beziehung eingegangen, aber nur für fünf Jahre. In dieser Zeit wird keiner merken, dass ich unsterblich bin.
IZ: Sie waren zuvor Partner bei Hohlbein und Cie. und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutsche Investment Kapitalverwaltung in Berlin. Vor allem der Aufsichtsrat klingt eher nach einem ruhigeren Job. Warum jetzt noch mal voll ins Tagesgeschäft?
Lehner: Die Arbeit in Kooperation mit Peter Hohlbein war durchaus stressig, da Marktteilnehmer aus bekannten Gründen ihre Passivseite neu strukturieren mussten und noch müssen, wobei wir ihnen als Berater helfen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gewofag beziehungsweise die Münchner Wohnen in diese Situation kommt. Auch mein Engagement als Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Investment war bislang alles andere als ein ruhiger Job. Wir haben innerhalb der Gruppe die Service-Holding neu aufgestellt, das Investmentspektrum erweitert und in der AG ein neues Vorstandsressort geschaffen. Damit war ich intensiv befasst.
„Ich sehe meine Beziehung zur Münchner Wohnen nicht als Dauerbaustelle“
IZ: Auf der Internetseite von Hohlbein & Cie. ist zu lesen, dass Sie Ihr partnerschaftliches Mandat „bis auf weiteres ruhen“ lassen. Das klingt nicht nach einer Dauerlösung bei der Münchner Wohnen. Sollen Sie die Fusion von Gewofag und GWG organisieren und dann wird ein neuer Chef gesucht?
Lehner: Ich habe einen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Aber richtig, ich betrachtete auch meine bisherigen beruflichen Aufgaben grundsätzlich nicht als Dauerbaustelle, sondern als Projekt mit einem definierten Projektstart und definierten Projektziel. Das habe ich in den vielen Jahren als Berater so verinnerlicht und schließlich als Vorstand, Verwaltungs- und Aufsichtsrat in unterschiedlicher Konstellation so gehandhabt.
IZ: Weiter ist zu lesen: „Es ist beabsichtigt, die aktive Zusammenarbeit bei Hohlbein & Cie. Consulting zu gegebener Zeit wieder aufzunehmen.“ Das heißt, die Rückkehr ist fest eingeplant?
Lehner: In fünf Jahren setze ich mich nicht zur Ruhe.
IZ: Es ist ja nicht Ihre erste Integration. 2007 übernahm die Deutsche Wohnen die Berliner Gehag-Gruppe mit rund 27.000 Wohnungen in Berlin und Brandenburg. Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei der Deutschen Wohnen können Sie bei der Münchner Wohnen einfließen lassen?
Lehner: Die Deutsche Wohnen bestand bei meiner Übernahme aus fünf Unternehmen in Landes- und privatwirtschaftlichem Besitz. Die strukturelle Zusammenführung war Voraussetzung für die bilanzielle Entflechtung aus der Deutschen Bank und der Neuplatzierung der Aktien am Kapitalmarkt. Das strukturelle Zusammenführen ist auch bei der Münchner Wohnen eine Kernaufgabe.
IZ: Damals ging es vor allem um Aufwertungspotenzial und Mehrwert für die Aktionäre. Heute weniger um Rendite als um bezahlbaren Wohnraum. Ist das eine andere Herausforderung?
Lehner: Mehrwert für Aktionäre auf der einen Seite und heute Mehrwert für Mieter:innen beziehungsweise die Münchner Bevölkerung auf der anderen Seite: Beides erfordert eine professionelle Unternehmensführung.
IZ: Welche strategischen Ideen haben Sie schon für die Münchner Wohnen?
Lehner: Strategische Ideen bespreche ich natürlich erst mit der Landeshauptstadt, und zwar dann, wenn ich den lokalen Markt, die Münchner Wohnen und die Vorstellungen der Stadt noch besser kennengelernt habe. Die Zusammenführung der beider Unternehmen Gewofag und GWG steht natürlich ganz oben auf der Agenda.
IZ: Sie sind nach der Fusion für fast 70.000 Wohnungen verantwortlich. Nach den Wünschen der Stadtspitze sollen es noch deutlich mehr werden. Wie groß sehen Sie die Münchner Wohnen in den nächsten Jahren?
Lehner: Gemessen an wirtschaftlich bedeutenden Metropolen wie Berlin, Hamburg oder auch Wien ist der Anteil der Münchner Wohnen in Relation zum gesamten Münchner Mietwohnungsbestand eher gering. Da sind wir wieder beim Thema Strategie.
IZ: Für die Münchner Wohnen wird der Start nicht einfach. Der Stadtrat soll den Mietenstopp für die städtischen Gesellschaften verlängern. Im äußersten Fall werden Sie bis in die 2030er Jahre hinein auf Mieterhöhungen verzichten müssen. In internen Papieren warnen Gewofag und GWG immer wieder vor Liquiditätsengpässen und weniger Neubau. Wie wollen Sie die Ziele wie mehr Neubau und energetische Sanierung umsetzen, wenn sie keine Möglichkeit haben, Geld zu verdienen?
Lehner: Mit Sicherheit werde ich gegenüber der Landeshauptstadt keine Warnungen aussprechen. Das wäre im Zweifel zu einfach. Besser ist es, Handlungsoptionen vorzustellen und zu diskutieren.
IZ: Bei Hohlbein & Cie. Consulting waren Sie unter anderem für Investment-Kapitalstrukturierung und -beschaffung zuständig. Das trifft sich gut, denn manche Beobachter sehen auf die Münchner Wohnen eine unlösbare finanzielle Herausforderung zukommen. Wo wollen Sie das Geld auftreiben?
Lehner: Wie schon gesagt, meine Rolle ist es, Möglichkeiten zur Bewältigung der Herausforderungen aufzuzeigen. Beide Unternehmen, Gewofag und GWG, haben in den vergangenen Jahren ihre Leistungsfähigkeit bereits bewiesen.
IZ: Wie soll allein die Sanierung von alten Wohnungen gelingen? Etwa die Hälfte der Wohnungen muss modernisiert werden. Geschätzter Finanzbedarf rund 400 Mio. Euro. Außerdem sollen Sie noch mehr bauen. Haben Sie trotz oder wegen dieser Herausforderungen den Job angenommen?
Lehner: Ja, das ist ein Grund. Ich finde das Ausbalancieren unterschiedlicher Investmentsphären eines Unternehmens herausfordernd. Gemeinsam mit meiner Kollegin in der Geschäftsführung, Dr. Doris Zoller, werden wir den Modernisierungs- und Sanierungsbedarf bewerten.
IZ: Die städtischen Gesellschaften gelten als Unternehmen, in die die Stadtpolitik gerne reinredet. Wie werden Sie damit umgehen?
Lehner: Die Geschäftsführung hat keine eigene Agenda, die sich von der des Gesellschafters entfernt. Dies ist im Kapitalmarkt nicht anders, ich bin daran gewöhnt.
IZ: Ist es ein Vorteil, wenn Sie nur eine Amtszeit haben, dass Sie weniger Rücksicht nehmen müssen?
Lehner: Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer eines Vorstands im Kapitalmarkt liegt bei knapp sechs Jahren. Spätestens dann sollte der Job also erledigt sein. So bin ich auch getaktet. Wie bereits gesagt, sehe ich meine organschaftliche Beziehung zur Münchner Wohnen nicht als Dauerbaustelle.
IZ: Herr Lehner, vielen Dank für das Gespräch und Ihre Antworten.
Die Fragen stellte Alexander Heintze.